Freitag, 27. Februar 2015

Unter Beobachtung





















Regie: John Crowley

Nach dem Terror...

Er braucht zwar ein bissel Zeit um so richtig in die Gänge zu kommen, aber dann entwickelt sich John Crowleys (Boy A, Intermission) beklemmender Politthriller "Unter Beobachtung" (Original: Close Circuit) zu einem spannenden und dichten Thriller. Dabei konnte der irische Regisseur einige sehr gute Schauspieler wie Jim Broadbent, Ciaran Hinds, Anne Marie Duff und Riz Ahmed für tragende und markante Nebenrollen verpflichten. Und in den besten Momenten des Films kann Crowley beinahe an die Substanz der klassischen 70er Jahre Politthriller heranreichen. Um was geht es: Es ist ein ganz normaler Morgen, mitten in einem Londoner Wochenmarkt. Leute erledigen ihre Einkäufe, Händler richten ihre Stände ein, Lieferwagen fahren rein und raus. Dann passiert es. Eine Bombe explodiert.
Bei dieser Explosion einer Autobombe auf einem Londoner Wochenmarkt werden 120 Menschen ermordet. Das Land steht im Schock, es folgt die Aufarbeitung dieses nationalen Traumas. Wie so üblich braucht es auch den schnellen Erfolg und so wird sehr schnell der Schuldige gefunden. Farroukh Erdogan (Denis Moschitto), der mit Frau und Sohn (Hasancan Cifc) seit längerem in London lebt, hat eine sonderbare Vergangenheit in Deutschland und wird überführt diesen terroristischen Akt auf das britische Volk verübt zu haben. Sechs Monate später laufen die Vorbereitungen für den Prozess auf Hochtouren. Aufgrund der Staatssicherheit hat sich das englische Gericht entschieden neben dem öffentlichen Prozess auch eine zweite streng geheime zweite Verhandlung stattfinden zu lassen. Als Verteidigerin in diesem hochsensiblen Verfahren ist die junge Anwältin Claudia Simmons-Howe (Rebecca Hall) involviert. Ihr Kollege, der für den öffentlich vorgesehen Prozess vorgesehen war, begeht aber Selbstmord. Als Ersatz wird der erfolgreiche und arrogante Martin Rose (Eric Bana) berufen. Claudia will daraufhin ihren Rückzug vom Prozess antreten, da sie mit Martin eine gemeinsame Vergangenheit verbindet, die nicht bekannt ist. Beide hatten eine Affäre. Doch der Generalstaatsanwalt (Jim Broadbent) leistet Überzeugungsarbeit, dass sie am Ball bleibt, schließlich hat sie sich schon sehr lange mit dem Fall beschäftigt. Sehr bald kommen die beiden aber einer unglaublichen Verschwörung auf die Spur. Dabei soll der britische Geheimdienst MI 5 aus gutem Grund viele Fakten verschweigen und verschleiern. Von einer Journalistin (Julia Stiles) bekommt Martin Rose auch die Frage gestellt, ob er tatsächlich glaubt, dass ein Vorgänger Selbstmord verübt hat. Zu diesem Zeitpunkt steht Marc und auch Claudia schon unter Beobachtung und natürlich sind sie in großer Gefahr, je tiefer sie sich in den Fall verstricken...


 Neben einem gut konstruierten Drehbuch ist es vor allem die Atmosphäre einer unbekannten, nicht fassbaren Bedrohung, die auf die ermittelnden Protagonisten einprasselt. Dabei sind es die bereits erwähnten Nebenfiguren, die alle möglicherweise etwas zu verbergen haben und somit ensteht in der Geschichte ein Szenario des Mißtrauens. Das macht den ganz großen Reiz des britischen Thrillers aus. Im Zentrum der Geschichte steht immer die großangelegte Intrige, bei denen die zwei Anwälten bald an einem Punkt stehen, wo sie merken, dass der Gegner viel größer ist als sie selbst. Eine Gefühl der Ohnmacht kann vermittelt werden. Wer jetzt einen lupenreinen Actioner erwartet, der wird von der stillen Machart des Films wahrscheinlich enttäuscht sein. Leider ist das Ende etwas zu harmlos, angesichts der ganzen Dramatik vorher, aber insgesamt ist Crowleys Film gut gelungen.


Bewertung: 7 von 10 Punkten.

Nymphomaniac

























Regie: Lars von Trier

Joe und die Männer...

