Dienstag, 20. Februar 2018

Schindlers Liste

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Regie: Steven Spielberg
 
Shoa...
 
Regisseur Steven Spielberg wurde bereits 1982 auf die Geschichte des Fabrikanten Oscar Schindler aufmerksam. Doch es verzögerte sich und so kam es erst 1993 dazu, dass er seinen geplanten Film nach dem Roman von Thomas Kenelly auch umsetzen konnte. Gedreht wurde an Originalschausplätzen im polnischen Krakau, eine der wenigsten polnischen Städte, die im 2. Weltkrieg nicht zerstört wurden. Daher waren viele Originalschauplätze noch so wie damals in den Kriegsjahren erhalten: Die elegante Wohnung von Schindler sowie das Gebäude, wo sich damals die Deutsche Emailwarenfabrik (DEF) befand.
Der 194 Minuten lange Film ist im übrigen  - neben Costners "Der mit dem Wolf tanzt" - der einzige Oscargewinner der 90er Jahre, der auch als historisches Dokument bestehen kann. Macher Spielberg setzte auf höchstmögliche Intensität und strafte alle Kriiker Lügen, die ihn lange Zeit ausschließlich als den Blockbusterregisseur spektakulärer Kindereien unterschätzt hatten.
"Schindlers Liste" war 1994 für insgesamt 12 Oscars nominiert - 7 Siege konnte gefeiert werden: Der Hauptpreis "Bester Film", Spielbergs erster Regieoscar, das beste adaptierte Drehbuch, Bestes Szenenbild, Beste Filmmusik, bester Schnitt und die geniale Kameraarbeit von Janusz Kaminsiki. Der Film wurde ganz in Schwarz-Weiß gedreht, was natürlich ganz besondere Herausforderungen mit sich brachte. Der Kontrast der Bilder muss durch die Beleuchtung hergestellt werden. Seine Arbeit verstärkt den Doku-Charakter des Holocaust Films enorm, aber auch alles andere - Ausstattung und Kostüme - ist authentisch. Kaminski drehte über 40 % des Films mit Handkamera.
Für einen Film mit solch einem bedrückenden Thema spielte "Schindlers Liste" weltweit 321 Millionen US-Dollar ein. Er landete im Jahrgangsranking auf Platz 5 (Platz 1 ging an Spielbergs Saurier-Spektakel "Jurassic Park) und auch in Deutschland lockte das Thema über 6 Millionen Zuschauer in die Kinos.
"Schindlers Liste" ist es auch zu verdanken, dass sich der Rollentypus vom "Bösen Nazi" nachhaltig im US-Kino veränderte. Die Figur des Hasardeuren Schindler, der sich vom Lebemann zum Lebensretter wandelt, steht auch für eine gewisse Versöhnung fast 50 Jahre nach den schrecklichen Ereignissen in Krakau.
Liam Neeson spielt diesen charmanten Unternehmer, der es versteht die Nazigrößen durch geschickte Manipulation und durch üppige Geschenke auf seine Seite zu ziehen. Am Ende hat er rund 1100 Juden vor der sicheren Ermordung in den Gaskammern der Konzentrationslager gerettet.
Die Schlußsequenz ist sehr ergreifend, denn sie macht einen Zeitsprung von 1945 ins Jahr 1993. Dort am Grab von Oscar Schindler auf dem Franziskaner Friedhof von Jerusalem. Die wirklichen "Schindlerjuden" legen dort Steine und Blumen auf sein Grab.
Abgesehen von der vielleicht zu rührseligen Abschiedszene Schindlers in seiner Firma bei Kriegsende verzichtet Spielberg auf all die dramaturgischern und technischen Effekte, die man hätte auffahren können. Sein Film ist angenehm nüchtern, aber so ungeheuerlich, dass sich viele Szenen so drastisch ins Gedächtnis sezten. Spielberg gelingt es durch diese intensiven Einzelszenen eine Vorstellung von der Realität des Grauens zu vermitteln. Am schrecklichsten wirkt die ausufernde Szene von der Räumung des Krakauer Ghettos. In der Stadt herrrscht ein mörderisches Inferno und inmitten dieses Schreckens nimmt der Zuschauer ein kleines Mädchen (Oliwia Dabrowska) wahr. Ein rotes Kleid, inmitten der Schwarzweiß-Szenerie. Immer wieder sieht man das Kind mit dem roten Mantel ziellos zwischen den mordenden Horden umherirren. Dieses Bild ist poetisch und erschreckend zugleich. Verzweifelte Menschen flüchten in Todesangst in ihre Verstecke, sei es unter Dielen, in Klavieren oder in den Abflußrohren oder Katakomben. Auch die Bilder mit dem großen rauchenden Todesturm von Ausschwitz brennen sich ins Gedächtnis, ganz zu schweigen von der Szene, wenn die nackten Frauen in die Dusche getrieben werden. Angstvoll erwarten sie ihren Tod durch die Gaskammer. Die Erleichterung ist auch für den Zuschauer da, als tatsächlich Wasser aus den Duschen kommt.







