Sonntag, 31. Oktober 2021

The 800



 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Regie: Guan Hu

Kampf um Shanghai... 

Durch Corona gelang es erstmalig in der Filmgeschichte, dass zwei asiatische Filme die erfolgreichsten Blockbuster des Jahres wurden. Auf Platz 1 kam mit einem Umsatz von 474 Mio. Dollar der japanische Anime "Demon Slayer" von Haruo Sotozaki, Platz 2 belegt der chinesische Historienfilm "The 800" des Regisseurs Guan Hu mit 461 Mio. Dollar Einspielergebnis. Der erfolgreichste US-Film "Bad Boys for life" verpasste sogar das Treppchen und kam nach "My People, My Homeland" (China) nur auf Platz 4.
In den Kategorien Kamera (Cao Ju) und Szenenbild weißt "The 800" ein extrem hohes Niveau aus. Man muss jedoch damit klarkommen, dass die Geschichte um die Verteidigung des Sihang Warehouse von Shanghai vom 26. Oktober bis 1. November 1937 extrem pathetisch und heroisch inszeniert wurde. In Guan Hus Film stirbt jeder chinesische Soldat am Ende als Held, selbst wenn die Geschichte dem Zuschauer vorher einige ängstliche Deserteure präsentiert hat.
Dieses Datum markierte den Anfang vom Ende der dreimonatischen Schlacht von Shanghai in der Eröffnungsphase des Zweiten Chinesich-Japanischen Krieges. Shanghai war zu dieser Zeit eine Stadt, in der ausländische Kolonialmächte eine Hohzeit über einzelne Stadtviertel, s.g. Konzessionen, hatten. Diese Viertel blieben von den japanischen Angriffen weitestgehend verschont. So bietet der Film einen total bizarren Kriegsschauplatz. Nur der Huangpu-Fluss trennt die Stadt beinahe schon in "Himmel" und "Hölle" - während auf der einen Seite die Menschen auf der Uferpromenade flanieren und auf einem öffentlichen Platz die Chinesische Oper auftritt, wird auf der anderen Seite scharf geschossen. Dort haben sich 452 mutige chinesiche Soldaten der 88. Division des NRA unter dem Kommando von Oberst Xie (Chu Du) im Shiang-Lagerhaus verschanzt, um die Angriffe der extrem überlegenenen japanischen 3. Divisionsarmee mit ca. 20.000 Mann standzuhalten. Ein selbstmörderisches Unterfangen, bei dem sogar ein paar Jungs im Teeniealter (Zhang Yunyi und Zhang Youhao) mitkämpfen. Die beiden Burschen können gut mit dem wilden, weißen Pferd umgehen, dass immer wieder aus dem Lagerhaus ausbricht und durch die Stadt reitet. Ein paar Deserteure sind auch dabei, der junge Duan Wu (Oho Ou) wird auch als solcher verdächtigt, dabei beschuldigt man ihn zu Unrecht. Er wird aber im Laufe der Belagerung noch eindrücklich beweisen können, dass er ein wahrer Held ist. Irgendwann beschließt Xie die Wichtigkeit des Hissens der chinesichen Flagge auf dem Dach des Gebäudes. Eine Entscheidung, die die Japaner sicher nicht erfreuen wird und auch für die meisten den sicheren Tod bedeutet. Doch er sieht darin ein Symbol für alle Chinesen, dass es eine Ehre ist. für die Heimat zu kämpfen. Die Presse ist zugegen und in dem sicheren Viertel auf der anderen Seite sind auch internationale Beobachter...





Tatsächlich hatte Xie Recht, denn für die chinesen war diese auswegslose, aber für Tage erfolgreiche Verteidigung moralischer Trost und vor allem begann damit eine Stärkung der eigenen Truppenmoral.
Plötzlich wollten die Menschen für ihr Land kämpfen. In einigen Szenen untermauert der Regisseur diese Wende, indem er drei Studenten zeigt, die sich auf die andere Seite des Flusses, zu den kämpfenden Soldaten, schlagen. Alle drei finden kurze Zeit später den Tod. Auch der Bruder der Sängerin, gespiel von Li Jiuxiao, entscheidet sich spontan für eine Heldentat, die ihm wohlwissend das Leben kostet. "800" war die Zahl der Verteidiger, die der Oberst der Presse angab, in Wahrheit waren es aber nur diese 452 Mann, die am Ende im Kugelhagel vernichtend geschlagen werden. Somit ist "The 800" die chinesische Variante von anderen bekannten Heldengeschichten im Sinne von David und Goliath. "Alamo" von John Wayne beispielsweise, wo einige mutige Patrioten in der kleinen Mission gegen das Riesenheer von Diktator Santa Ana kämpfen, aber auch Zack Snyders "300", wenn sich 300 Spartaner gegen die Übermacht des Perserkönigs Xerxes stellen. 
 





