Sonntag, 26. März 2017

Flucht nach Varennes

























Regie: Ettore Scola

Historische Kutschenfahrt...

Am 19. Januar 2016 verstarb der italienische Regisseur Ettora Scola im Alter von 85 Jahren in Rom. In Erinnerung wird er vor allem durch die Filme "Ein besonderer Tag" und "Le Bal - Der Tanzpalast" bleiben. Er galt als sehr politischer Filmemacher, der sehr stark war Geschichte lebendig zu erzählen. Von dieser Machart ist auch der 1982 gedrehte französisch-italiensische Beitrag zur französischen Revolution: "Flucht nach Varennes" erzählt von diesem Fluchtversuch des französischen Königs Ludwig XVI. und seiner gesamten Familie aus dem revolutionären Paris in der Nacht vom 20. auf den 21. Juni 1791.  Ziel des Königs muss wohl Metz gewesen sein, aber sie endete in den kleinen Ort Varennes. Die Garde Nationale führte die Kutsche nach Paris zurück, wo der König zuerst suspendiert wurde, danach aber wieder im Amt belassen wurde. Die Abgeordneten hatten zu diesem Zeitpunkt keine Alternative zur geplanten Einführung einer konstitutionellen Monarchie. Der Fluchtversuch wurde vorerst als "Entführung" tituliert. Doch das Ereignis spaltete die Revolutionäre. Das Mißtrauen gegen den Monarchen wuchs, er wurde dann 1792 abgesetzt und am 21. Januar 1793 in Paris geköpft.
Ettora Scola erzählt von der Flucht, kommt aber beinahe ohne den König aus. Von ihm sieht man nur einmal die Beine und einmal darf Hanna Schygulla vor der Robe des Königs einen Hofknicks machen. Ansonsten erlebt der Zuschauer eine Inszenierung, wie ein Reporter sie erlebt. Und dieser Reporter ist der scharfsinnige Chronist Nicolas Edmond Restif de la Bretonne (Jean-Louis Barrault), der in Paris als Schriftsteller, Drucker, Enzyklopädist und Verfasser erotischer Romane einen gewissen Namen hat. Dieser sieht durch Zufall einen hektischen und nervösen Aufbruch vor dem königlichen Palast. Eine Komtesse (Hanna Schygulla) und ihr Diener Monsieur Jacob (Jean Claude Brialy) tragen mit in der Nacht ein großes Gepäckstück bei sich und es sieht so aus als würden die beiden im Zusammenhang stehen mit einer Kutsche, die mitten in der Nacht den Palais Royal verlässt. Bei einem Besuch im Bordell bekommt Nicolas noch einmal Informationen, die seinen Verdacht erhärten, der König könnte Paris heimlich verlassen haben. Als am Morgen die Komtesse samt Diener auch zu den Reisenden einer Kutsche Richtung Lothringen gehören, entschließt sich Nicolas mitzufahren. Doch die Kutsche fährt ohne ihn los. Auch der berühmte Thomas Paine (Harvey Keitel), einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten reist in dieser Kutsche mit. Neben Adligen auch ein junger revolutionärer Student (Pierre Malet). Genug kontroverser Gesprächsstoff über das damals aktuelle Zeitgeschehen ist gegeben. Nicolas mietet sich ein Pferd und verfolgt die Kutsche. Unterwegs begegnet er auf gleicher Straße dem alternden Chevalier de Seingalt (Marcello Mastroianni), besser bekannt unter seinem Namen "Casanova". Als Casanovas Kutsche einen Achsbruch hat, bestehen die Damen der regulären Postkutsche (Andrea Ferreol; Laura Betti), dass die beiden Herren unbedingt mitgenommen werden sollen...