Lars von Triers neuer Skandalfilm "Nymphonaniac" ist aufgrund seiner Laufzeit von insgesamt ca. 310 Minuten ein echter Monumentalfilm. Das Werk gliedert sich in zwei Teile. Part 1 ist mit ca. 130 Minuten Laufzeit etwas kürzer als Part 2 (180 Minuten) und auch wesentlich entspannter. Worum geht es ? Die Hauptfigur Joe (Charlotte Gainsbourg) wird von dem älteren Einzelgänger Seligman (Stellan Skarsgard) übel zusammengeprügelt in einer dunklen Gasse, nahe seiner Wohnung, gefunden. Er nimmt die unbekannte Frau mit sich nach Hause und damit beginnt von Triers melodramatische Orgasmus-Odyssee, denn die Fremde erzählt ihrem Helfer ihre Lebensgeschichte. Es ist die Geschichte einer Sexsüchtigen Nymphomanin, die sich deshalb für einen schlechten Menschen hält. Ihr aufmerksamer Zuhörer ist aber empathisch genug sie zu verstehen und ihr auch in ihren Schlußfolgerungen immer wieder zu widersprechen. Es ist eine Begegnung eines asexuellen Mannes, der Angst vor Nähe und Berührung hat, mit einem krassen Gegenpol: Die hypersexualität der Erzählerin. Und sie wird auch einen großen Einfluß auf ihren Zuhörer nehmen, nachdem sie ihre Geschichte erzählt hat. Diese Lebensbeichte hat Lars von Trier in 8 Kapitel eingeteilt, die ersten 5 werden in Teil 1 behandelt, Teil 6 bis 8 in der Fortsetzung. Im Alter von 15 Jahren verliebt sich die junge Jo (Stacy Martin) in den etwas älteren Jerome (Shia LaBeouf), der sie dann auch entjungfert. Dieses erste Mal ist kurz und ist für Jo erstmal enttäuschend, weil da ganz wenig Gefühl und Liebe dabei war. Sie will nie wieder mit einem Mann schlafen, doch der Vorsatz hält nicht lange. Gemeinsam mit ihrer besten Freundin B (Sophie Kennedy Clark) geht sie eine Wette ein, wer beim Zugfahren die meisten Männer (u.a. James Northcote, Charlie Hawkins, Clayton Newrow) zum Sex entführen kann. Jo gewinnt nach anfänglichen Startschwierigkeiten und hat einen immer größeren sexuellen Appetit. Als sie als Sekretärin bei einer Firma anfängt, begegnet sie Jerome wieder. Der will auch gleich was im Fahrstuhl, aber sie lehnt ab, weil er nicht ihr Typ sei. Was sie aber nicht daran hindert, sich in ihn zu verlieben. In der Freizeit wechselt sie die Männer aber wie ihre Unterwäsche und spielt mit ihnen teilweise ein böses Spiel. Einen verheirateten Mann (Hugo Speer) bringt sie dazu, dass er sich von seiner Frau (Uma Thurman, in einer denkwürdigen Rolle - sie taucht bei Jo mit ihren drei kleinen Jungs auf) trennt.
Als ihr Vater (Christian Slater), den sie sehr liebt, an Krebs erkrankt und im Krankenhaus im Sterben liegt, versucht sie ihre Trauer damit zu besiegen, indem sie mit dem Krankenpfleger im Nebenzimmer schnellen Sex hat. Jerome, der zwischenzeitlich mit einer anderen Sekretärin durchgebrannt ist, wird ein drittes Mal in ihr Leben eintreten. Die beiden heiraten, doch aus heiterem Himmel, als sie gerade tollen Sex mit ihrem geliebten Ehemann hat, entdeckt sie zum Entsetzen, dass sie nichts mehr empfinden kann. So endet der erste unbefangene Teil und mündet in den düsteren und destruktiven 2. Teil, bei dem das Interesse an Sex nachgelassen hat. Aber die Sucht nach Männern besteht weiter, da sie irgendwie ihre alten Feelings wieder finden will. Dies - gehe wohl nur - mit drastischen Mitteln wie Ehebruch oder der Hinwendung und Suche nach gefährlichen Männern. Sie macht wilden Sex mit zwei dunkelhäutigen Männern, die sie auf der straße aufgelesen hat oder sucht einen versierten Sadisten (Jamie Bell)I auf, der sein Studio wie im Stil einer Arztpraxis betreibt. Es folgt die Phase der Peitschenhieben und dem Wunsch durch Schmerz wieder etwas zu empfinden. Es folgt der Gang zur Therapiegruppe, eine für den Zuschauer schwer verdauliche Abtreibung, die sie selbst vornimmt und der berufliche Einstieg als sadistische Geldeintreiberin für das Inkasso Unternehmen von L (Willem Dafoe). Irgendwann soll sie ein junge Frau P (Mia Goth) als Nachfolgerin rekrutieren, die beiden Frauen kommen sich auch sexuell nahe. In einem Pädophilen (Jean MarcBarr), der aber seine Neigung nie auslebte, sieht Joe einen Seelenverwandten. Am Ende trifft sie wieder auf Jerome, der sie dann gemeinsam mit ihrer jungen Freundin zusammenschlägt. Während Jo im Dreck liegt, treibt es P mit Jerome auf einem Mülleimer, der an der Ecke steht...