Bewertung: 7 von 10 Punkten. 

Mank


 

 

 

 

 

 

 

 

 

Regie: David Fincher

Das Drehbuch von "Citizen Kane"....

"Mank" ist ein Film von David Fincher und damit ist der deutsch-jüdischstämmige Drehbuchautor Herman Mankiewicz (1997 bis 1953) gemeint, dessen jüngerer Bruder Joseph Mankiewicz (wird in Finchers Film von Tom Pelphrey gespielt) ebenfalls im Filmgeschäft war und gleich hintereinander zwei Regieoscars (Ein Brief an drei Frauen, Alles über Eva) gewann. Herman, zwar in New York City geboren, studierte aber an der Columbia University in Berlin. Während dieser Zeit in Deutschland hatte er eine Anstellung bei der "Chicago Tribune". In den USA zurück war er zuerst Theaterkritiker am Broadway und ging wie sein Bruder nach Hollywood. Berühmt wurde er als Drehbuchautor für den vielleicht besten Film aller Zeiten: Orson Welles "Citizen Kane".  Fincher führt sein Publikum zurück in diese Zeit, in der 30er Jahren war zwar die große Depression, doch von der großen Armut im Lande merken die Filmschaffenden nur wenig. Allerdings müssen sie auch durch den Rückgang der Kinozahlen auch mit Gehaltsstreichungen rechnen. Der Autor wird von dem wandlungsfähigen Gary Oldman gespielt, der hier eine der besten Leistungen seiner Karriere abliefert. "Mank" ist in erster Linie ein Film für Cineasten, denn das Thema befasst sich mit der Entstehung dieses fabelhaften Drehbuchs, Anfang der 40er Jahre und führt den Zuschauer in diversen Rückblicken zurück ins Hollywood der 30er. Ein Jahrzehnt, in dem der unbequeme Drehbuchautor Bekanntschaft mit vielen Hollywoodgrößen dieser Zeit macht. So beispielsweise Ben Hecht (Jeff Harms), Chaplin (Craig Robert Young), David O. Selnick (Toby Leonard Moore), Irving Thalberg (Ferdinand Kingsley) und Louis B. Mayer (Arliss Howard). Er lernt auch den einflussreichen Zeitungsverleger William Randolph Hearst (Charles Dance) und dessen Frau, die Schauspielerin Marion Davis (Amanda Seyfried)  kennen. Hearst ist einer der einflussreichsten Zeitungsmenschen, der besitzt die größte Zeitungskette des Landes und zählte in den 30er zu den reichsten Männern der Welt. Hearst wird auch Mankiewicz Hauptvorbild und Hauptinspiration für "Citizen Kane". Da "Mank" schwer alkoholkrank ist, sorgt Orson Welles (Tom Burke), der das noch nicht fertiggestellte Drehbuch des Autors, verfilmen will, für eine ruhige und abgeschiedene Atmosphäre. Ohne seine Frau Sarah (Tuppence Middleton) wird er auf der abgeschiedenen Ranch "North Verde" in Victorville das Skript in 60 Tagen vollenden, unterstützt von der britischen Sekretärin Rita Alexander (Lily Collins) und der Haushälterin und Köchin Freda (Monka Gossman). Gelegentlich schaut auch Produzent John Houseman (Sam Troughton)  vorbei, um zu schauen, dass der Zeitplan von dem unberechenbaren Schreibgenie auch eingehalten wird....






Es war natürlich klar, dass diese Exkursion in eine längst vergangene kinoepoche ein sicherer Kandidat für die Academy Awards werden. Der Netflix Film erhielt 10 Oscarnominierungen: Bester Film, beste Regie David Fincher, bester Darsteller Gary Oldman, beste Kamera Erik Messerschmidt, beste Nebendarstellerin Amanda Seyfried, bestes Szenenbild, Beste Filmmusik, bester Ton, bestes Kostümdesign und bestes MakeUp. Am Ende sprangen duch den Sieg in den Kategorien Kamera und Szenenbild zwei Trophäen heraus. Diese Siege sind auch total gerechtfertigt, denn die Arbeit des Chefkameramanns und der Art Directors Donald Graham Burt und Jan Pascale sind überwältigend. Für das normale Publikum ist die Geschichte vielleicht zu sehr weg vom Kommerzgedanken, es ist in erster Linie ein Film für Leute, die den Film lieben und sich auch ein wenig in der Filmhistory auskennen. Gary Oldman zeigt einmal mehr seine Wandlungsfähigkeit.






