Samstag, 25. Februar 2017

In the Mood for Love

























Regie: Wong Kar-Wei

Zwei Menschen in Hongkong....

Für die Filmkritiker ist "In the Mood for Love" aus dem Jahr 2000 wahrscheinlich Wong Kar Weis bester Film. In der 2012 durchgeführten Umfrage über die besten Filme aller Zeiten von "Sight and Sound" schaffte es der melancholische Liebesfilm auf Platz 24 der Besten Filme und ist somit der beste Filme des noch jungen 21. Jahrhunderts. Auch bei der Umfrage der BBC über die besten Filme seit 2000 wurde "In the Mood for Love" auf Platz 2 - hinter David Lynchs "Mullholland Drive" - gewählt. Man darf aber auch nicht unerwähnt lassen, dass der Regisseur aus Hongkong mit Filmen wie "Chungking Express", "Fallen Angels", "Ashes in Time" oder "Grandmaster" noch weitere gleichwertige Meisterwerke gedreht hat.
Der Film erzählt die Begegnung von zwei einsamen Menschen, die sich eigentlich finden könnten, aber...die potentiellen Liebenden kreisen zwar umeinander wie Satelliten, aber sie  werden niemals die gleiche Umlaufbahn miteinader teilen können. Die Geschichte beginnt im Jahr 1962 in einem engen Sozialbau in Hongkong. Dort hat Frau Suen (Rebecca Pan) eine Wohnung an die schöne und elegante Chan Li-zhen (Maggie Cheung) und deren Mann vermietet. Am gleichen Tag zieht dort auch Chow Mo-wan (Tony Leung Chiu Wai) mit seiner Frau in der Nachbarswohnung dort ein.  Die junge Frau und der junge gutaussehende Mann treffen sich meistens im beengten Treppenhaus und grüßen einander. Beide haben das gleiche Problem; Der Ehepartner ist nur selten zu Hause. Nicht lange und beide Stellen fest, dass ihre Ehepartner eine Affäre miteinander haben. Sie sprechen darüber und treffen sich ebenfalls öfters. Beide zögern aber mit dem möglichen Seitensprung, denn sie wollen mit ihren untreuen Partnern nicht gleichziehen. Sie treffen sich aber ständig und immer öfters zu dezenten Mahlzeiten oder schüchternen Gesprächen. Keine Frage: Die beiden empfinden tief füreinander, aber das Tabu hält. Wenn auch zuweilen sehr wacklig. Der Ehebruch bleibt in der Schwebe und aus dem möglichen Glück wird leider eine grausam schöne Tristesse...



Vor allem sichtbar in den letzten Sequenzen des Films, wo beide erkennen, dass ihre Liebe keine Zukunft haben kann. Das schlechte Gewissen macht der Liebe unmöglich. Deprimiert reist Chow nach Singapur. Noch einmal versucht Li-Zhen einen Ausbruch. Sie reist ihrer Liebe nach und wartet in seinem Zimmer, aber sie geht wieder bevor Chow von der Arbeit zurückkehrt. Im Jahr 1966 besucht Chow die bekannte Tempelanlage Angkor Wat in Kambotscha. Dort begräbt er seine große Liebe symbolisch in einem Loch in einer Mauer, dass er dann mit Erde und Gras verstopft. Er besucht aber später noch einmal seine alte Wohnung, ohne zu wissen, dass Li-zhen wieder in diesem Haus wohnt. Er geht wieder, ohne ihr zu begegnen. Tragisch...und tragisch schön. Diese zarte Lovestory hat Wong KarWai mit einer genialen Musik unterlegt. Der japanische Komponist Shigeru Umebayshi steuerte das hypnotische musikstück "Yumeji´s Theme" bei, dass sich die Dramaturgie der Geschichte untermalt. Auch drei Songs von Nat King Cole verstärken den perfekten Retrostyle des Films. Wie immer lieferte auch Kameramann Christopher Doyle (gemeinsam mit Pin Bing Lee) total raffinierte Bilder von licht- und schattendurchflutenden Szenen. Die Liebenden begegnen sich auf engen Fluren, auf regennassen Straßen am Abend. Das Schicksal will es aber, dass der erotische Knoten nicht platzen kann. Man wünscht natürlich, dass sie sich bekommen, aber das Schicksal nimmt einen anderen Weg. Traurig...