 

Liam Neeson spielt großartig und Ralph Fiennes ist beeindruckend als SS-Lagerkommandant und Soziopath Amon Göth, der einfach aus Spass und Machtgefühl Juden vom Balkon seiner Villa abschießt. Zu Recht wurde der britische Shakespear-Darsteller, ebenso wie Liam Neeson, mit einer Oscarnominierung bedacht. Leider blieb die großartige Darstellung von Ben Kingsley bei der Oscarwahl unberücksichtigt. Schade, denn seine Rolle als jüdischer Buchhalter Itzhak Stern ist nicht nur Oscar Schindlers rechte Hand, sondern auch sein stilles Gewissen. Zuerst angewidert von der Art des Lebemannes, der aus dem Leid der Zwangsarbeiter richtig viel Geld machen will, werden die beiden Männer im Laufe der Jahre immer mehr zu Freunden. Am Ende ist es sogar Stern, der Schindler warnt, dass seine Rettungsambitionen von den Nazis entdeckt werden. Diese Geschichte des unheiligen Heiligen berührt auch heute noch.

 






10 von 10 Punkten. 

Samstag, 17. Februar 2018

Der Tod von Ludwig XIV

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Regie: Albert Serra
 
Am Totenbett des Sonnenkönigs...
 
Albert Serras "La mort de Louis XIV" (so der Originaltitel, die DVD ist nicht mit einer deutschen Sprachfassung ausgestattet, es gibt jedoch Untertitel) ist ein besonderer wie sonderbarer Film und ist nicht der erste Film über den legendären Sonnenkönig Ludwig, der bereits im Alter von 4 1/2 Jahren im Jahr 1643 den Thron von Frankreich bestieg. Durch eine expandierende Außenpolitik, die in mehrere Kriege mündete, festigte er die Stellung Frankreichs als dominierende Großmacht innerhalb von Europa. Sein Wirken war sehr prägend für die Zeit des Barock. Er erbaute das prunkvolle Schloß Versailles und betrieb eine ganz auf ihn selbst zugeschnittene Hofkultur, die seine herausragende Stellung und sein prunkvolles Aussehen noch zusätzlich verstärkten. Er verstarb am 1. September 1715 nach 72-jähriger Regentschaft. Damit ging der Herrscher mit absoluter Macht als einer der am längsten herrschenden Monarchen der Geschichte ein.
Regisseur Albert Serra schildert in seinem Ludwig-Film die letzten Tage des Monarchen und die Handlung spielt überwiegend in Ludwigs Schlafräumen. Das Krankenbett wird dabei immer mehr zum Totenbett des bedeutenden Mannes. Die Inszenierung wirkt dabei immer mehr hypnotisierend, wenn man sich auf dieses beengte Szenario einlässt und entfaltet sich immer mehr zu einer Elegie bzw. zu einem Totentanz. Serras Hauptdarsteller ist inzwischen 74jährige Jean-Pierre Leaud, der in Francois Truffauts Filmen "Sie küßten und sie schlugen ihn", "Liebe mit 20", "Geraubte Küsse", "Tisch und Bett" und "Lebe auf der Flucht" die Figur Antoine Donel verkörperte und damit weltberühmt wurde. Schön diesen Schauspieler wieder zu sehen - und in was für einer hervorragenden und extrem bemerkenswerten Performance.
Historienfilme sind immer dann richtig gut, wenn der Zuschauer einen Blick erhaschen kann in diese vergangene Zeit und in diese verschlossene Zeit kurz eintauchen kann. Und dies gelingt interessanterweise beim Zuschauen auf einen sterbenden König, der bereits wie entrückt wirkt. Er ist zwar da, aber gleichzeitig auch schon weit weg - von seinen Untertanen, die ständig an seiner Seite sind und das Krankenbett behüten - sei es sein Leibarzt Fagon (Patrick d'Assumçao) oder Chirurg Mareschal (Bernard Belin). Natürlich ist auch seine zweite Frau, die Marquise de Maintenon (Irene Silvagni) äusserst besorgt und mit ihren vielen Hofdamen vor Ort.  Dazu die gesamte Dienerschaft, die versucht ihrem König sämtliche Wünsche zu erfüllen - auch die Politiker belagern das Krankenzimmer. Schließlich müssen die Regierungsgeschäfte weiter gehen und wichtige Gesetze beschlossen werden. Zuerst ist man noch guter Hoffnung, dass der Schwächeanfall in seinen Gärten einmalig war. Doch der Zustand will sich nicht verbessern. Der König fühlt sich enorm schwach und kann kaum laufen. Er klagt über schreckliche Schmerzen im Bein. Man lässt vier weitere angesehene Mediziner von der Sorbonne (Olivier Cadinot, Philippe Crespeau, Alain Renaud, Richard Plano) kommen, denen auch nicht der entscheidende Durchbruch für die Genesung gelingt, schließlich versucht man noch die Künste eines alternativen Arztes (Jose Wallenstein), dessen heilende Methoden extrem umstritten sind. Doch das Schicksal ist unaufhaltsam...



