Regie: C.B. Yi
Verbotene Liebe...
Der Regisseur C.B. Yi des Films "Moneyboys" ist in China geboren und kam mit 13 Jahren nach Österreich, wo er an der Filmakademie Wien unter anderem bei Michael Haneke und Christian Berger studiert hat. Sein Debütfilm „Moneyboys“ weckte das Interesse zahlreicher Festivals: In Cannes lief er in der Reihe "Un Certain Regard“, die besondere Entdeckungen präsentiert. Beim Nachwuchs-Festival "Max Ophüls Preis“ in Saarbrücken wurde er als bester Film ausgezeichnet. Gedreht wurde der Film in Taiwan. In China selbst wäre der Stoff wegen seiner queeren Thematik nicht umsetzbar gewesen. Die Geschichte handelt von einem jungen Mann namens Fei, der in einer chinesischen Großstadt lebt und sein Geld als illegaler Sexarbeiter verdient, indem er anderen Männern seinen Körper anbietet. Mit dem Geld unterstützt er seine Familie auf dem Land. Diese nimmt das Geld zwar an, lehnt seine Homosexualität aber ab. Sexarbeit ist in China verboten – entsprechend rührt der junge Filmemacher mit seinem Debüt an ein Tabuthema. Menschen, die sich prostituieren, unterliegen einem erheblichen sozialen Druck, erzählt C.B. Yi. Sie würden von der Polizei gejagt und von Nachbarn denunziert. Oft leben sie nur kurz in einer Stadt, bevor sie weiterziehen müssen. So ist man ständig auf der Flucht. In langen Plansequenzen, von Bildgestalter Jean-Louis Vialard oft aus der Hand gedreht, folgt der chinesisch-österreichische Filmemacher seinen Protagonisten, beobachtet sie ausführlich beim Karaoke-Singen in Bars, beim ausgelassenen Tanzen in Discos, in großen Essen-Szenen und beim Sex. Dabei vermitteln die Cinemascope-Bilder immer auch eine Unbestimmtheit. Die Konflikte, die von den Figuren verbal und körperlich ausgetragen werden, verweisen auf eine unsichere Identität, auf eine Suche irgendwo zwischen dem Alten und dem Neuen. Fei (Kai Ko) und Xiaolai (Lin Zhengxi) arbeiten als Strichjungen beziehungsweise als Callboys in einer chinesischen Stadt. Die beiden jungen Männer mit den offenen, freundlichen Gesichtern, die Lust und Begehren ausdrücken, sind aber auch ein Paar. Sie haben leidenschaftlichen Sex, kaufen zusammen Kleider und besuchen Bars. Doch Fei, der schüchterner und unsicherer wirkt, ist nicht frei von Schuldgefühlen. Weil er seine Familie auf dem Land finanziell unterstützt, ist er gegen den Rat seines Freundes auch bereit, einen potentiell gefährlichen Kunden zu besuchen, was schlecht ausgeht. Fei kehrt verletzt zurück und Xiaolai, der ihn daraufhin rächt, wird selbst zum Opfer der Gewalt. Als die Polizei an der Haustür klingelt, flüchtet Fei ohne seinem Partner eine Nachricht zu hinterlassen. Nach einem Zeitsprung lebt Fei fünf Jahre später in einer anderen Stadt, in einer modernen Wohnung und in einer neuen Beziehung. Offensichtlich hat er es als "Moneyboy“ zu einigem Wohlstand gebracht. Doch dann holt ihn auf verschiedenen Ebenen die Vergangenheit ein.Erst entpuppt sich ein Freier als Polizist, sodass Fei verhaftet wird, weil sein Gewerbe in China illegal ist. Dann, als er seine Familie in einer ländlichen Region besucht, gerät er aufgrund seiner verheimlichten Homosexualität in einen heftigen Streit mit einem Onkel. Auch emotional wird Fei zerrieben zwischen traditionellen Anforderungen und einem modernen Lebensgefühl, zwischen familiären Pflichten und einem individuellen Freiheitsbedürfnis. Seine Unentschlossenheit und innere Zerrissenheit spitzen sich noch zu, als der junge Long (Bai Yufan), ein früherer Kumpel aus seinem Heimatdorf, plötzlich bei ihm in der Stadt auftaucht und nicht nur ebenfalls den Erfolg und die vermeintliche Unabhängigkeit als "Moneyboy“ sucht, sondern sich außerdem heftig in Fei verliebt. Als dann plötzlich auch noch Xiaolai wie ein Schatten aus Liebe und Schuld von der Vergangenheit in die Gegenwart tritt, wird Fei vollends in ein Gefühlschaos gestürzt....Wenn Fei an Opferzeremonien für die Verstorbenen seiner Familie teilnimmt, zeigt das eine Verbundenheit, die seine persönlichen Schuldgefühle zugleich vertieft und dem Zuschauer verdeutlicht. Freiheit ist mit Schuld und Verboten umlagert, ein Doppelleben wird sozusagen erzwungen und ist der Preis. Der Film hat auch die Botschaft "Wenn du die richtige Person findest, dann halte sie gut fest". Aber ob sich Fei dafür entscheiden kann ?
Aus eben diesen Strukturen kann sich Fei nicht befreien. Er lebt, anders als Long, der bewusst mit seiner Herkunft bricht, in einem fortwährenden Dazwischen und findet weder in der Welt seiner Familie noch in der Gemeinschaft der »Moneyboys« dauerhaft ein Zuhause. Yis Inszenierung und Vialards brillante Kompositionen, die voller Nachdruck davon zeugen, wie Räume, reale ebenso wie metaphorische, Menschen formen, wie sie ihnen Chancen eröffnen oder nehmen können, wachsen so über die Geschichte hinaus. Ihr Porträt einer schwulen Liebe, die letzten Endes nur scheitern kann, gibt dem Film ein emotionales Zentrum, das berührt, aber sich dem Melodramatischen konsequent verweigert. Unter der Erzählung von Feis Zerrissenheit liegt der Abgrund einer Gesellschaft, die die Menschen in unlösbare Konflikte stürzt und nirgendwo einen Halt bietet.
Bewertung: 8 von 10 Punkten.