Bewertung: 9 von 10 Punkten. 

Endstation Schafott

























Regie: Jose Giovanni

Das Fallbeil droht...

Das 1973 entstandene Krimnialdrama "Endstation Schafott" von Jose Givoanni brachte zwei Superstars des französischen Films zusammen: Den großen Altstar Jean Gabin und Alain Delon, der den Film auch produzierte. Der Regisseur selbst verstand seinen Film als Anklage gegen die Todesstrafe. Im Mai 1977 wurde letztmalig ein Verurteilter durch die Guillotine hingerichtet. 1981 wurde die Todesstrafe in Frankreich abgeschafft. Zugleich war "Endstation Schafott" einer der letzten Filme von Jean Gabin und für Alain Delon, der in den 70ern vornehmlich in kommerziellen Abenteuerfilmen und Krimis mitspielte, gabs ein gutes Feedback von der Filmkritik, die seine Darstellung als Todeskandidat sehr lobten.
Der Film beginnt mit Bildern des Sozialarbeiters Germain Cazeneuve (Jean Gabin), der verbittert auf der Straße Richtung Bahnhof läuft - der ehemalige Polizist arbeitet jetzt als Bewährungshelfer und betreut viele Strafgefangene im Gefängnis und auch später draussen in der Bewährungszeit. Cazeneuves Verdienst ist es die Bewährung des Mafiosi Gino Strabliggi (Alain Delon) durchgesetzt zu haben. Der Mann hat 10 Jahre seiner 12jährigen Strafe verbüßt und wurde im Knast ein Anderer. Er hat sich immer vorbildlich verhalten und hat draussen auch eine liebe Frau (Ilaria Occini), die auf ihn wartet und zu ihm hält. Bei der Anhörung bürgt Cazeneuve für seinen Schützling - er ist sich sicher, dass der Mann nun erfolgreich draussen Fuß fassen kann und auch schnell eine Arbeit findet. Tatsächlich widersteht Strabliggi der Versuchung wieder ein Ding mit seinen ehemaligen Kumpanen (ua. Victor Lanoux, Gerard Depardieu) zu drehen. Er arbeitet im Laden seiner Frau. Die Beziehung zwischen Cazeneuve und Strabliggi ist wie eine Vater-Sohn Beziehung, so trifft sich der ehemalige Sträfling mit seiner Frau auch öfters mit der Familie von Cazeneuve (Cecile Vassort, Bernard Giradeau, Christine Fabrega). An einem dieser gemeinsamen Wochenenden passiert allerdings eine folgenreiche Katastrophe. Zwei rücksichtslose Autofahrer, die ein Wettrennen auf der Landstraße veranstalten, verursachen einen Autounfall. Beim Ausweichen überschlägt sich das Auto von Strabliggi, seine Frau stirbt am Unfallort. Dennoch kommt er nach diesen Schicksalschlag wieder auf die Beine und durch Cazeneuves Hilfe bekommt er eine Anstellung in einer Druckerei in Montpellier. Dort muss er sich regelmässig auf dem Polizeirevier melden und trifft auf Inspector Goitreau (Michel Bouquet), der in vor 10 Jahren verhaftet hat. Sofort hat Goitreau Zweifel an der erfolgreichen Resozialisierung und er beobachtet Strabliggi, obwohl gar kein Verdacht besteht. Dieses Spionieren nimmt bald zu und der Inspektor agiert immer mehr wie ein Besessener. Er informiert auch Strabliggis neue Freundin Lucie (Mimsy Farmer) über die dunkle Vergangenheit ihres Freundes. Der Mann des Gesetzes agiert in skrupelloser Weise mit Verleumdungen oder Verhaftungen ohne Grund. Als der Inspektor Lucie sexuell belästigt dreht Strabliggi durch und tötet in einem Wutanfall den Polizisten. Die anschließende Gerichtsverhandlung muss darüber entscheiden, ob der Totschläger mit dem Fallbeil hingerichtet wird....