Bewertung: 9 von 10 Punkten. 

 

Die Banden von Marseille


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Regie: Olivier Marchal

Polizisten und Gangster...

Die Filme des französischen Polizeithrillerspezialisten Olivier Marchal sind stylish und cool. 2004 drehte er den vielbeachteten "36 - Tödliche Rivalen" mit den Kinolieblingen Daniel Auteuil und Gerard Depardieu. Vier Jahre später entstand "MR 73 - Bis dass der Tod dich erlöst", wieder mit Auteuil und Philippe Nahon (bekannt aus Gapar Noes "Menschenfeind"). Es folgte "A Gang Story" mit Gerard Lanvin in der Hauptrolle. Lanvin spielt auch im 2020 gedrehten Nachfolger "Banden von Marseille" mit, der im Original den Titel "Bronx" dreht und die unkonventionelle Arbeit eines Spezialteams bei der Polizei zum Thema hat. In einer kleinen Nebenrolle ist Claudia Cardinale als Oberhaupt einer Maifafamilie zu sehen. Sie wird irgendwann zu einem der Polizisten sagen "Wir sind im Grunde gleich, der einzige Unterschied ist eure Polizeimarke.
Der Film fängt bereits drastisch an. Ein Mann läuft die Treppe in einer Villa herunter, vorher waren einige Schüsse zu hören. Er sieht einen Hund im Erdgeschoss, schaut ihn irgendwie wehmütig an und schießt ihn brutal tot. Dann fürht ihn sein Weg zur Terasse, wo er niederkniet, eine Knarre ans Kinn setzt und....Szenenwechsel: Richard Vronski (Lannic Lautry) und seine Männer Willy Kapelian (Stanislas Mehrhar), Max Beaumont (Kaaris) und Zach Damato (David Belle) haben den Auftrag den Gefangenen Paul Maranzano (Gerard Levin) in ein anderes Gefängnis zu überführen. Auf der Fahrt dorthin, bittet der Verbrecher Vronski um einen Umweg. Er würde sich gerne von seiner Frau im Krankenhaus noch ein letztes Mal verabschieden. Sie liegt dort mit Krebs  im Endstadium, im Sterben. Vronski gewährt diese Ausnahme, obwohl es ein Vergehen nach den Sicherheitsstandards ist. Die Frau bittet am Totenbett ihren Mann um Erlösung, der sie mit einem Kissen erstickt. Vronski protestiert zuerst, lässt aber gewähren. Szenenwechsel: Auf einer Party exekutiert eine Gang eine Handvoll Teilnehmer. Dann taucht die Polizei auf. Rizzo (...) , einem der Attentäter, gelingt die Flucht nicht mehr, er mischt sich jedoch unter die zahlreichen Opfer der Aktion. Der Polizist Costa (Moussa Maskri), der mit Gangstern gemeinsame Sache macht, tötet Rizzo während der Vernehmung und lässt es wie Notwehr aussehen. Unmittelbarer Vorgesetzter des Spezial-Quartetts ist Georges Campana (Patrick Catalifo), der seinen Mitarbeitern meistens freie Hand lässt, wenn sie wie ohne Skrupel, mit viel Aggression und Gewalt auf Verbrecherjagd gehen. "Auge um Auge" - so deren Motto. Im Privatleben der Polizisten läuft nicht alles rund. Willys Frau (Ambre Pietri) will ihren Mann verlassen, da er nie zuhause ist und ständig fremd geht. Vronskis Frau (Erika Sainte) lebt in ständiger Angst, dass ihrem Mann etwas zustößt. Weil in Marseille der Bär steppt, wird mit Ange Leonetti (Jean Reno) ein neuer Polizeidirektor eingesetzt, der die Ordnung wieder herstellen soll. Auch seine Tochter Manon (Barbara Obsomer) arbeitet auf dem Revier. Dann wird ein Attentat auf die Polizisten verübt, was dazu führt, dass das Quartett eine unerlaubte Aktion durchführt, die gründlich daneben geht. Ein verdeckter Ermittler kommt dabei ums Leben. Die Aktion könnte zur Suspendierung, ja sogar zu einer Haftstrafe führen. Dann schickt die Generalinspekion auch noch eine zähe Untersuchungsbeamtin (Catherine Marchal), die vor Jahren schon mal mit Vronski liiert war...