Dabei liefert Kameramann Jonathan Ricquebourg eine Weltklasseleistung mit seinen Bildern im dämmrigen Licht. Der Prunk von Versailles wird konsequent ausgeblendet und doch ist er allgegenwärtig im Kopf des Zuschauers. Und er schafft es auch, dass man dem König etwas näher kommt - man erkennt den Menschen unter seiner monumental wirkenden Perücke. Dieser Mann scheint in seinen letzten Stunden fast schon ein Gefangener seiner eigen geschaffenen Rituale zu sein. Er könnte zwar von seiner Umgebung alles bekommen, was er will und die Köche liefern Meisterwerke ihres Könnens ab, doch der Herrscher ist in diesem Moment krank, klein und verloren. Er hat keinen Appetit mehr und will nur noch Wasser, wenn er nach seinem Diener schreit. Wie er selbst gefangen in seinen eigenen Zwängen ist, wird in der kleinen Szene klar, in dem ihm auffällt, dass dieses Wasser nicht mit einem Glas aus Kristall gereicht wird. Gerade diese Absurditäten des Alltags, die Serra hier präsentiert, sind es, die den Film zu einem kleinen Meisterwerk machen. Nach dem Tod wird auch gleich der Körper des Sonnenkönigs seziert - eine letzte Sequenz zu einem Film, der mich in jeder Sekunde total begeistern konnte. 



Bewertung: 10 von 10 Punkten.

Dienstag, 13. Februar 2018

120 Bpm

























Regie: Robin Campillo

Act up...

