Regie: John Huston
In Stockton...
In einem Interview mit dem "Life Magazine" im Jahr 1969 erklärte
Leonard Gardner die Bedeutung seines Titels für den Roman "Fat City".
Diese "Fat City" ist im Slang genau das, was Menschen in unteren
Schichten meinen, wenn sie auf der Suche nach einem guten Leben
sind...zu finden in dieser "Fat City". Der Schriftsteller meinte aber,
dass er seinen Titel ironisch sieht. "Fat City" ist ein verrücktes Ziel,
das niemand jemals erreichen wird".
Und schon gar nicht seine Protagonisten Billy Tully oder Ernie Munger.
Regisseur John Huston verfilmte 1971 Gardners Roman und konnte den Romancier sogar als Drehbuchautor gewinnen.
Dabei gelang ihm ein hervorragendes und realistisches Portrait
einiger gescheiterter Existenzen. Billy und sein jüngerer Kumpel sind
Menschen, die keine Chance mehr haben. Und im Grunde wissen sie das
auch, selbst wenn sie auf ihre Träume nicht gerne verzichten. Ausserdem
kehrte der Meisterregisseur mit diesem spröden Boxerdrama zu dem Genre
zurück, mit dem er seine lange Karriere begann. Sein erster Film läutete
die Ära des Film Noir ein, für viele Filmhistoriker ist er sogar der
erste Noir der klassischen Ära und drehte mit "Key Largo" und "Asphalt
Dschungel" zwei weitere erstlklassige Vertreter der schwarzen Serie.
"Fat City" bedeutet sozusagen Hustons Comeback auf diesem für ihn
bekannten Terrain.
Sowohl Huston selbst als auch Autor Gardner waren in der Jugend
Leichtgewichtsboxer. Gardner in seiner Heimatstadt Stockton, in der auch
die Geschichte des 29jährigen Billy Tully (Stacy Keach) spielt. Tully
hatte schon mal ganz guten Erolg als zweitklassiger Boxer und wurde von
Manager Ruben (Nicolas Colasanto) betreut. Doch als er von seiner Frau
verlassen wurde, begann er zu trinken und seither hält er sich mit
schlecht bezahlten Gelegenheitsjobs über Wasser. Er hat schon Monate
lang nicht mehr geboxt. Eines Tages übt er in der Sporthalle des YMCA,
dort lernt er den ca. 10 Jahre jüngeren Ernie Munger (Jeff Bridges)
kennen und Tully fordert den Youngster heraus mit ihm einige
Sparringsübungen zu machen. Bei dieser Gelegenheit erkennt er das Talent
von Ernie, dem er dann empfiehlt dem Boxclub von Ruben beizutreten.
Ernie macht dies auch und Ruben ist von dem jungen Talent begeistert,
dass er ihn zu seinem neuen "Champion" aufbauen möchte. Doch so leicht
ist es nicht ein erfolgreicher Boxer zu werden. Bald ist der Traum vom
schnellen, großen Geld auch wieder ausgeträumt. Erschwerend kommt hinzu,
dass Ernie eine Beziehung mit Faye (Candy Clark) beginnt, die eher ein
bürgerliches Leben möchte. Auch Billy Tully will wieder boxen, er hatte
eine kurze Affäre mit der Trinkerin Oma (Susan Tyrell), deren Freund
derzeit im Gefängnis ist. Doch die beiden gescheiterten Existenzen gehen
sich gemeinsam noch mehr auf die Nerven. Die Hoffnung, dass sich beide
Menschen einander helfen könnten, entpuppt sich sehr schnell als
Illusion. Also steigt er wieder in den Ring, doch er verspielt die
geringe Chance, die der Sieg ihm geboten hat und fängt das Trinken
wieder an...
In der letzten Szene des Films treffen sich Billy und Ernie
zufällig und trinken gemeinsam einen Kaffee. Bei dieser Begegnung
herrscht am Ende Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Für die
Darstellung der trinkenden Oma Lee Greer wurde Susan Tyrell im Jahr 1973
mit einer Oscarnominierung als beste Nebendarstellerin belohnt. Sie
konnte sich aber gegen Eileen Heckard nicht durchsetzen, die den Preis
für ihre Rolle in "Schmetterlinge sind frei" gewann. Wie Susan Tyrell
spielen auch ihre beiden männlichen Kollegen auf extrem hohen Niveau.
Doch weder Stacey Keach noch Jeff Bridges wurden bei der Oscarwahl
berücksichtigt. Bridges wurde im Jahr vorher immerhin nominiert, musste
aber viele viele Jahre auf seinen Oscar warten. Erst 2010 wurde er nach
mehreren erfolglosen Nominierungen für "Crazy Heart" von Scott Cooper
ausgezeichnet. Kameramann Conrad L. Hall ist ebenfalls ein Oscargewinner
und seine Qualität stellt er auch in "Fat City" eindrücklich unter
Beweis. Der Kameramann gewann bereits dreimal (Zwei Banditen, American
Beauty, Road to Perdition). Die Bildsprache des Stadtportraits ist
grandios.
Bewertung: 9 von 10 Punkten.