Am Ende steht dann die förmliche Verhaftung des Königs durch Abgesandte der Nationalversammlung, die Bevölkerung der kleinen Stadt verfolgt neugierig dieses Spektakel bis tief in die Nacht hinein...Fackeln beleuchten den ganzen Ort.
Das sind schon klasse Szenen, die sehr authentisch wirken. Man hat beinahe das Gefühl selbst Zeitzeuge dieses Geschehens zu sein. Vorher ließ sich der Regisseur ausgebiebig Zeit mit Beobachtungen, Vermutungen, Diskussionen die von den Reisenden in der Kutsche thematisiert werden. Sie wägen beinahe schon differenziert ab, welche Vorzüge die neue Strömung der Revolution zur Folge hat, aber welche alten bewährten Gesetze aufrechterhalten werden müssten. Zusätzlich zeigt Scola auch die Emtionen der einzelnen Menschen dieser sonderbaren Reisegesellschaft. Am Ende erzählt die bisher so souveräne Komtesse Sophie de la Borde von ihrer Angst und von ihrer Begeisterung für den König. Einen Wermutstropfen hat allerdings die deutsche DVD-Version. Denn im Kino wurde wohl damals sehr viel gekürzt, diese Szenen sind jetzt untertitelt - aber es sind sehr viele. Noch dazu in italienischer Sprache und dies in einem Film über die französische Revolution. Sehr irritierend...ich empfehle daher den Film gesamthaft in der italienischen Version anzuschauen. Denn beinahe im Wechsel zweisprachig stört das Filmvergnügen doch etwas. Der Film selbst plätschert angenehm vor sich hin, Leute die Spannung erwarten, werden von "Flucht nach Varennes" eher enttäuscht sein.



Bewertung: 7,5 von 10 Punkten.

Aus Mangel an Beweisen

























Regie: Alan J. Pakula

Carolyn Polhemus Mörder...

Im Alter von 70 Jahren verstarb Hollywood Regisseur Alan J. Pakula am 19. November 1998 bei einem Autounfall auf dem Long Island Express Highway. Bekannt wurde er vorerst als Produzent der Literaturverfilmung "Wer die Nachtigall stört", die ihm auch eine Oscar-Nominierung einbrachte. Ende der 60er Jahre wagte er sich auch auf den Regiestuhl. Es entstand "Pookie" und in den 70ern mit "Klute", "Zeuge einer Verschwörung" und "Die Unbestechlichen" drei großartige Thriller, die inzwischen als "Paranoia-Trilogie" zusammengefasst werden. Trotz des Erfolges in diesem Genre wandte er sich in den 80ern anderen Filmthemen zu, erst 1990 kam es zu einem Thrillercomeback mit dem spannenden Gerichtsfilm "Aus Mangel an Beweisen" mit Harrison Ford in der Hauptrolle. Ein Kassenerfolg mit einem weltweiten Einspielergebnis von 221 Millionen US-Dollar. 1993 knüpfte er mit "Die Akte" noch einmal erfolgreich in Sachen Politthriller an, wieder schaffte er ein weltweites Kassenergebnis in ähnlichen Regionen. "Die Akte" spielte 195 Millionen Dollar ein. "Aus Mangel an Beweisen" basiert auf dem gleichnamigen Roman "Presumed Innocent" von Scott Turow und steht in der Tradition einiger gut gelungener 80s Thriller wie "Suspect" von Peter Yates, "Der Mann im Hintergrund" von Ridley Scott oder "Das Messer" von Richard Marquard. Die Brisanz seiner 70er Jahre Thriller hat "Aus Mangel an Beweisen" aber nicht, die Spannung kommt jedoch nicht zu kurz.
Erzählt wird das Dilemma von Rozat Sabich (Harrison Ford), dem stellvertretenden Staatsanwalt in Kindle County. Sein Boss Raymond Horgan (Brian Dennehy) hat politische Ambitionen und will als oberster Staatsanwalt für das County gewählt werden, doch er hat mit Nico Della Guardia (Tom Mardirosian) einen ebenbürtigen Gegner. Dann wird die Kollegin Carolyn Polhemus (Greta Scaachi) ermordet in ihrer Wohnung aufgefunden. Alles sieht nach Vergewaltigung aus, sie wurde mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen und mit Seilen gefesselt. Horgan, der ein Verhältnis mit der jungen ehrgeizigen Kollegin hatte, will unbedingt, dass Rusty (Rozats Spitzname) den Fall übernimmt und mit höchster Priorität die Ermittlungen erfolgreich absolviert und schnellstens einen Täter liefert. Dabei hatte aber auch Rusty ein Verhältnis mit Carolyn, von dem aber nur seine Ehefrau Barbara (Bonnie Bedelia) etwas wusste, es aber irgendwie duldete. Die Beiden haben einen gemeinsamen Sohn (Jesse Bradford) und gelten eigentlich als Bilderbuchehe. Gemeinsam mit dem befreundeten Polizisten Liprranzer (John Spencer) beginnen die Ermittlungen. Bald werden Fingerabdrücke von Rusty an einem Glas in Carolyns Wohnung gefunden, auch wird entdeckt, dass Rusty von seinem Privatanschluß sehr oft Carolyns Nummer wählte und es exisistieren auch Anrufe von Carolyns Wohnung aus zu Rusty. Als Horgan die Wahl gegen Guardia verliert, hat der neu gewählte Staatsanwalt gemeinsam mit dem Leiter der Mordkommission Tommy Molto (Joe Grifasi) sehr schnell eine Anklage gegen Rusty vorbereitet. Es sieht böse aus, auch wenn es nur Indizien gibt. Sabich gewinnt aber den erfolgreichen Anwalt Sandy Stern (Raul Julia) für seine Verteidigung...