.mit der Schlußszene verabschiedet sich das enfant Terrible des europäischen Films recht verstörend und makaber aus seinem Film-Monstrum, der trotz der extremen Länge, nie langweilig wird. In der Rahmenhandlung kommentiert der Zuhörer Seligmans Joes Offenbarungen immer wieder auf eigenartige, sehr versöhnliche und plausible Weise. Da vergleicht er dann auch ihre Verführungstechniken mit denen des Fliegenfisches oder es kommt auf die klassische Musik, auf Bach und auf die Fibonacci-Folge zu sprechen, auf die Polyphonie des Werkes - also drei ganz unterschiedliche Elemente der Komposition, die schließlich zur größten Perfektion und somit auch zum höchsten Glück führen. Und was für die Musik gilt, dass kann man auch auf den besten Geschlechtsverkehr ever umdeuten.  Der Regisseur selbst hat ja sein skandalträchtiges Epos als Geschichte von Geilheit und Glücksstreben angekündigt. Interessanterweise kam dann auch Teil 1, der spielerisch über die Möglichkeiten der sexuellen Emanzipation berichtet mit einer jungen, fast noch naiven Joe um einiges besser an als als der ernüchternde und destruktive bis depressive 2. Teil mit einer auf ganzer Linie getriebenen Antiheldin, die durch Promiskuität bis hin zum Sadomasochismus auf der Suche nach einer neuen Inspiration ihrer nicht mehr vorhandenen Lust ist. von Triers Film ist auf alle Fälle sehr vielschichtig und interessant gestaltet. Charlotte Gainsbourg war die perfekte Wahl für diese kranke Protagonistin, sie entführt den Zuschauer in eine triste Seelenwelt, aus der es wohl kein Entkommen oder eine Erlösung gibt. Dieser hat sich wohl eher auf einen überlangen Film mit viel Sex und vielen Tabubrüchen einerseits gefreut, andererseits erwartet, um sich darüber zu echauffieren. Im Grunde muss man aber in der heutigen, weitestgehend weichgespülten und durchweg poliitsch korrekten Filmwelt freuen, dass es noch so cinematografische Quertreiber wie Lars von Trier gibt. Selbst wenn seine Filme mitunter "runterziehend" sind. Die eine oder andere Provokation müsste er nicht immer noch draufsetzen (bsp. die Abtreibungsszene, die auf mich tatsächlich schockierend war) , aber insgesamt regt der Film doch zum Nachdenken an. Stellenweise - in solchen Szenen, wenn Joe ihren Schicksalsbaum auf einer Anhöhe findet - ist man gefragt sich über den Sinn zu studieren. "Nymphomaniac" hat trotz der vielen Sexszenen, der vielen agierenden Genitalien immer wieder eine intellektuelle, reflektierende Ebene. Es schwingt immer eine gewisse Unbequemlichkeit mit auf dem lebensweg dieser Joe, denn die heitere Schlüpfrigkeit wird durch diese bis zum Schluß anhaltende verzweifelte Getriebenheit ersetzt. Aus der Groteske entsteht das Drama. Man könnte sogar meinen, dass von Trier die eigentliche Struktur des Films immer wieder mit Provokationen "auflockert" - in einer längeren Sequenz, bei der es um "Ostkirche" und "Westkirche" geht, darf man schon mal mutmaßen mit welcher Freude der Däne hier eine klassisch bhlasphemische Richtung anbietet - die Kritiker werden den Stäbchen der Empörung allzu gerne wie der Pawlowsche Hund nachrennen.   Von Trier selbst sieht ja den Film als Abschluß seiner Depressionstrilogie (Name passt perfekt), daher komplettiert dieser Monumentalfilm der besonderen Art das Trio, zu dem auch "Antichrist" und "Melancholia" gehören. In Joe spiegelt sich jedenfalls auch eindrücklich das Leid einer abgestumpften Gesellschaft. Der größte Coup ist aber von Trier deshalb gelungen, weil sein Film beim ersten Sehen interpretatorisch gar nicht zu fassen ist - klar scheint nur, dass der Film trotz expliziten und drastischer Szenen viel mehr von den Assoziationen lebt, die er zum Auslösen in der Lage ist.  Der Cineast wird wohl erst in einer Retrospektive besser klären können, ob da Kunst, Pornographie, Schrott oder Meisterwerk ist.  Für mich ist "Nymphomaniac" nichts von alledem. Aber immerhin ein interessanter Film, der mit etwas Wehmut an die großen Skandalfilme der 70er Jahre erinnert und ein weiterer komplexer Arthausfilm des Regisseurs, von dem ich weiterhin mit großem Abstand seinen 1991 entstandenen "Europa" favorisiere - diese Noirsche Eisenbahnfahrt durch ein dunkles Nachkriegsdeutschland. Dies ist von Triers Meisterwerk für mich und der einzige, der mich von seinen vielen guten Filmen richtig begeisterte.



Bewertung: 7 von 10 Punkten.

Mittwoch, 25. Februar 2015

Nordsee ist Mordsee


























Regie: Hark Bohm

Mit einem Segelboot abhauen...

Hark Bohms Jugendfilm "Nordsee ist Mordsee" aus dem Jahr 1976 ist für mich nach wie vor einer der besten deutschen Filme aller Zeiten.  Der Film lief damals recht erfolgreich im Kino, aber die FSK sorgte gleichzeitig für einen Skandal, weil sie dem Film die Freigabe ab 12 Jahren versagte. Viele Kritiker sahen zu Recht, dass man hier einen bedenklichen Jugendschutz pflege, wenn man die Augen vor der Wirklichkeit verschließt und der eigentlichen Zielgruppe nicht zeigen möchte, dass es Wege gibt sich gegen Bestehendes zu wehren, wie es die beiden Protagonisten im Film tun.  Inzwischen ist der Film natürlich ab 12 Jahren freigegeben. Der Hamburger Filmemacher Hark Bohm drehte in den 70er Jahren einige Jugendfilme, meistens spielten seine Adoptiv- und Pflegekinder eine Hauptrolle. So auch hier in "Nordsee ist Mordsee" der damals 14jährige Uwe Enkelmann, der später von der Familie Bohm adoptiert wurde und  Dschinghis Bowakow (heute Psychologe), der 17 Jahre jüngere Bruder seiner Frau. Wie im Film selbst hatten die beiden Jungs am Anfang große Probleme miteinander. Die richtigen Eltern von Uwe Enkelmann waren beide psychisch krank und der Junge steckte damals voller Vorurteile. Bald entwickelte sich aber eine Freundschaft untereinander...genauso wie im Film selbst, der viellleicht deshalb so gut ist, weil er durchgehend glaubwürdig bleibt. Bohms Filme sind leider im Laufe der Zeit etwas in Vergessenheit geraten, sei es "Tschetan, der Indianerjunge", "Moritz, lieber Moritz" und der etwas später entstandene "Yasemin", der 1989 sogar das Filmband in Gold erringen konnte.  Am Anfang des Films sieht man Bilder von Hamburg aus der Vogelperspektive, der Zuschauer bekommt einen ersten atmosphärisch dichten Eindruck, der mit Udo Lindenbergs großartigen Liedern noch stärker unterstrichen wird. Dort im sozialen Umfeld auf der Elbinsel Hamburg-Wilhelmsburg wächst der 14jährige Möchtegern-Rocker Uwe Schiedrowsky (Uwe Enkelmann) auf. Der Vater (Marquard Bohm) arbeitet im Hafen, in der Freizeit trinkt er viel zu viel und lässt seinen Frust mit Schlägen an der Frau (Herma Koehn) oder an seinem Jungen aus. Wilhelmsburg ist schon damals ein Ort, an dem man lieber nicht nachs durch die Straßen läuft. Es herrscht eine große Arbeitslosigkeit und viele Menschen leben dort ohne jegliche Perspektive. Uwe schwänzt die Schule und knackt mit seiner Bande, alles Jungs und Mädels im Alter von 12 bis 14, in der Freizeit Automaten aus. Oder aber man drangsaliert den "Kanaken" Dschingis (Dschingis Bowakow), der bei seiner sehr fürsorglichen Mutter lebt. Der Junge ist ein Einzelgänger, weil keiner mit einem Ausländer was zu tun haben will, baut sich aber ein Floß und lässt dies zu Wasser. Uwe beobachtet ihn dabei und kommt später wieder mit seiner Clique. Die Kids zerstören es. Als Dschingis dies bemerkt, kommt es zum Kampf zwischen den beiden Jungs, bei dem Uwe ein Messer ins Spiel bringt, aber von dem stärkeren Dschingis besiegt wird. Dies ist auch der Beginn einer Freundschaft zweier ungleicher Aussenseiter, die sich eigentlich sehr ähnlich sind. Weil beide den Versuch wagen einen Ausbruch in die Freiheit zu starten. Weg von der öden Trostlosigkeit der Plattenbausiedlung und weg von Zuhause, wo einem das Leben wie ein Gefängnis vorkommt....