Im Gewand eines Krimis mit dramatischen Elementen werden brisante Themen wie die Todesstrafe und die Methoden der Polizei kritisch beleuchtet. Am Ende steht tatsächlich der Schafott und der desillusionierte, vormals engagierte Bewährungshelfer gibt an, dass er nicht mehr an Gerechtigkeit glauben kann. Ein spannender Film mit sehr starken Schauspielerleistungen der Superstars Jean Gabin und Alain Delon, aber auch Michel Bouquet muss erwähnt werden. Neben "Die untreue Frau" und "Vor Einbruch der Nacht" ist diese Rolle des völlig besessenen Inspektors seine beste Rolle. Der 1925 geborene Schauspieler erhielt 2002 einen Cesar für den Film "Comment j´ai tue mon pere" und vier Jahre später ging die Trophäe noch einmal an ihn: In "Letzte Tage im Elysee" spielte er den Präsidenten Francois Mitterand.



Bewertung: 7 von 10 Punkten.

Blue Collar

























Regie: Paul Schrader

Arbeiter in Detroit...

 Paul Schrader machte zuerst als Drehbuchautor in Hollywood auf sich aufmerksan. Er schrieb die Bücher für "Yakuza" (1974 - Sidney Pollack), "Schwarzer Engel" (1975 - Brian de Palma) und "Taxi Driver" (1976 - Martin Scorsese) bevor er sich an seine erste Regiearbeit wagte. Sein Debüt "Blue Collar" aus dem Jahr 1978 wurde ein rieisger Kritikererfolg, entstanden in einer Zeit als sich das US-Kino noch an solche Themen wie unterbezahlte Industriearbeiter und korrupte Gewerkschaften heranwagte. Der Begriff "Blue Collar" und meint den Dresscode der Berufskleidung. Der Industriearbeiter und Handwerker trägt den typischen blauen Overall. Es gibt auch den Begriff "White Collar" - hier ist das weiße Hemd des Büroangestellten gemeint. Diese in den USA verwendeten Begriffe sind bei uns "Arbeiter" und "Angestellte". In den USA arbeiten ca. 40 % der Bevölkerung in diesen Blue Collar Beschäftigungen.
Schraders Film setzt sich extrem kritisch mit der Gewerkschaftsarbeit auseinander und deckt hier unlautere Machenschaften auf.
Ort der Handlung: Detroit in den 70er Jahren...als die Stadt noch viel Arbeit bot und noch nicht vom Niedergang des Strukturwandels in der Autoindustrie betroffen war. Inzwischen ist die Stadt in weiten Teilen sogar vom Verfall geprägt. Arbeitslosigkeit, Armut und Kriminalität stiegen rasant an.Aber die Welt der Arbeiter ist auch Ende der 70er Jahre alles andere als in Ordnung. Alle sind sie der Gewerkschaft angeschlossen, aber die tut herzlich wenig für ihre zahlenden Mitglieder. Die Arbeitsbedinungen sind nicht sonderlich gut - ein Vorarbeiter treibt die Männer immer wieder an. In dieser Automobilfabrik arbeiten die drei Freunde Jerry Bartowski (Harvey Keitel), Zeke Brown (Richard Pryor) und Smokey James (Yaphet Kotto) als Fließbandarbeiter. Sie können kaum von ihrem kargen Lohn leben und müssen daher immer wieder Kredite bei der Bank aufnehmen, um über die Runden zu kommen. Zeke ist besonders genervt, er beschwert sich bei dem Gewerkschaftsvorsitzenden Eddie Johnson (Harry Belaver) über den Betriebsrat Clarence Hill (Lane Smith), der die Anliegen der Arbeiter überhaupt nicht ernst nimmt. Während einer Party mit seinen beiden Freunden und einigen Girls entsteht der Plan in das Gewerkschaftsgebäude einzubrechen und dort die Gewerksschaftskasse zu plündern. Dort könnten 10.000 Dollar liegen, was allen drei aus der finanziellen Misere helfen würde. Tatsächlich brechen sie dort ein - doch sie finden nur 600 Dollar und ein Notizbuch mit brisantem Inhalt, denn dort geht hervor, dass die Gewerkschaft die Mitgliedsbeiträge für illegale Kreidte zu Wucherzinsen verwendet. Die drei versuchen nun das Buch mit dem belastenden Material an die Gewerkschaft zu verkaufen und fordern 10.000 Dollar. Tatsächlich geht die Gewerkschaft zuerst auf die Forderungen ein...