Mit dem ursprünglich fürs TV inszenierten Actionkracher "Bronx" kehrt Regisseur Olivier Marchal zu seinen Grundlagen zurück: Verbeulte Charaktere, moralische Dilemmata, die Verwüstungen der Korruption, Blutsbande. Dazu eine wahre griechische Tragödie gespickt mit mehreren vernichtenden Actionszenen. "Bronx" hat ein atemloses Tempo bis zum Finale, dass alles andere als hoffnungslos stimmt. Thematisch pendelt der Regisseur in seinem Genrekino immer wieder hin zum tatsächlich brutalen Zeitgeschehen in den Metropolen des Landes. 
 




Bewertung: 7,5 von 10 Punkten. 

Mittwoch, 27. Oktober 2021

Memoir of a Murderer


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Regie: Won Shin-Yun

Tagebuch eines Mörders, das zur Erinnerung dient...

Vorhang auf für einen sehr aussergewöhnlichen Serienkillerfilm aus Südkorea: "Memoir of a murderer" heißt der Thriller von Regisseur Won Shin-yun, der 2017 in die nationalen Kinos kam und bereits nach nur 5 Tagen über eine Million Besucher zählte. Der Film spielte landesweit ca. 15 Millionen Dollar und steht ganz in der Tradition der neuen Thriller-Klassiker des Landes wie beispielsweise "Memories of a murder" von Bong Joon Ho aus dem Jahr 2003, "I saw the Devil" von Kim Jee-Woon (2010) oder der 2008 realisierte Erstling von Na Hong Jiin "The Chaser"
Der Originaltitel lautet übersetzt "Tagebuch eines Mörders, das zur Erinnerung dient" und basiert auf dem Roman von Kim Young-Ha.
In der Geschichte steckt eine ganze Menge von Suspence und genau wie dem Protagonisten Byeong-Soo (Sol Kyung-Gu) wird dem Zuschauer der Boden unter den Füßen weggezogen. Es liegt daran, dass der Mann mit Alzheimer Diagnose sich immer schlechter erinnern kann. Vor allem das Kurzzeitgedächtnis macht ihm immer mehr einen Strich durch die Rechnung. Ausserdem hatte Byeong-so vor genau 17 Jahren einen Autounfall, der sein Leben ab diesem Zeitpunkt völlig umkrempelte und er seine Passion nicht mehr ausübte. Seine Leidenschaft war bis zu diesem Zeitpunkt das Töten. Bereits als Teenager (wird Shin Ki-Joon gespielt) wird er zum Mörder seines gewalttätigen Vaters (Jung In-Gyeom), der nicht nur ihn dauernd verprügelte, sondern auch seine Schwester (Kim Hye-Joon) und die eigene Frau (Choi yoo-Song). Ab diesem Zeitpunkt wird der Teenager zum Serienmörder, er sieht sich als Helfer für unterdrückte Menschen und ermordet einfach deren Peiniger. Die Leichen vergräbt er im Wald. Er heiratet und die Familie bekommt eine Tochter, die Eun-He (als Kind: Sjin Rin-Ah, als Erwachsene Kim Seol Hyun) heißt. Irgendwann stirbt die Mutter und Byeong-Soo wird zum Alleinerziehenden. Er führt nach aussen ein ganz normales Leben, aber heimlich lässt er das Töten nicht. Doch nach dem Unfall hört schlagartig damit auf. Jetzt nach 17 Jahren hat er diese gravierenden Gedächtnislücken. Er wird von seiner Tochter gepflegt, manchmal besucht er seine Schwester, die als Schwester Maria (Gil Hae-Yeong) im Kloster lebt. Im Ort verschwinden neuerdings wieder Frauen. Der Ermittler (Oh Dal Su) geht davon aus, dass der selbe Serienkiller sein fieses Hobby wieder aufgenommen hat. Aber Byeon-Soo kann sich nicht erinnern für diese neuen Taten verantwortlich zu sein. Eines Tages passiert ihm ein Auffahrunfall mit einem anderen Verkehrsteilnehmer, bei dem sich durch den Aufprall der Kofferraum öffnet und ein schwarzer Sack zu sehen ist, daraus tropft Blut. Der Unfallgegner (Kim Nam Gil) und der EX-Serienkiller schauen sich nur kurz an, dann ist für Byeong-soo klar, dass sein Gegenüber der gesuchte Serienmörder ist. Doch ist seine Wahrnehmung durch Krankheit und früherem Unfall getrübt ? Denn der junge Mann arbeitet bei der Polizei und es stellt sich gar heraus, dass er seit kurzem mit Eun-He befreundet ist...