"Ich träume oft davon ein Segelboot zu klau´n und einfach abzuhau´n" heißt es im Filmsong von Udo Lindenberg, der mit seinen trotzigen wie verletzlichen Lyrics genau den sensiblen Ton des Films einfängt. Was als Sozialdrama beginnt, mündet in ein Abenteuer von Freiheit. "Nordsee ist Mordsee" erzählt die Geschichte von einer Flucht aus der Realität. In dem Moment als beide sich völlig abgelehnt fühlen, beschließen sie mit dem von ihnen gebauten Schiff "Xanadu" die Elbe hinunter zu fahren. Doch schon nach wenigen Metern, im Hamburger Hafen, zwischen den vielen riesigen Schiffen, bemerken die Youngster, dass sie mit ihrem Kahn nicht weit kommen werden. Sie klauen das kleine Segelboot "Polyp" und machen sich auf dem Weg zur Nordsee. Bohms Film ist qualitativ brilliant gemacht, die einfache aber effektive Freundschaftsgeschichte ist feinfühlig gemacht und trifft hoffentlich auch heute noch das Lebensgefühl der Heranwachsenden Generation.


Bewertung: 9,5 von 10 Punkten.

Sag nicht wer du bist

















Regie: Xavier Dolan

Gefährliche Lust an Unterwerfung...

Xavier Dolan ist ein sehr interessanter Filmemacher. Der 1989 in Montreal geborene Frankokanadier spielt in den meisten seiner Filme auch die Hauptrolle, er schreibt die Drehbücher für seine Filme und beteiligt sich auch an der Produktion.
Der junge Filmemacher lebt offen homosexuell und schon sein erster Film "I killed my mother" beschreibt die Beziehung eines jungen Homosexuellen mit seiner Mutter.  "Herzensbrecher" war eine Art Gay Neuauflage von Truffauts "Jules und Jim", die franzöische Regielegende kann sicherlich auch als eine von Dolans Inspirationsquellen angesehen werden. Mit dem 2013 entstandenen "Sag nicht, wer du bist" (im Original: Tom a la ferme) widmet er sich erstmalig einem bisher unergründeten Genre, dem Psychothriller. Für das subtile Kammerspiel mit Thrillerelementen adaptierte er das Theaterstück von Michel Marc Bouchard. Der Regisseur ist als blonder Tom zu sehen, der zur Beerdigung seines Lovers Guillaume in die kanadische Einöde reist. Dort in der Provinz ist der Mittzwanziger- Hipster aus der Werbebranche Montreals ein Fremdkörper und muss sehr schnell erkennen, dass der Freund seine Homosexualität der Familie verborgen hat. Auf der Farm lebt Guillaumes etwas weltfremde Mutter Agathe (Lise Roy) mit ihrem älteren Sohn Francis (Pierre Ives Cardinal), der als Einziger das Geheimnis von Guillaume kannte. Er nötigt aber Tom sofort dazu, dass er nur den Kumpel vorzuspielen hat. Die Lüge von der Freundin Sara (Evelyn Brochu) soll aufrechterhalten bleiben. Mehr noch: Francis ändert seine Meinung, dass Tom sofort nach der Beerdigung verschwinden soll. Statdessen scheint er eine helle Freude darin zu haben seine Homophobie auch sadistisch auszuleben. Er schlägt und erniedrigt Tom mehrmals. Doch gleichzeitig macht er Tom auch vage Avancen. Dieser zeigt zunehmend eine gewisse Lust an der Unterwerfung, so lässt er sich paralysiert immer mehr auf die aggressiven und brutalen Spielchen ein..