Das Ende ist dann doch etwas überraschend und trotz einiger Klischees passt es auch. Alan J. Pakula weiß natürlich wie man einen Gerichtsfilm möglichst spannend erzählt und es steht ihm ein sehr gutes Schauspieler-Ensemble zur Verfügung, die Können beweisen. Trotz des Dramas in der Geschichte gelingt es Pakula auch politische und moralische Korruptionsmechanismen im Justizsystem der USA anzureißen. Es überwiegt aber der Aspekt der guten Unterhaltung.




Bewertung: 7 von 10 Punkten.

Sonntag, 19. März 2017

Die Rückkehr - The Return

























Regie: Andrej Swjaginzew

Die Begegnung mit dem Vater...

Bereits sein erster Spielfilm "Die Rückkehr - The Return" (Original: Возвращение Woswraschtschenije) wurde 2003 mit dem Europäischen Filmpreis als bester Nachwuchsfilm ausgezeichnet. Dabei hatte Regisseur Andrek Petrowitsch Swjaginzew nur sehr wenig Geld für die Produktion des Low Budget Films zur Verfügung. Es folgten "Die Verbannung" und "Jelena". 2014 gelang ihm dann mit "Leviathan" sein bisher größter internationaler Erfolg - mehrere Nominierungen für den Europäischen Filmpreis waren der Lohn, ausserdem erhielt er eine Oscar-Nominierung und konnte bei der Vergabe der Golden Globe den Sieg als bester ausländischer Film einfahren. Inzwischen zählt er zu den besten russischen Filmemacher der Gegenwart und sein Debütfilm landete bei der BBC Umfrage nach dem bedeutendsten Film des neuen Jahrhunderts auf dem fantastischen 80. Rang.
Es ist eine Art Road Movie, aber schon zu Beginn hat man das Gefühl, dass die Geschichte ein schwerwiegendes Drama behandelt. Man sieht ein paar Jungs, die an einem See eine Mutprobe veranstalten. Alle müssen von einem hohen Turm aus ins kalte Wasser springen. Auch der vierzehnjährige Andrej (Wladimir Garin) und sein zwölfjähriger Bruder Iwan (Iwan Dobronrawow). Iwan ist als Letzter dran, alle anderen haben die Mutprobe bereits erfolgreich absolviert - doch der Junge bekommt am Ende kalte Füße. Nun gilt er als Feigling. Vor lauter Scham bleibt er oben auf dem Turm, nur mit Badehose bekleidet, bis seine Mutter (Natalia Vdowina) ihn im Dunkeln dort erlöst. Eine ganz andere Mutprobe kommt aber Tage später auf die beiden Brüder zu. 12 Jahre lang war er weg, niemand hat ihnen gesagt warum und nun ist plötzlich der Vater (Konstantin Lawronenko) wieder wie aus dem Nichts aufgetaucht. Ein gravierender Einschlag im Leben der beiden Jungen, die keine Erinnerungen mehr an den Vater hatten. Nun ist der fremde Vater da und sitzt mit ihnen am Tisch - gemeinsam mit der Mutter und mit der Großmutter. Neugierig tasten sie sich an den Fremden heran. Nachts im Bett reden sie darüber und geben zu, dass sie sich freuen. Der Grund für seine Rückkehr wird nicht thematisiert, er will nun seine beiden Söhne auf eine zweitägige Reise mitnehmen. Es soll ein Angelausflug werden. Die Reise beginnt an einem Dienstag und endet am nächsten Sonntag, also länger als gedacht und er endet auch mit dem Ende der Kindheit für die beiden Brüder. Auf der Reise wird sehr schnell klar, dass das Kennenlernen unter keinem guten Stern steht. Der Vater ist unbeholfen im Kontakt mit seinen Kindern, er fordert von ihnen Respekt und wird sehr schnell autoritär. Die Brüder reagieren auch unterschiedlich auf den Vater. Andrej spielt den folgsamen Sohn und buhlt um die Gunst des Vaters, während Iwan den Aufstand probt. Die Konflikte werden verstärkt durch die harten Reaktionen des Vaters auf den Protest. Auf einer Insel, die der Vater den Kindern zeigen will, kommt es schließlich zu einer Katastrophe...Schauplatz ist ein alter Leuchtturm, von dem aus man einen großartigen Blick auf die ganze Insel hat. Aufgrund seiner Höhenangst bleibt Iwan unten...