Einen Europäischen Filmpreis konnte Robin Campillos Aids-Doku "120 Bpm" bereits in der Kategorie "Bester Schnitt" gewinnen.  In zwei weiteren Kategorien - Bester Schauspieler Nahuel Pérez Biscayart und Bester Film - war er immerhin nominiert und bei der kommenden Verleihung des Cesars für insgesamt 12 Preise nominiert.  "120 Bpm" wurde von Frankreich in die Oscarwahl für den besten fremdsprachigen Film geschickt, er kam jedoch - genau wie Deutschlands "Aus dem Nichts" - nicht unter die fünf Nominierten.
Der 144 Minuten lange Film setzt dabei dem Interessenverband "Act up" ein Denkmal. Abgeleitet wurde der Name von "Aids Coalition to Unleash Power", was soviel heißt wie die entfesselte Kraft von Aids-Verbündeten. Ursprünglich in New York begonnen, breiteten sich auf der ganzen Welt diese Interessenverbände aus. So auch in Frankreich - dort will die Gruppe, zu der sowohl HIV-Positive als auch HIV-Negative Mitglieder gehören, durch öffentlichkeitswirksame Aktionen mehr Dynamik und Poliitsierung in die Aids-Thematik bringen. Vor allem soll auf die Pharmakonzerne und auf die Politik mehr Druck ausgeübt werden, denn die Zeit drängt. Viele Mitglieder sind in den frühen 90er Jahren, in denen der Film spielt, nicht nur infiziert, sondern auch Krank.
Von der Regierung Mitterands wird immer wieder Unterstützung erklärt und zugesagt, aber für die Betroffenen geht dies alles zu langsam. Das Pharmaunternehmen Melton Pharm will beispielsweise neue HIV-Studienergebnisse erst im darauffolgenden Jahr auf einer Pharmakonferenz in Berlin bekannt geben. Dies wirkt wie ein Schlag in die Fresse.  Und es sterben auch viele Gruppenmitglieder. So auch Jeremie (Ariel Borenstein), der an der Immunkrankreich stirbt. Mit seinem Foto auf den Plakaten protestiert die Gruppe angeführt von ihrem Sprecher Thibault (Antoine Reinartz) . Mit dabei die couragierte Sophie (Adele Haenel), de etwas aufbrausende Sean Dalmazo (Nahuel Perez Biscayart), ein Mitglied der ersten Stunde und auch Neuling Nathan (Arnaud Valois), der HIV-negativ ist. Eine weitere Aktion ist sehr effektiv, weil die Act Up mit gefälschtem Blut in die Büros des Pharamkonzerns eindringt und dort das Kunstblut in den ganzen Büroräumen verteilt. Auch die kommende Gay Pride soll durch Publicity für das Thema genutzt werden. Neben diesen Aktionen flammt aber auch ein kleines privates Glück auf. Nathan und Sean kommen sich näher....



 Damit wird auch der zweite Teil des Film eingeläutet, der in der ersten Hälfte einen ganz stark dokumentarischen Charakter aufwies und nun seine Geschichte in den persönlichen Bereich der Figuren verlagert. Sehr subtil wird die aufkeimende Beziehung zwischen Nathan und Sean geschildert, für die es aber kein HappyEnd gibt. Am Ende dringt die Gruppe in eine Krankenversicherungskonferenz ein und streut die Asche von Sean - er wollte es so - über die Besucher und ihr Essen. Neben einer sehr lebensbejahenden Atmosphäre schont der Regisseur seine Zuschauer aber nicht - er sieht zu beim langsamen Sterben des jungen Sean und agiert in diesen intimen Minuten überhaupt nicht politisch korrekt, was dem Film einen Widerhaken gibt, der mir aber dennoch imponiert. Einige Schlüsselszenen wirken nachhaltig. So ist einige Augenblicke die Seine bei Nacht plötzlich voller Blut und dieses markante Rot wirkt richtig unheimlich und verstörend, ähnlich wie manchmal unser Leben. "120 BPM" heißt übersetzt 120 Schläge pro Minute und meint die Geschwindigkeit der Clubmusik. In diesem Titel steckt natürlich auch etwas Symbolik bezogen auf das schnelle Leben dieser Menschen, die voller Angst mit ihrer Zeitbombe leben und andererseits auch ihre Zeit nutzen wollen um für ihr Anliegen zu kämpfen. In diesen frühen 90ern war dies oft ein Wettlauf mit der Zeit, am Ende stand der Tod. Regisseur Robin Campillos "120 Bpm" setzt die gute Qualität seines bisherigen Filmschaffens fort. Er schrieb Drehbücher für die Filme "Wer tötete Bambi ?" und "Die Klasse". Auch seine vorherige Regiearbeit "Eastern Boys" konnte schon voll überzeugen.



Bewertung: 7,5 von 10 Punkten. 

God´s own Country

























Regie: Francis Lee

Liebe auf dem Bauernhof...