Was als Sozialstudie beginnt, wird immer mehr zum brisanten Politkrimi. Und am Ende der Geschichte stehen Tote und Feindschaft. Ein sehr aufwühlender Film über Korruption und Kriminalität von Gewerkschaften. Das gefundende Notizbuch kann ihnen nur scheinbar weiterhelfen; mit den wahren Konseqenzen ihrer Erpressung haben die drei naiven Freunde weder gerechnet noch sind sie dem gewachsen. Nun geraten sie vollends in eine Maschinerie, sie werden schnell identifiziert und nacheinander gemäss ihrer Eigenarten aufgelauert.
In diesen Sequenzen läuft der Film zur Höchstform auf; die Milieubeschreibung bekommt einen paranoiden, furchtsamen Unterton verliehen, der nicht nur die Situation, sondern auch die Menschen darin rapide verändert...Parallelen zu Alan J. Pakulas Paranoia Thrillern sind allgegenwärtig. Eine Lackierstation wird zur Falle - eine der schrecklichsten Szenen des sehr guten 70er Jahre Films.


Bewertung: 9 von 10 Punkten.

Baby Boy

























Regie: John Singleton

Muttersöhnchen...

Es ist sehr schade, dass John Singletons Black Cinema Film "Baby Boy" nicht die gleiche Aufmerksamkeit erhalten hat wie sein phänomenales Debüt "Boyz N the Hood" aus dem Jahr 1991. Aber es ist erklärbar, denn der 10 Jahre später enstandene "Baby Boy" ist nicht annähernd so bleihaltig. Singleton hat einen ganz anderen Ansatz gewählt, der äusserst interessant ist. Er zeigt den jungen dunkelhäutigen US-Amerikaner als echte Müßiggänger, die im Grunde nur abhängen, nicht arbeiten und immer noch bei der Mutter wohnen.
Und genau so ein Typ ist der arbeitslose Fahrradmechaniker 20jährige Jody (Tyrese Gibson), der in South Central, Los Angeles lebt. Seine Mutter Juanita (Adrienne- Joi Johnson) wäre mal froh, wenn der Sohnemann auf eigenen Füßen stehen könnte und mehr Verantwortung für sein Leben aufbringen würde. Jody fühlt sich wie ein richtiger Mann, wenn man so sein Machogehabe sieht, aber im Grunde ist er ein Muttersöhnchen, dass Angst vor dem eigenen Leben hat. Dennoch - er ist schon zweifacher Vater.  Mit Peanut (Tamara LeSeon Bass) hat er eine kleine Tochter und mit seiner älteren Freundin Yvette (Taraji P. Henson) einen gemeinsamen Sohn namens Joseph, genannt JoJo (Kylan Bolton/Kylan Bolton). Yvette liebt Jody, aber der hängt noch zuhause rum bei seiner Mom. Dort hängt aber der Haussegen schief, weil die neuerdings einen Freund hat. Und dieses Muskelpaket Melvin (Ving Rhames) zieht dann auch bald bei ihr ein. Von Anfang an gibt Jody dem neuen Bewohner im Haus zu verstehen, dass er nicht mit der Beziehung einverstanden ist. Jodys bester Freund ist Sweetpa (Omar Gooding), der auch zuhause abhängt. Jody kommt gut bei den Frauen an, daher muss Yvette wohl oder übel alle seine Seitensprünge akzeptieren. Als er Yvettes Arbeitskollegin Pandora (Tawny Dahl) schöne Augen macht, ist die aber mehr als sauer. Dies führt zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung - die Beziehung steht auf der Kippe. Gerade jetzt als er versucht hat Geld zu verdienen (mit gestohlenen Kleidern) und damit zumindest einen schnellen Erfolg verbuchen konnte. Yvette will hart bleiben, was ihr sehr schwer fällt - denn sie vergeht vor Sehnsucht. Dann taucht auch noch ihr schräger Ex-Freund Rodney (Snoop Dog) bei ihr auf, der gerade aus dem Knast entlassen wurde. Er nistet sich in der Wohnung ein und ist eifersüchtig als er merkt wie sehr Yvette für diesen Jody empfindet. Der will ihn bald tot sehen...