Die tragische Geschichte vom unglücklichen Versuch einer Annäherung wird von Swjaginzew sehr ruhig erzählt, die Bilder des Kameramanns Michail Kritschman verstärken die eigenartige Atmosphäre dieses eindrucksvollen und hervorragenden Films. Es ist eine mystische Geschichte von einer Angeltour, die eigentlich zum Kennenlernen gedacht ist, doch sich immer mehr als Gewaltmarsch herausstellt, bei dem sich die drei Figuren immer fremder werden. Der ganz große Knall ist angedeutet und geschieht dann auch auf tragische Weise. Ähnlich wie Rob Reiner in seinem Klassiker "Stand by me" konfrontiert auch der russische Regisseur seine jungen Protagonisten mit dem plötzlichen Übergang von der Kindheit zum Erwachsenwerden. In der Szene am Ende mit dem Boot, dass aufs Wasser treibt und versinkt, steckt der ganze tiefe Schmerz der Geschichte zwischen Vater und Söhnen. Beeindruckend und völlig zu Recht als einer der wichtigsten und besten Filme der letzten 15 Jahre benannt. Manche Kritiker verglichen "The Return" mit den Werken von Andrej Tarkowski. Traurig auch das Schicksal des jungen Wladimr Garin - er ertrank kurze Zeit nach dem Ende der Dreharbeiten im Ossinowzkoje See bei Sankt Petersburg, der sich nicht weit vom Drehort befindet. Wie im Film wurde er dazu animiert von einem Turm in den See zu springen. Dabei bekam wer wohl einen Krampf in der kalten Strömung des Sees. Drei Tage später fand man seine Leiche.






Bewertung: 10 von 10 Punkten.

Timbuktu

























Regie: Abderrahmame Sissako

Als die Gotteskrieger in die Stadt kamen...

Der mauretanische Filmregisseur Abderrahmame Sissako war mit seinem Film "Timbuktu" der Gewinner der Cesar Verleihung 2015. Insgesamt bekam die französisch-mauretanische Produktion sieben Auszeichungen: Bester Film, beste Regie, beste Kamera für Sofian El Fani, bester Schnitt, bestes Orginaldrehbuch, beste Filmmusik und bester Ton. Dieser Erfolg führte auch zu einer Oscar-Nominierung als bester ausländischer Film, ausserdem war er in Cannes für die goldene Palme nominiert. Die vor kurzem durchgeführte BBC-Umfrage über die besten und wichtigsten Filme des neuen Jahrhunderts führt "Timbuktu" auf dem mehr als ehrenvollen Rang 36.
Es ist sicherlich eines der seltenen Beispiele für einen politisch ambitionierten Film, der sich mit Ereignissen der Gegenwart beschäftigt.
Die von Mythen umwobenen malische Stadt Timbuktu wird im Jahr 2012 durch Dschihadisten der Al-Qaida nahen Gruppe Ansar Dine eingenommen. Die extremistishcen ausländischen Milizen wollen ihren Glauben und ihre streng ausgelegten Regeln der dortigen Bevölkerung notfalls auch mit Gewalt aufzuwingen. In den Dünen am Rande der Stadt lebt der Nomade Kidane (Ibrahim Ahmed) mit sener Frau Satima (Toulou Kiki), seiner über alles geliebten Tocher Toya (Layla Walet Mohamed) und dem zwölfjährigen Waisenjungen Issan (Mehdi Ag Mohamed) in einem Zelt. Die Familie ist arm, hat aber 7 Kühe, die der Junge tagsüber hütet. Seine Lieblingskuh hat er GPS genannt. Die Familie ist gläubig und gelegentlich spielt der Vater auf seinem Instrument und singt dazu. Bislang sind sie noch nicht betroffen von dem strengen Verhaltenskodex, den die Dschihadisten in der Stadt einführen.
Die Länge der Hosenbeine wird bestimmt, Frauen werden verpflichtet Burka, Handschuhe und Strümpfe in der Öffentlichkeit zu tragen, weiterhin ist plötzlich Fernsehen, Radio, Fußball, Alkohol, Musik, Herumstehen als Sünde verwerflich. Die Bewaffneten treten mit Schuhen in die örtliche Moschee ein, der Imam (Adel Mahmoud Cherif) schickt sie weg. Doch auch er kann sich nicht gegen ihr Machtgehabe durchsetzen.
Kidane entscheidet sich, das zukünftige Kalb der trächtigen GPS Issan zu schenken. Als die Kühe wie jeden Tag am Fluss ihr Wasser trinken, wird Fischer Amadou böse.  Er hat Angst, dass Issans Kühe beim Marsch durch den Fluss seine Fischernetze zerreißen und tötet GPS mit einem Speer. Issan rennt heulend nach Hause und Kidane macht sich auf Amadou zur Rede zu stellen. Er nimmt dabei eine Pistole mit, obwohl ihn seine Frau eindringlich warnt den streit nicht eskalieren zu lassen. Doch das Schicksal will es, dass sich nach einer heftigen Schlägerei eine Kugel löst und bevor Issan zuhause wieder ankommt, wird er wegen Mordes an Amadou verhalftet. Gemäß der Scharia droht ihm die Todesstrafe...