damit gibt es eine gewisse Ähnlichkeit zu einem weiteren, sehr interessanten Gay-Erotikthriller "Der Fremde am See" von Alain Guiraudie, der einen schwulen Mann zeigt, der am Baggersee einen Mord beobachtet und dennoch in der Folge eine Art unterwürfiges Verhältnis zu dem Mörder wünscht. Dolan inszeniert die Geschichte als schizophrenen Psychothriller in Hitchcock-Tradition, sogar der Soundtrack erinnert etwas an "Psycho". Bereits in die ersten Szenen als Tom mit dem Auto in die ländliche Gegend fährt, die Kamera die Totale einfängt und man langsam die etwas abseits gelegene Farm erkennen kann, kommt ein ungutes Gefühl auf. In jeder Szene gelingt es Dolan durch seine unglaubliche Bildsprache die Unsicherheit einzufangen. Tom ist hin- und hergerissen und nach einer Tanzszene in der Scheune versucht er selbst die Dynamik zu verschärfen. Dabei ist die Figur des Francis besonders gut gelungen, er ist sicherlich einer der interessantesten Bösewichte im Thrillergenre der letzten Jahre. Ein brutaler Psychopath, der intelligent genug ist und seine Handlungen rechtfertigen kann. Der arme Tom ist nicht nur ein Opfer seiner sexuellen Lust, er wartet darauf von seinem Peiniger missbraucht zu werden - er sucht auch sich selbst und dieser Prozess einer Identitätsbildung ist äusserst gefährlich. Natürlich sind die Versatzstücke aus dem Hichcock Fundus eindeutig gegeben, aber Xavier Dolan hat schon was sehr Eigenes daraus geschaffen. Die Atmosphäre ist perfekt, vieles spielt sich vor den ockerfarbenen vertrockneten Maisfeldern vor dem Haus ab.
Das kanadische Wunderkind kann auch mit "Sag nicht, wer du bist" begeistern und mit freudiger Erwartung ist bereits ein Remake von Hitchcocks "Cocktail für eine Leiche" angekündigt.


Bewertung: 9 von 10 Punkten.

Mord an einem chinesischer Buchmacher

























Regie: John Cassavetes

Cosmo, der Spieler...

Lange vor den Dogma Filmen pflegte bereits der amerikanische Independentfilmer John Cassavetes für ungewohnte Stilmittel. Er nutzte die bewegte Handkameraführung, setzte bewusst gelegenliche Unschärfen und ging mit dem Kunstlicht auch sehr zurückhaltend um. Um eine möglichst große Authentizität seiner Geschichten zu erreichen, bevorzugte er Originalschauplätze anstatt der üblichen Studiosets. Hinzu kam, dass er mit niedrigem Produktionsbudget arbeiten musste, so sind in seinen Filmen auch oft abbrechende Filmszenen zu finden. Cassavettes setzte immer den Schauspieler in den Mittelpunkt, die Technik konnte dabei vernachlässigt werden. Cassavetes, der auch als Schauspieler arbeitete (Rosemarys Baby, Teufelskreis Alpha, Das dreckige Dutzend, Ein Mann geht seinen Weg) gilt heute als der Wegbereiter des amerikanischen Independentfilm, ohne seine Vorarbeit ist das New Hollywood kaum denkbar.  Er konnte in seiner aktiven Laufbahn nur einen Hit an der Kasse landen, sein Gangsterfilm "Gloria, die Gansterbraut" wurde vor allem durch Ehefrau und Hauptdarstellerin Gena Rowlands zum Hit und ist lange schon ein Klassiker.  Cassavetes konnte der Machart der Filme aus den großen Hollywood-Studios wenig abgewinnen und auch in seinem 1975 entstandenen Gangsterfilm "Die Ermordung eines chinesischen Buchmachers" (The Killing of a chinese Bookie) verweigert sich der Filmemacher allen gängigen Mustern und Effekten. In der Verkleidung einer Gangsterstory skizziert Cassavetes die Einsamkeit in den Großstädten, der Einzelne geht verloren auf den vielen Highways und Häuserschluchten. Darüberhinaus zeigt er seinen Protagonisten Cosmo Vitelli (Ben Gazzara) als Künstler. Seit 7 Jahren betreibt dieser Mann das Striplokal "Crazy Horse West" in Los Angeles. Dabei ist er nicht nur der Boss des Ladens, sondern sein eigener Autor, Regisseur und Choreograph. Er sucht die passende Musik für seine Shows im Burlesque Stil aus, natürlich auch die Mädchen. Als Conferencier auf der Bühne tritt sein "Doppelgänger" Mr. Sophisticated (Meade Roberts) auf. Mit der dunkelhäutigen Tänzerin Rachel (Aziz Johari) ist er liiert und geht im Haus ihrer Mutter (Virigina Carrington) ein und aus. Nach diesen 7 mühevollen Jahren hat er es endlich geschafft: Die letzte Rate für seinen Club hat er gerade bezahlt. Nun ist er endlich auch Eigentümer. Am gleichen Tag folgt er einer Einladung zu einem Pokerspiel, auf das ihn ein Besucher (Seymour Cassel) aufmerksam macht, der ebenfalls im Nachtclubmilieu tätig ist. Leider hat Cosmo gar kein Glück im Spiel. Dabei hat der Ausflug zum Konkurrenzunternehmen mit seinen Lieblingsladys Margo, Sherry und Rachel so gut angefangen. Champagner im Auto, doch am Ende der Nacht hat er 23.000 Dollar verspielt und sehr ungeduldige Schuldner auf dem Hals. Diese besuchen ihn am Folgetag und machen klar, dass sie sehr schnell ihre Forderungen wieder haben möchten. Sie untermauern ihr Ansinnen mit einem brutalen Schläger (Timothy Carey), machen aber gleichzeitig ein Angebot, dass Cosmo gar nicht mehr ablehnen kann. Die Schulden sind erlassen, wenn er einen unbedeutenden chinesischen Buchmacher erledigt. In seiner Verzweiflung akzeptiert Cosmo. Es wurde zwar alles von seinen Auftraggebern vorbereitet, doch schon das gestohlene Auto, dass ihn zum Haus des Chinesen bringen soll, versagt auf den Highway. Mit einer Taxi muss Cosmo den Auftrag weiter verfolgen. Doch die unvorhergesehenen Dynamiken dieses Auftrags häufen sich...