aber diese Thrill-Passage hebt sich John Singleton fast bis zum Schluß auf. Der Film konzentriert sich auf das Beziehungsgeflecht von Jody und auf dessen frühe Festlegung in seiner Rolle als Müßiggänger. Irgendwann wird er einen Weg einschlagen wie viele andere afro-amerikanische Jungs. Der Weg vom Müßiggänger zum Ghettogangter kann aber vielleicht durch eigene Initiative und durch ein viel höheres Verantwortungsbewusstsein für das eigene Umfeld durchbrochen werden. Die Erwachsenen in Jodys Leben (Mutter und deren Lover, der lange im Knast saß) geben dem Youngster die Schuld an seiner eigenen Misere. So gesehen erzählt Singleton aus einem anderen Blickwinkel wie in "Boyz N the Hood" und diese Sichtweise wirkt gereift. Wie gewohnt gibts einen guten Soundtrack (Snoop Dog, Marvin Gaye, Macy Gray) und die Schauspieler sind famos. Allen voran der junge Tyrese Gibson macht seine Sache prima, genauso wie Ving Rhames als zuerst gar nicht so einfach durchschaubarer Lover der Mutter. Im Grunde ist "Baby Boy" ein Dramedy - also viele witzige Alltagsszenen lassen den Zuschauer schmunzeln, aber auch sehr oft wird man mit schwerwiegenden und elementaren Problemen konfrontiert - bis hin zu einem Verbrechen, dass sich wahrscheinlich gar nicht vermeiden ließ. Hier kommt zu den Alltagsnöten noch zusätzlich eine Gefahr des Stadtteils mit einer sehr hohen Kriminalitätsrate mit immer zunehmenden Mord-Delikten.



Bewertung: 9 von 10 Punkten.

Sonntag, 19. Februar 2017

Hass (La Haine)

























Regie: Matthieu Kassowitz

Ein Tag im Viertel...

"Hass - La Haine" - ein Film von Matthieu kassowitz entstand 1995 und ist eine europäische Antwort auf die zu dieser Zeit sehr beliebten Ghettomovies der USA wie beispielsweise "Boyz N the Hood" von John Singleton oder "Menace II Society" von Albert und Allen Hughes. Optisch geht dieser französische Beitrag aber andere Wege, denn durch die scharz-weiß Kamera von Pierre Aim wirkt das Geschehen beinahe schon wie ein Film Noir.
Schauplatz des Geschehens ist die Cite de Noe, Chanteloup-les-Vignes, ein Vorort, eine Randzone von Paris. Dort im Banlieue leben auch die Jugendlichen Vinz (Vincent Cassel), der arabischstämmige Said (Said Taghmaoui) und der dunkelhäutige Hubert (Hubert Kounde). Vinz sieht zwar wie ein Skin aus, aber er ist jüdischer Herkunft und mit den beiden anderen Jungs befreundet. Arbeit haben alle drei keine - Hubert verkauft etwas Haschisch, er gibt das Geld aber seiner Mutter (Felicite Wouassi) und seiner kleinen Schwester (Fatou Thioune), die gerne auf eine weitere Schule gehen würde, aber das Geld für die Schulbücher fehlt. Die drei leben so in den Tag hinein und Action gibt es auch ständig im Viertel. Vor allem aktuell, denn am Vortag tobte in den Banlieues ein echter Straßenkampf, bei dem Abdel (Abdel Ahmed Ghili), ein Freund des Trios, ganz schwer während eines Polizeiverhörts verletzt wurde und seitdem im Krankenhaus um sein Leben kämpft. Der Freund liegt im Koma und dies macht Vinz, der eine jüdische Herkunft hat, immer mehr zu einer tickenden Zeitbombe. Er will sich bei der Polizei für diese Gewalt rächen. Und nun hat er auch noch die Knarre gefunden, die einer der Polizisten bei dem Einsatz verloren hat. Hubert ist auch sehr enttäuscht, denn durch den Kampf wurde auch die Boxhalle komplett ausgebrannt, somit haben die Jugendlichen einen Ort, wo sie sich aufhalten können und ihren Frust etwas rauslassen können, verloren. Hubert ist auch der besonnene der drei Freunde und warnt Vinz, als dieser seinen beiden Freund stolz die Waffe zeigt. Der Film schildert fast schon dokumentarisch einen Tag im Leben dieser Protagonisten auf der Verliererstraße. Es ist immer was los und überall herrscht Aggression - auch in den Familien, im Umgang miteinander. Die Menschen hier sind an diese Struktur der alltäglichen Gewalt gewohnt und es scheint als wäre die Polizei (dein Freund und Helfer) der Todfeind Nr. 1, weil deren brutale Methoden im Umgang sich inzwischen überhaupt nicht mehr vom Verhalten der Kleinkriminellen unterscheidet. Nach dem Trouble mit der Polizei, weil einige der jungen Typen des Viertels, auf dem Dach eines der Hochhäuser eine Grillparty veranstalten, laufen unsere drei Freunde herum und Hubert erkennt, dass Vinz zu unreflektiert ist, inwieweit sein Vorhaben, falls Abdel stirbt, nach dem Motto "Auge um Auge" einen Polizisten zu killen an der trostlosen Realität im Ghetto irgendetwas ändern könnte. Die drei beschließen mit der Stadtbahn in die Innenstadt zu fahren...