"Sight and Sound" listet die britische Gay-Lovestory "God´s own Country" unter die besten Filme des Jahres 2017. Damit wird dem Independentfilm von Regisseur Francis Lee eine große aber auch verdiente Ehre zu Teil.  Sein Film spielt in der wilden und wunderschönen Landschaft von Yorkshire und der junge Nachwuchsschauspieler Josh O´Connor übernahm dabei die Hauptrolle des etwas mürrischen und homosexuellen Schafzüchters Johnny Saxby. Der Regisseur wollte soviel Authentizität wie möglich und so bereitete sich der Akteur auf seine Rolle vor, indem er auf verschiedenen Bauernhöfen wochenlang mitarbeitete. Diese Arbeiten umfassten auch die Ablammung und das Trockenmauern - dies war auch im Drehbuch vorgesehen. Die Arbeit auf dem Bauernhof begeisterte ihn so sehr, dass er auch nach den Dreharbeiten weiterhin guten Kontakt zu diesen Bauern pflegt, die er kennenlernte.
"God´s own Country" wirkt sehr echt und nie aufgesetzt - kein Wunder, denn der Regisseur wuchs selbst auf einem Bauernhof auf. Möglicherweise hat er persönliche Erlebnisse in diese Geschichte eingebaut - er konnte damit auch eine Nominierung als bester britischer Film bei den British Film Awards gewinnen. Bei den British Independent Awards lief es noch besser. Von den insgesamt 9 nominierungen konnte der Film den Hauptpreis Bester Film erringen - auch Hauptdarsteller O´Connor wurde ausgezeichnet, genauso wie das Drehbuch, dass Francis Lee schrieb.
Der Film macht gar nicht soviel Worte und aufgrund der betörenden wie herben Landschaftsbildern kann man "God´s own Country" auch als einen echten Bilderfilm bezeichnen. Vergleiche zum populären Gay NeoWestern "Brokeback Mountain" können gezogen werden, jedoch ist "God´s own Country" viel bodenständiger und auch etwas versöhnlicher mit den schwulen Kerlen. Denn sie werden von ihrer homophoben Umgebung nicht zu passiven Opfern der Anpassung, sondern irgendwann kämpft der Bauernjunge sehr robust und beherzt für sein Glück. Mich hat der britische Film an den deutschen Verwandten "Stadt Land Fluß" von Benjamin Cantu erinnert. Dieser 2011 gedrehte Film setzt auch auf das Thema "Schwule Liebe auf dem Bauernhof" und wirkt ähnlich authentisch. Nur die Protagonisten sind jünger und erfahren ihre erste Liebe. In Francis Lees Film haben die beiden Männer schon reichlich - auch eher bittere - Erfahrungen hinter sich.
Sex holt sich der junge Johnny (Josh O´Connor) meistens an anonymen Orten. Auf der Toilette im Pub mit einem Studenten (John McCrae) oder auf Auktionen, bei denen Tiere verkauft werden. Dort hat er einem Typen (Harry Lister Smith) sein Interesse signalisiert und kurze Zeit später treffen sie sich im Stall zu einem Quickie. Glücklich ist Johnny dabei aber nicht. Er würde gerne aus seinem Alltag auf dem Bauernhof ausbrechen. Seine Mom ist früh gestorben und für seinen Dad (Ian Hart) ist die Arbeit nach einem Schlaganfall sehr schwierig geworden. So bleibt alles an dem Jungen hängen. Jeder Tag gestaltet sich gleich. Harte Arbeit, die Oma (Gemma Jones) kocht für die Männer und ist genauso schweigsam wie Johnnys Vater.
Immerhin hat der Vater entschieden, dass für die die nächsten Tage ein rumänischer Leiharbeiter (Alec Secareanu) auf dem Hof mitarbeiten soll. Das passt Johnny gar nicht - er zeigt sich dem Fremden, der Gheorge heißt, zuerst sehr abweisend. Er beschimpft den Ausländer als Zigeuner, doch die beiden kommen sich näher...


Gerade dadurch, dass vieles gar nicht ausgesprochen wird, macht die Geschichte noch viel interessanter. Vieles bleibt auch ungesagt, aber der Zuschauer versteht dennoch - wie auch die Protagonisten. Dabei wirkt die Natur machmal sogar etwas magisch, wie wenn sie ein bisschen Einfluss auf das Schicksal der Menschen in ihrer Umgebung haben könnte. Gute Darstellerleistungen sind gegeben, der Film wurde in Yorkshire gedreht. Diese Landschaft hatte bereits der englischen Schriftstellerin Emily Bronte als Kulisse für den weltberühmten Roman "Wuthering Heights" gedient.