dazwischen hält Cassavetes immer wieder die Kamera auf die Figuren der Geschichte, man sieht wie Cosmo sich auch als "Künstler" sieht. Dabei ist das Spektakel auf der Bühne seines Clubs, für das er verantwortlich ist, nun alles andere als erstklassig. Auch wenn ihm die Besucher immer wieder bescheinigen, was für einen tollen Laden er doch hat. Man spürt Cosmos leidenschaftliches Engagement für sein Club, seine Welt...denn auf dem Weg zu seinem Opfer nimmt er sich noch einmal Zeit im Club anzurufen um sich zu erkundigen, ob die Show auch läuft. Diese Momente zeigen die Tragik der Geschichte, denn Cosmos Show ist bald zu Ende. In dem Moment als er das viele Geld verspielt hat, wird klar, dass er sich auf einer Verliererstraße ohne Rückkehr befindet. Er ist bereits ein toter Mann - der Mord wird von Cassavetes als ein verzweifelter Versuch inszeniert, noch einmal gegen alle Vernunft sich dagegen aufzubäumen. Die Grundstimmung des Films ist überaus pessimistisch: Einer kann nicht bezahlen, muss einen Mord begehen. Aus dem angerichteten Blutbad wird er selbst zum Gejagten und darüberhinaus noch verletzt. Nicht nur die Action auf der Bühne des "Crazy Horse West" ist geprägt von Illusion und Selbsttäuschung. Mittendrin dieser zutiefst einsame Cosmo, unruhig und seltsam nervös. Am Ende steht er vor seinem Lokal, eine Art Schatten im Halbdunkel. An seinem Anzug klebt Blut, die Kugel steckt im Körper. Doch tapfer steht er am Ende aufrecht. Selten hat das Kino eindringlicher von der Verlorenheit eines Großtstädters erzählt. "Die Ermordung eines chinesischen Buchmachers" ist ein Meisterwerk des 70er Jahre Kinos, leider ist der brilliante Film mit einer glänzenden Darbietung von Ben Gazzara etwas in Vergessenheit geraten.


Bewertung: 9,5 von 10 Punkten.

The Equalizer

























Regie: Antoine Fuqua

Der Mann für den Ausgleich...

Antoine Fuqua hat mit seinem neuen Film "The Equalizer" ein stylisches Update der gleichnamigen US-Fernsehserie geschaffen, die von 1985 bis 1989 produziert wurde und auch bei uns Ende der 80er Jahre auf RTL gesendet wurde. Dabei geht es um Robert McCall, einen ehemaligen CIA-Agenten, der sich gezielt an verzweifelte Menschen in Notsituationen wendet, um ihnen Hilfe und Schutz anzubieten und Gerechtigkeit wiederherzustellen. Dabei ist die Figur kein Superheld, sondern eher ein introvertierter Typ, der vor allem viel liest. Nach dem für mich eher enttäuschenden "Olympus Has Fallen" hat der amerikanische Action-Regisseur wieder einen guten Film gemacht, der sich hinter seinen besten Werken "Training Day" und "Brooklyns Finest" nicht zu verstecken braucht. Weitere Filme von ihm sind "Tränen der Sonne" und "Shooter" sowie der einmalige Ausflug in historische Gefilde mit "King Arthur" und einem denkwürdigen Till Schweiger als Sachsenprinz und Filmsohn von Stellan Skarsgaard.
Natürlich ist die Handlung in "The Equalizer" Nebensache, denn der Film muss von einem charismatischen Darsteller wie Denzel Washington getragen werden, ebenso galt das Hauptmerk den exzellent choreographierten Actionszenen, einer effektiven Kameraarbeit (mauro Fiore, bekannt durch "Avatar") und einem hypnotischen Score (Harry Gregson-Williams), der eine eigenartige und beklemmende Stimmung vermittelt.
Dieser Robert McCall (Denzel Washington) arbeitet ganz unaufällig in einem Baumarkt in Boston, doch seine Arbeitskollegen orakeln über die Vergangenheit des stillen Mannes, der meistens in seiner Freizeit ein Buch in der Hand hat. Momentan liest er "Der alte Mann und das Meer" von Hemingway, er wird aber im Laufe der Handlung ein weiteres Buch anfangen, dass zu den "100 Büchern, die man lesen sollte, bevor man stirbt" gehört. "El Ingenioso hidalgo Don Quixote de la Mancha" von Miguel de Cervantes, das von einem Adligen handelt, der sich selbst zum Ritter ernennt. Den Kollegen gesteht er dann noch, dass er in seinem früheren Leben einer der "Pips" war...also einer von den Tänzern von Gladys Knight. Keiner kennt seine wahre Identität. Er hilft dem übergewichtigen Arbeitskollegen beim Bestehen einer wichtigen Prüfung und plaudert hin und wieder im Diner mit der jungen Alina (Chloe Grace Moretz), die von ihren Zuhälter Slavi (David Meunier) zum Anschaffen gezwungen wird. Als ein Freier sie schlägt, wehrt sich die junge Frau und wird daraufhin von Slavis Männern arg verprügelt. Mit schweren Verletzungen kommt sie auf die Intensivstation im Krankenhaus, ihre Freundin Mandy (Haley Bennett) ist schockiert, Mc Call ebenfalls. Er entschließt sich, dem Mädchen zu helfen und sucht Slavi auf. Er bietet dem Gangster 9.800 Dollar an, um die junge Frau freizukaufen. Doch er erntet nur Hohn und Spott. In diesem Moment kommen die enormen, präzisen Nahkampffähigkeiten von McCall zum Tragen, innert von wenigen Minuten sind alle Männer von Slavi tot und der russische Gangsterboss fragt sterbend "Wer bist du ?". Doch damit fängt der Film erst richtig an, den in der Folge wird Jagd auf McCall gemacht. Sein Gegenspieler ist der vom Obergangster Pushkin (Vladimir Kulich) beauftragte Mann für spezielle Fälle. Dieser Teddy (Marton Csokas) erweist sich als ebenbürtiger Gegner und ziemlich guter Filmbösewicht...