Huberts öfters genannter Spruch lautet "ein Mann fällt vom Hochhaus und an jedem Stockwerk, an dem er vorbeifliegt, sagt er sich "Soweit ging  es ja noch gut" - Fazit: Nicht das Fallen ist wichtig, sondern die Landung. Und landen werden die drei Protagonisten am Ende dieser Nacht in einer total auswegslosen Situation. Matthieu Kassowitz gelang es sogar eine Art Arthaus Gangsterghettofilm zu drehen. Dies verdankt er der innovativen Kameraarbeit und der mehr als hervorragenden Darstelelrleistung des damals noch sehr jungen Vinzent Cassel und seine Mitspieler Hubert Kounde und Said Taghmaoui sind genauso gut. Ein bisschen erinnert mich "Hass" auch an einen meiner Lieblingsfilme von Luis Bunuel: "Los Olividados" - ebenfalls ein Zustandsbericht eines sozialen Brennpunktes in Mexico-City. Beide wirken etwas semi-dokumentarisch und dies macht das Geschehen noch viel dichter und authentischer. Leider gelang dem Regisseur bislang nie wieder so ein Meisterwerk. "Hass - La Haine" darf man sicherlich zu den 90er Jahre Meilensteine des französischen bzw. europäischen Kinos zählen. Zum Lohn gabs einen Cesar und den Europäischen Filmpreis als bester "Young European Film".





Bewertung: 10 von 10 Punkten.

Salo oder die 120 Tage von Sodom

























Regie: Pier Paolo Pasolini

Einfangen, foltern, töten...

