Sonntag, 10. Juli 2016

Spotlight




Regie: Tom McCarthy

Der Skandal von Boston...

Am Anfang von "Spotlight" steht eine finstere Film Noir Sequenz, eine Rückblende ins Jahr 1976. Das Szenario wirkt schemenhaft, man erkennt aber, dass die Szene eine Polizeistation zeigt. Eine Mutter und ihr Sohn wollen etwas anzeigen, doch ein Priester und ein Anwalt intervenieren in dieser Sache, so dass die Anzeige vielleicht fallen gelassen wird. Draussen auf der nächtlichen Straße wartet eine schwarze Limousine. "Spotlight" ist der Film, der bei der diesjährigen Oscarverleihung den Preis als bester Film erringen konnte. Ausserdem wurde das Drehbuch des Regisseurs Tom McCarthy, das er gemeinsam mit Josh Singer verfasste, preisgekrönt. Es gab vier weitere Nominierung: Beste Regie, Bester Nebendarsteller Marc Ruffalo, Beste Nebendarstellerin Rachel McAdams und Bester Schnitt Tom McArdle.
Der bedrückende Film befasst sich mit dem Thema "Sexueller Mißbrauch in der römisch-katholischen Kirche" - ein Thema, das lange Zeit verschwiegen und versteckt wurde und erst seit Mitte der 90er Jahre aufgrund diverser Berichterstattungen eine immer größere öffentliche Aufmerksamkeit weltweit erreichen konnte. Davor war es ein großes schambesetztes Tabuthema für die vielen Opfer und die Kirche mit den Tätern aus den eigenen Reihen recht tolerant umging. Man zog den Priester, Erzieher oder Mönch einfach aus seinem Wirkungskreis ab und versetzte ihn in eine neue Gemeinde. Doch der Reue über das teuflische Verhalten folgte die Wiederholung der Schandtat. Eine Kettenreaktion eines Teufelskreises. Als die traumatischen Erlebnisse durch die Opfer öffentlich gemacht wurden, bekam die Kirche so einen starken Druck, dass sie ihre gängige Praxis endlich überdenken mussten.
Auch in Deutschland wurden zahlreiche Mißbrauchsfälle aufgedeckt, was viele Austritte aus der Kirche zur Folge hatte. Die Kirche hatte plötzlich an Vertrauen verloren und auch heute noch hat sich die Institution noch nicht ganz von diesen Skandalen erholt. "Spotlight" skizziert den "Bostoner Skandal", der von der einem kleinen Team von Journalisten der beliebten Tageszeitung "The Boston Globe" im Jhar 2002 aufgedeckt wurde. Anstoß gab der neue Chefredakteur Marty Barron (Liev Schreiber). Der Journalist aus Miami ist ein stiller Aussenseiter: Unverheiratet, Jude und ausserdem hasst er Baseball. Aber er gibt in seiner ersten Redaktionskonferenz den Anstoß an sein Team, die Geschichte über den Priester John Geoghan zu machen, der sich wohl an Dutzenden Kindern vergangen hat und von Pfarrei zu Pfarrei verschoben wurde. Seine Verfehlungen mit dem Wissen von ganz oben...was soviel heißt, dass der beliebte Kardinal Bernard Law (Len Cariou) sicherlich davon gewusst haben müsste. Barron will aber mehr als nur einen Schuldigen überführen - er will über diesen Einzelfall hinausgehen. Vielleicht, so Baron, steckt dahinter ein System. In einer Szene des Films trifft dieser Baron den Kardinal, der ihm zum Abschied des Gesprächs einen Katechismus schenkt. Law meitnte Presse und Kirche müssen zusammenarbeiten, Baron stellt aber klar, dass die Presse immer unabhängig sein muss.
Nun beginnt das monatelange Recherchieren seines Investigations-Team "Spotlight": Michael Rezendes (Mark Ruffalo), Walter Robinson (Michael Keaton),, Sacha Pfeifer (Rachel McAdams) und Matt Carroll (Brian de Arcy James) sowie der Boss Ben Bradlee jr. (John Slattery). Es bringt in Erfahrung, dass das Erzbistum von den Taten gewusst und sie regelmäßig durch Versetzung des Täters vertuscht hatte, durch Geld das lebenslange Schweigen der Opfer erkauft und damit auch einen Gerichtsprozess vermieden hatte, und schließlich die gerichtlichen Akten hierzu aus dem Gerichtsarchiv hatte auslagern lassen. Die Missbrauchsfälle - zunächst als tragische Einzelfälle eingestuft - entwickeln sich immer in größerem Ausmaß. Anwalt Mitchell Garabedian (Stanley Tucci) hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Opfern gerichtlich zu ihrem Recht zu verhelfen, doch der Widerstand des Establishments (Kirche, Gericht, einflüssreiche Bürger) ist groß. Bald muss das Team damit klarkommen, dass sich von den 1.500 Priestern in Boston ca. 6 % des Kindesmissbrauchs schuldig gemacht haben....



Ohne Effekthascherei wird diese eindringliche und spannende Geschichte über eine journalistische Aufdeckung erzählt. Mit einen hohen Anspruch und angenehm unscheinbar wird die Arbeit der Zeitungsleute beschrieben. Was schon wie aus einer anderen Welt - wenn man die heutige Dominanz der Sensationspresse und der immer schnelleren und markanteren Schlagzeilen als Vergleich nimmmt. Der Film ist einerseits ein Plädoyer an die unabhängigen Medien. Andererseits an die Stärken der Presse, wenn sie adäquat und fundiert über ein Thema schreibt. Hier in "Spotlight" wird ein Tabuthema angekratzt und das ist sicherlich löblich, dass die Verbrechen von Priestern auch endlich ans Tageslicht kommen und nicht mehr hinter den Kirchenmauern versteckt und vertuscht werden können. Die katholische Kirche hat sogar den Film sehr gelobt und gab sich selbstkritisch. Ansonsten wird hier mit leisen Tönen, aber sehr intensiv eine Feier der journalistischen Ethik und des journalistischen Professionalismus zelebriert. Wem das altmodisch vorkommt, der liegt nicht falsch. Die Zeiten ändern sich. Selbst wenn seither erst 15 Jahre vergangen sind. Ich hoffe sehr, dass diese seriöse Art der Berichterstattung mit Wahrheitsgehalt nicht nur erhalten bleibt, sondern auch in Zeiten der unseriösen Sensationspresse wieder erstarken kann.


Bewertung: 8 von 10 Punkten.