 "Rache ist ein Gericht, dass am besten kalt serviert wird" und genau dies tut Regisseur Antoine Fuque mit einem gut aufgelegten Hauptdarsteller, der mit 60 Jahren noch einmal als glaubwürdiger Actionheld alle Register ziehen kann. Im Film wird er auch mal von seinen jungen Arbeitskollegen "Opa" genannt. Wobei für einen alten Mann hat er noch ziemlich viel auf der Pfanne und dies wird von Fuqua genüsslich inszeniert. Zwei, drei Szenen in dem 132 Minuten langen Racheepos sind vielleicht zu dick aufgetragen, aber ansonsten kann der Film begeistern, weil er hält, was er verspricht. Man fiebert mit, auch wenn vieles vorhersehbar ist. Der Film ist zwar stellenweise recht gewalttätig, aber bleibt immer irgendwie aufregend.

Bewertung: 7 von 10 Punkten. 

All is lost




Regie: J.C. Chandor

Der alte Mann und das Meer...

Regisseur J. C. Chandors erster Spielfilm "Narrow Margin - der große Crash" bekam recht gute Kritiken. Der Film aus dem Jahr 2011 war ein glaubwürdiger Beitrag zur Finanzkrise des Jahres 2008. Eindringlich wurde dargestellt, dass die in Paketen gebündelten verbrieften Immobilienkredite von den Banken falsch bewertet wurde und dass schon bei geringen Abweichungen der prognostizierten Marktbewegungen die Insolvenz droht, da die Bank zu viele dieser Papiere in ihren Büchern hat. Nach einer nächtlichen Krisensitzung beschließt der Vorstand sofort alle "faulen" Papiere zu verkaufen. Egal welcher Preis, oberste Priorität hat die Rettung der Bank. In diesem Szenario agierten klasse Darsteller wie Kevin Spacey, Paul Bettany, Jeremy Irons, Demi Moore und Stanley Tucci. Für seinen neuen Film "All is lost" brauchte der Regisseur nur einen Darsteller und so musste es gelingen, dass Altstar Robert Redford (inzwischen 78 Jahre alt) den Film alleine tragen kann. Denn in der Laufzeit von 106 Minuten gibts eine Neuauflage von "Der alte Mann und das Meer".
Eine Stimme aus dem Off liest aus einer Art Abschiedsbrief vor, dazu zeigt die Kamera einen halbversunkenen, roten ISO-Container, der im Meer treibt. Dieser Container war auch Auslöser für die persönliche Katastrophe des namenlosen Einhandseglers (Robert Redford), der - 8 Tage vorher-  auf seinem Segelboot "Virginia Jean" von plötzlich einlaufendem Wasser aus dem Schlaf gerissen wird. Der Container hat das Segelboot gerammt und steckt noch im Rumpf. Damit beginnt eindrücklich der Kampf ums Überleben unser Mann steckt in Seenot. Er kann immerhin gewisse Reparaturen vornehmen und das entstandene Leck mit Harz und Gewebe notdürftig flicken. Auch das Wasser kann noch abgepumpt werden. Die elektrische Anlage ist aber ausgefallen und sein Laptob wegen der Nässe defekt. Wie auch die Funkgeräte. Er hat immerhin einen Funkkontakt, denn er hört jemanden chinesisch sprechen, doch sein Notruf bleibt ungehört. Am zweiten Tag zieht bereits ein Sturm auf, sowohl Boot als auch Mann werden hart getroffen. Insgesamt versucht der Mann alles um sein Leben zu retten, doch am Ende scheint vielleicht wirklich alles verloren..

 leider ist der Film nur zum Teil spannend. Ich finde die Story kann kaum 106 Minuten Laufzeit füllen - es sei denn man streckt alles ein bisschen und versucht das kämpferische Szenario etwas in die Länge zu ziehen. Da war der vielleicht vergleichbare "Open Water" um einiges spannender, aber da waren auch Haie im Geschehen. Chandors Film wird aber im 2. Teil etwas besser. Als der Mann mit seinem kleinen Rettungsboot im weiten Meer treibt und die Schiffahrtsroute passiert, wo es möglicherweise eher eine Rettung geben kann, da die Wahrscheinlichkeit einer Rettung um ein vielfaches höher ist als abseits der Routen, kommt er tatsächlich zwei riesigen Tankern sehr, sehr nahe. Doch trotz der wenigen Meter wird er in seinen kleinen Rettungsboot nicht gesehen. Die Kamera von Frank G.DeMarco und Peter Zuccarini wählen atmosphärische Bilder. Insgesamt dreimal filmt die Kamera von unten im Wasser auf das treibende Rettungsboot, einmal sieht man dabei wie viele Haie gerade das Boot umkreisen und am Ende schaut die Kamera durch die Augen des in die Tiefe fallenden Redford. Gibt es vielleicht doch eine Rettung. Die Schlußszene kann mit einer gewissen Phantasie auch in zwei Richtungen gedeutet werden.
Bewertung: 5,5 von 10 Punkten.

Dienstag, 17. Februar 2015

Eastern Boys



















Regie: Robin Campillo

Einsamkeit, Abhängigkeit, Liebe...