"Salo - Die 120 Tage von Sodom" ist Pier Paolo Pasolinis letzter Film. So gesehen ist dieser sehr umstrittene Skandalfilm auch sein Vermächtnis. In einem Interview sagte er "Salo wird ein grausamer Film sein. So grausam, das ich (so nehme ich an) mich zwangsläufig bald davon distanzieren muss, so tun, als würde ich das alles nicht glauben, als sei ich ganz starr vor Überraschung..." Damit lässt sich heraushören, dass er mit den ausgebreiteten Scheußlichkeiten und der perversen Widerwärtigkiet nicht nur Ekel hervorrufen wollte, sondern auch eine Erkenntnis. Die faschistische Ideologie und jede absolute Macht wollte er mit diesem Treiben entlarven - der Zuschauer sollte erkennen, dass ein solches System den Menschen nur ausnutzt, erniedrigt und kränkt und am Ende zerstört. Doch der Kinogänger des Jahres 1975 verlor die Kontrolle über diese fiesen und schockierenden Bilder, im Grunde wurde von der Mehrheit nur die "sexuelle Perversion" gesehen. Im Heimatland Italien wurde der Film verboten. In Deutschland lief der Film damals im Kino und es gab dauernd Berichte darüber, dass sensible Zuschauer den Saal verlassen musste, weil sie sich aufgrund der gezeigten Szenen übergeben musste. So hatte er bald den Ruf. Er wurde verboten, dann wieder erlaubt. Ein Hin- und Her der Anzeigen, einstweiligen Verfügungen, beschlagnahmten Kopien - schließlich landete er 1987 endgültig auf dem Index.
Der Filmtitel besteht aus "Salo" und "Die 120 Tage von Sodom" - daher sind zwei Themen miteinander verknüpft.  Salo war von 1943 bis 1945 die Hauptstadt der Repubblica Sociale Italiana von Mussolini unter der militärischen Protektion Deutschlands. Die "120 Tage von Sodom" ist ein Buch des Marquis de Sade, der sadisistische Sexualpraktiken von vier einflussreichen Franzosen beschreibt, die in einem zugemauerten Schloß an einem geheimen Ort Südwestdeutschlands während eines viermonatigen Aufenthaltes dort ausgelebt werden.
Der Film ist in die drei Sekmente "Höllenkreise der Leidenschaft", "Höllenkreis der Scheiße" und "Höllenkreis des Blutes" unterteilt, was an Dantes Inferno verweist. Also Faschismus...zuerst Leidenschaft, dann Scheiße fressen und schließlich im Blutbad enden.
Im Jahr 1944 beginnt die Geschichte. Fürst Blangis (Paolo Bonacelli), ein Monsignore (Giorgio Cataldi), Präsident Durvet (Aldo Valetti) und ein Prälat (Umberto Paolo Quintavalle) haben eine abgelegene Villa für die Verwirklichung perverser Ausschweifungen auserkoren. Mit der Hilfe der Gestapo und weiteren miesen Schergen haben sie acht junge Männer und acht junge Mädchen aus gutem Hause festnehmen lassen und entführt. In einer dreitätigen Orgie sollen diese jungen Menschen missbraucht, gedemütigt, geschändet und am Ende ermordet werden. Für diese Ausschweifung wurden extra drei Erzählerinnen engagiert, diese Damen Vaccari (Helene Surgere), Castelli (Caterina Boratto) und Maggi (Elsa de Giorgi) sollen zusätzlich die Lust beim Quartett und auch bei den Gefangenen wecken. Eine Pianistin (Sonia Saviange) begleitet die widerlichen Ausschweifungen...
 





Zuerst wird vergewaltigt, dann auf die übelste Weise erniedrigt und gefoltert. Am Ende beobachten die vier einflussreichen Männer mit einem Fernglas von einem Zimmerfenster aus wie die auserkorenen Opfer von den engagierten jungen Soldaten auf grausamste Art und Weise ermordet werden. Als ich "Salo" zum ersten Mal sah, war ich tatsächlich so schockiert, dass ich da keinen Subtext mehr herauslesen konnte. Nun beim zweiten Mal kann man schon die Ambition des Regisseurs dahinter erkennen, denn so sehr schockierend die Bilder sind - ein pornographischer Film ist das auf keinen Fall. Eher das Gegenteil. Eher kann man darin die schockierende Vision des menschlichen zerstörungswillen sehen. Die Lust wird nicht durch Liebe erzeugt, sondern durch Gewalt, die man dem anderen antut. Wie in vielen seiner Filme hat Pasolini viele Rollen mit Laiendarstellern besetzt. Von diesen Laien dürfte der Junge Franco Merli wiedererkannt werden, denn der spielte bereits ein Jahr vorher  in Pasolinis "Erotische Geschichten aus 1001 Nacht" mit - ebenso die dunkelhäutige Iris Pelegrini, die im gleichen Film die Rolle der Sklavin Zumurrud spielte.







Bewertung: 8 von 10 Punkten.