Bewertung: 7,5 von 10 Punkten.

Donnerstag, 8. Februar 2018

Sein Leben in meiner Gewalt

























Regie: Sidney Lumet

Die Misshandlung....

"Sein Leben in meiner Gewalt" ist ein sehr spröder und beklemmender Film des US-Regisseurs Sidney Lumet, der 1973 in England gedreht wurde. In Lumets Filmographie ist er den besonderen Filmen zuzuordnen, denn neben sehr publikumswirksamen Kinoerfolgen wie "Die 12 Geschworenen", "Mord im Orient Express" oder "Verdict" hatte der "Meister des Justizfilms" auch immer schon ein gewisses Faible für unbequeme kontroverse Filme, wie beispielsweise die stark psychologisch geprägten "Ein Haufen toller Hunde" (militärischer Thrill), "Equus - Blinde Pferde" (Sexuelle Perversionen). Auch "Sein Leben in meiner Gewalt" gehört dazu - das von einem Verhör eines Polizisten mit einem verdächtigen Kinderschänder erzählt. Am Ende wird das Spiegelbild, dass der Polizist erkennt, ausschlaggebend dafür sein, dass er seinen Aggressionen freien Lauf lässt.
Eine fabelhafte Rolle für Sean Connery, der schon während und auch nach seiner Bond Zeit damit kämpfte von diesem einseitigen Image weg zu kommen. Er spielt seine Rolle hervorragend.  Der Film macht es dem Zuschauer, der von einem Thriller unterhalten werden will, nicht gerade einfach. Erschwert wird der Zugang ausserdem von der sehr theaterlastigen Inszenierung, die gleich nach den ersten Sequenzen am Tatort für den Rest der Geschichte prägend sind.
Wir erleben dann das besagte Verhör, ein bisschen durch einen Filter verzerrt und sehen den Verdächtigen (Ian Bannen) am Boden liegen, alles ist voll von Blut und Sergeant Johnson (Sean Connery) kann es selbst nicht glauben, dass er den Mann fast zu Tode geprügelt hat. Sein Vorgesetzter hofft für ihn, dass der Verletzte durchkommt - er wird ins Krankenhaus gefahren. Völlig fertig mit den Nerven kommt er nachts heim. Seine Frau Maureen (Vivien Merchant) erwacht und erkennt gleich, dass was nicht stimmt. Den ihr Mann trinkt und sie versucht ihn davon abzuhalten. Mit der Ehe steht es nicht zum Besten, aus dem Gespräch erfährt man, dass schon lange Zeit eine echte Krise besteht. Die nächste Sequenz zeigt dem Zuschauer die Befragung des suspendierten Johnson - inzwischen ist der Verdächtige im Krankenhaus verstorben - mit dem Kriminaloberrat Cartwright (Trevor Howard). Der wirft ihm vor, dass Johnson nach 20 Jahren Polizeidienst völlig ausgebrannt ist und berufliches und privates nicht mehr voneinander trennen kann. In einer Art 3. Akt zeigt Lumet als Höhepunkt das Verhör mit dem mutmasslichen Vergewaltiger der Kinder. Dabei erkennt am Ende eines verbalen Schlagabtausch mit dem Verbrecher, dass er selbst ähnliche Gewaltphantasien in sich trägt. Geschockt von dieser Erkenntniss gerät der Polizist ausser sich vor Rage und schlägt zu...



Die Beschreibung zeigt eindrucksvoll den verstörenden Inhalt,  mit dem Sidney Lumet sein Publikum konfrontiert. Natürlich gelang ihm mit diesen anspruchsvollen Thriller-Ambitionen in Kammerspieloptik im Kino kein großer Erfolg. Auch die Filmkritiker waren nicht begeistert. "Sein Leben in meiner Gewalt" erhielt sehr schlechte Kritiken und hat  erst nach vielen Jahren ein bisschen mehr Publikumsgunst erarbeitet. Sidney Lumets Ziel war es die Tragödie des Individuums aufzuzeigen, das von einer Gesellschaft abgelehnt wird, weil genau dieser Einzelne eine Hand auf die Wunde der Anderen legt. Eigene Fehlhaltungen werden auf die Minderheit projiziert



 Bewertung: 7 von 10 Punkten.