In einigen Tagen, am 20. Februar 2014, findet im Theatre du Chatelet in Paris die 40. Verleihung des französischen Filmpreises statt und nach dem Triumph dreier Filme mit schwuler Thematik im letzten Jahr (Maman und ich, Blau ist eine warme Farbe und Der Fremde am See) war es zwar nicht ganz so überraschend auch in diesem Jahr einen Film dieses Themenkreises bei den Nominierten zu finden, aber dennoch dürfte sich Robin Campillo, der Macher von "Eastern Boys" irre gefreut haben, dass sein Werk dreimal als Sieger vom Platz gehen könnte. Interessant auch insofern der Film bereits vor einiger Zeit im deutschen TV lief. "Eastern Boys" bekam Nominierungen als Bester Film, Campillo selbst ist unter den Nominierten für die beste Regie und Jungstar Kiril Jemeljanow kann sich Hoffnung machen Preisträger der Kategorie "Bester Nachwuchsdarsteller" zu werden. Im letzten Jahr, bei der Fernsehausstrahlung, schrieb 3sat, dass der Film von überzeugenden Darstellern, überraschenden Wendungen und einer stetig steigenden Spannungskurve getragen wird, dass das packende Drama um Abhängigkeit und Macht besonders intensiv macht. Und diese Einschätzung kann man nur noch einmal unterstreichen. Der Film ist weit mehr als ein Gay Liebesfilm über ein ungleiches Paar. Dieses muss sich nämlich im Immigranten Thriller gegen eine mächtige Gang behaupten, die an die Diebesbande um Fagin aus Charles Dickens "Oliver Twist" erinnert. Der Film hat unter anderem auch die Entfremdung der Menschen untereinander zum Thema.
Robin Campillos Film ist in vier Sekmente eingeteilt, der erste nennt sich "Ihre Majestät, die Straße" und spielt sich auf dem belebten Gare du Nord in Paris ab. Dort ist die Kamera auf das Treiben der Menschen gerichtet, dort lungern auch Banden von jungen Männern aus Osteuropa herum. Die Polizei hat ein waches Auge auf diese möglicherweise illegal im Land befindlichen Immigranten, die von Diebstahl und Prostitution lieben. Der Anführer einer Bande von Russen, Ukrainern und Moldawiern nennt sich "Boss" (Danil Worobjew). Einer dieser Jungs unter seiner Fittiche ist Marek (Kiril Jemeljanow), der von dem Anfang Fünfzigjährigen, gut situierten, homosexuellen Daniel (Olivier Rabourdin) angesprochen wird. Es kommt zur Verabredung am nächsten Abend. Doch aus dem erhofften guten Sex gegen Bezahlung wird vorerst nichts, da damit der 2. Teil  mit dem Titel "Diese Feier, auf der ich die Geisel bin" eingeleitet wird. Dies alles findet in Daniels Wohnung statt und immer mehr Eastern Boys klingeln dort an der Tür und rauben die Wohnung gemütlich, tanzend und mit dem alternden Daniel flirtend aus. Dumm gelaufen, aber die Geschichte geht weiter mit "Was wir zusammen machen", denn in den nächsten Tagen klingelt der Traumboy Marek noch einmal an der Tür. Diesmal ist er alleine. Damit wird eine ungleiche Beziehung zwischen Freier und Stricherjunge geboren, die sich aber gefühlsmässig intensiviert, im Rollenverhalten und in den Bedürfnissen verändert und am Ende im "Hotel Dungeons and Dragons" sich alles schicksalhaft erfüllen soll...


Dabei ist dem Regisseur ein hervorragendes Großstadtportrait über Anonymität und Einsamkeit geboren. Es gelingt Robin Campillo spielend eine Balance zu halten zwischen unmöglicher Lovestory und einem schwer überwindbaren Kulturschock auf beiden Seiten. Da ist einmal der reiche Großstädter, der mit seinem Leben als einsamer Wolf nicht besonders gut zurechtkommt dem Jungen, den er begehrt, eine seltsame Übereinkunft vorschlägt. Zuerst sind es immer 50 Euro für den schnellen Sex, dann will er mehr und favorisiert eine monatliche Pauschale von 400 Euro, was alles beihalten soll: Den Sex und die Zweisamkeit, die Nähe. Der Film zeigt in subtiler Weise diese Annäherung der beiden ungleichen Männer. In dem Moment als Marek seinen wahren Namen äussert und über sein Schicksal in Tscheschenien berichtet, geraten die Prioritäten dieser "Amour fou" mächtig durcheinander. Man könnte sagen, dass in Daniel irgendwann der Vater-Instinkt erwacht. Im Hotel wird dann die dritte wichtige Filmfigur vorgestellt, die junge Hotelmanagerin Chelsea (Edea Darque). Und eben in diesem Hotel wird alles ziemlich riskant, aber manchmal muss man für die Liebe kämpfen. Diese scheint so aussichtslos durch unüberbrückbare Grenzen und verschiedene Prioritäten, hat aber am Ende dann doch eine gewisse Chance. Dank Campillo der mit seiner Idee am Schluß dann doch einen Hoffnungsschimmer setzen kann, wie man zukünftig - trotz der eher destruktiven Abhängigkeit und der offensichtlichen Verschiedenheit - eine Vereinbarung treffen kann, die immerhin eine Chance bietet.
Alle drei Darsteller zeigen hervorragende Leistungen, an dieser Stelle sei auch noch neben den beiden Hauptdarstellern auch Danil Worobjew erwähnt, der den "Boss" spielt. Einerseits voller Klischees steckt, die man den im Westen gestrandeten und mittellosen, bösen Buben aus dem Osten immer so nachsagt. Andererseits zeigt auch er in einer beklemmenden Szene am Schluß das wahre Gesicht hinter seiner Schurken-Maske und dieses ist auch von starker Angst geprägt. Alles ist gut fotografiert, auch wenn die Drehorte gar nicht aufwendig gewählt werden mussten: Einfach am Bahnhof Kamera laufen lassen, dann in der eigenen Wohnung drehen, am Ende in den Hotelzimmern und im Korridor des Hotels. Fertig. Immer wieder wagt die Kamera den Blick aus dem Fenster von Daniels exklusiver, aber kalter Appartmentwohnung. Auch draußen scheint große Einsamkeit zu herrschen. Man hat dann das Gefühl, dass nichts in dieser Metropole wirklich Halt geben könnte...nur eben diese Nähe mit einem Menschen.


Bewertung: 9 von 10 Punkten.