Der Film nimmt direkt Bezug auf den Islam und stellt einen toleranten Glauben dem Extremismus gegenüber. Eindringliche Szenen bleiben im Gedächtnis, etwa dann wenn eine Gruppe von jungen Leuten, die singen und Musik machen, verhaftet werden oder wenn die Jungs im Dorf trotz des konfiszierten Fußballs dennoch auf dem Sportplatz ohne Ball ihr Spiel machen. Schläge gibt es für die Sänger, lachen ist verboten und eine verbotene Liebesbeziehung führt zu einer Steinigung. Alles war friedlich, die Beduinen Familie lebte glücklich in ihrem Zelt, bis das Unglück alles durcheinander bringt. Sisskao schafft es auf bewegende Weise, den grassierenden Fundamentalismus zu zeigen und bietet Poesie als Hoffnungsschimmer an. Auch wenn am Ende des Films die beiden Kinder ziellos durch die Wüste rennen, genauso wie in der Anfangsszene eine Gazelle, die von der Miliz durch die Sandwüste gejagt wird.
Auslöser für diesen Film war die Steinigung eines ehebrecherischen Paares durch die Extremisten, die Sissako selbst miterlebt hatte.
"Timbuktu" ist toll fotografiert und wirkt trotz seines sehr ernsten und bedrückenden Themas irgendwie federleicht und sanft. Die alltäglichen Beobachtungen sprechen für sich. Die Menschen, die plötzlich mit religiösen Fanatikern konfrontiert werden, müssen sich unterordnen, obwohl es für sie nicht nachzuvollziehenist, warum ihnen solche unsinnigen Regeln aufgezwungen werden.





Bewertung: 8 von 10 Punkten.

Sonntag, 12. März 2017

Ein Hauch von Zen

























Regie: King Hu

Ritterliche Heldin...

King Hu (1931 - 1979) gilt als der große Pionier des Wuxia-Genres, auch wenn bereits in den 20er Jahren solche Filme schon gedreht wurden. Sein epochales Meisterwerk "Ein Hauch von Zen" aus dem Jahr 1969 ist aber der erste Film dieser Art, der auch das Arthaus-Publikum begeisterte. Bei seinem Kinostart in Ostasien war es nicht der große Publikumserfolg - er wurde danach vom Produzenten eigenmächtig gekürzt in der Hoffnung ihn auch auf den anderen Kinomärkten der Welt gut zu vermarkten. Zu dieser Zeit hatte ja der Kung Fu Film viele Freunde unter den Kinogängern. Erst 1975 konnte King Hu die ursprüngliche Fassung wiederherstellen und wrude dafür zu Recht bei den Filmfestspielen in Cannes mit dem großen Spezialpreis der Jury bedacht. Einzigartig auch die ausgesprochen lange Laufzeit von beinahe 200 Minuten. Seinen Durchbruch feierte King Hu mit dem Kontrakt, den er mit den Shaw Brothers einging. Für diese erfolgreichen Produzenten drehte er 14 Filme und 1966 wurde auch "Das Schwert der gelben Tigerin" sehr gelobt. Es folgte mit "Die Herberge zum Drachentor" ein gern gesehener Martial-Arts Klassiker. Vielleicht war es die Mischung die "Ein Hauch von Zen", der darauf folgte, so einzigartig werden ließ: Die spannende Geschichte wird sehr bedacht und langsam erzählt, ohne dass sie an Spannung verlieren würde. Die Martial Arts sind präzise und perfekt choreografiert und zusätzlich lässt King Hu philosophische und mystische Hintergründe des Zen-Buddhismus mit einfliessen. Darüberhinaus bedient er sich offensichtlich an den beliebten Elementen der chinesische Oper.
Sozusagen eine besonders effektive Mischung aus verschiedenen Kampfarten, artistischen Einlagen sowie Anleihen beim Ballet und Tanz. Die Akteure fliegen schwerelos durch die Lüfte und scheinen übermenschliche Fähigkeiten zu besitzen - nicht nur der sehr markante Abt des Klosters.
Das Leben des etwas phlegmatischen Portrait-Künstlers Ku Shen Chai (Shih Chun) läuft in geregelten Bahnen. Der Alltag ist immer gleich in der verschlafenen Kleinstadt, wo er mit seiner resoluten und ständig meckerden Mutter (Zhang Bing-yu).  Zusammen wohnen die beiden etwas ausserhalb in einer verlassenen Anlage, in der gelegentlich Geistererscheinungen beobachtet wurden. Zumindest erzählen es die Leute im Dorf so. Die Mutter kann die Haltung ihres verträumten Sohnes nicht verstehen. Schon über 30 Jahre alt - aber noch nicht mal Beamter ist er geworden mit seinen Fähigkeiten und seiner Intelligenz. Sie hält ihn für einen träumerischen Versager. Als der Fremde Ouyang Nin (Tien Peng) auftaucht, wird es aber bald mit der Ruhe vorbei sein. Denn der interessiert sich auffällig dafür, wer in den letzten Wochen und Monaten neu im Dorf zugezogen ist. Und was hat das mit den beiden neuen Ärzte (Pai Ying und Xue Han) zu tun, die er irgendwie zu beoachten scheint. Auch die Mutter ist komisch. Denn sie hat der bettelarmen und mittellosen Yang Hui-Chin (Hsu Feng) angeboten in der Anlage wohnen zu können. Mutter denkt dabei schon an eine bevorstehende Hochzeit ihres Sohnemannes mit der schönen Fremden. Aber die ist eine Prinzessin, die vor den Feinden (der mächige Geheimdienstchef Obereunuch Wei) geflohen ist, nachdem ihr Vater beim Kaiser denunziert und ermordet wurde. Der Bücherwurm verliebt sich natürlich in das Mädchen, das gut mit dem Schwert umgehen kann und ersinnt einen Plan, wie man die Übermacht der Bösen, die bald im Dorf sind, besiegen kann. Da helfen wohl nur Geisterfallen...






Nach der schönen ausufernden Einleitung kommt es in der Nacht zum Kampf und es kommt sogar zu einer Liebesnacht zwischen Ku und Yang. Die geht allerdings ohne ein Wort der Erklärung fort und sucht im Kloster Aufnahme. Ein Kind aus der Liason schenkt sie Ku, doch dieser gerät auf dem langen und beschwerlichen Heimweg in Gefahr. Noch einmal kommt es im Wald zu grandiosen Kämpfen. Diesmal hat der Abt Hui-Yuan (Roy Chiao) die Oberhand, doch er wird von dem listenreichen bösartigen General (Han Ying-jie) in einen feigen Hinterhalt gelockt. Dies alles ist in faszinierenden Bildern zu sehen und am Ende erreicht der Mönch das Nirwana. Sichtbar als er in einer Lotusstellung verharrt und goldener Staub aus seinen Wunden strömt. Die wörtlliche Übersetzung von King Hus Film heißt "Ritterliche Heldin" (Hsia Nu) und tauscht sogar die Geschlechterrollen. Denn die Frau ist die Kämpferin, ihr Liebhaber entzieht sich dem Kampfgeschehen und hofft mit List und Klugheit zu punkten. Nach "Ein Hauch von Zen" drehte King Hu mit "Regen in den Bergen" eine Art zweiter Teil des Films. 1990 gelang ihm mit "Swordsman" ein phänomenales Comeback.




Bewertung: 9,5 von 10 Punkten.