Es beginnt eine wilde Achterbahnfahrt der Erinnerungen und Wahrnehmungen und sehr oft funktioniert das Gedächtnis nur noch ganz, ganz schlecht. Dann schließen sich nach und nach wieder ein paar Lücken im Gedächtnis, doch es ist nicht sicher, wem Byeong-soo noch trauen kann. Vor allem nicht sich selbst ? Der Regisseur spielt mit dem Zuschauer und inszeniert die Geschichte furios bis zum Ende. Auch vom Schlagabtausch der beiden Männer profitiert der Film, sie spiegeln sich phasenweise gegenseitig, was auch psychologisch interessant ist. Trotz seiner ernsten Themen besteht der Spaß hauptsächlich darin, sich von den unzähligen Twists und Wendungen mitreißen zu lassen und dem Mysterium auf die Spur zu kommen. Dabei bleibt er spannend bis zum Ende, das es dann tatsächlich schafft, einem noch ein letztes Mal die Kinnlade runterklappen zu lassen.




Bewertung: 9 von 10 Punkten.

Nomadland


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Regie: Chloe Zhao

Die Reise...

Chloe Zhao ist die Regisseurin des ungewöhnlichen Roadmovies "Nomadland", der bei der Oscarverleihung 2021 als bester Film ausgezeichnet wurde. Die gebürtige Chinesin konnte sich auch in der Kategorie "Bester Film" durchsetzen und ist damit die 2. Frau nach Kathryn Bigelow für "Hurt Locker", die einen Sieg davontrug. Für die Hauptdarstellerin Frances McDormand wurde es ebenfalls ein riesiger Triumph, denn sie wurde zum dritten Mal (nach "Fargo" und "Three Billboards outside Ebbing, Missouri") als beste Schauspielerin mit einem Academy Award geehrt. Damit gehört sie zum erlauchten Kreis der weniger Schauspieler, die bereits mehr als zweimal diese begehrte Trophäe gewinnen konnte. Katherine Hepburn ist nach wie vor die am meisten dekorierte in den "Schauspielkategorien", sie gewann insgesamt vier Mal. Auf drei Siege kommen nur noch Walter Brennan, Jack Nicholson, Daniel Day Lewis und nun auch Frances McDormand.
Chloe Zhao ist eine Art Multitalent, denn sie hat diesen "Bilderfilm" geschrieben, mitproduziert und auch selbst geschnitten. Basierend auf dem Sachbuch "Nomadland: Surviving America in Twenty-First Century" von Jessica Bruder aus dem Jahr 2017 spielt McDormand eine im Lieferwagen lebende, arbeitende Nomadin, die ihr Zuhause verlassen hat, nachdem ihr Ehemann gestorben ist und nun auch noch die einzige Industrie in ihrer Heimatstadt "Empire" geschlossen hat. In dieser Geisterstadt, die nun auch keine eigene Postleitzahl mehr hat, hat das Leben aufgehört. "Nomadland" ist alles andere als ein Kommerzfilm, der Film strahlt von Anfang an eine besondere Atmosphäre aus, er wirkt meditativ und elegisch auf den Zuschauer. Freunde, die auf Handlung und Dramatik stehen, könnten vielleicht Mühe mit diesem ruhigen Film haben, denn er plätschert dahin wie ein ganz ruhiger Fluß. Für mich ein beeindruckendes Werk, in der die beiden Stimmungen "Verlust/Niedergang" und" Freude am Leben, Hoffnung"  nebeneinander bestehen und so die Geschichte schweben lässt.
Eine Reihe von echten Nomaden wurden für die Nebenrollen besetzt.
Fern hat die Sechzig inzwischen überschritten und den Job im Gipswerk verloren, denn es hat für immer geschlossen. Ihr Mann ist schon vor einiger Zeit verstorben. Die Frau verkauft ihr Hab und Gut und kauft sich von diesem Geld einen Van, um darin zu leben und das Land zu bereisen, immer auf der Suche nach Jobs. Im Winter nimmt sie einen Saisonjob in einem Amazon-fulfillment-Center an. Auch ihre Freundin Linda (Linda May) arbeitet dort. Linda macht Fern auf den Nomaden Bob Wells (Bob Wells) aufmerksam, der ein Treffen für Nomaden in Arizona organisiert hat. Wells leitet ein Unterstützungssystem für andere Nomaden und hilft Anderen, wo er kann. Fern scheint auch ganz zufrieden mit ihrem neuen Leben zu sein - einer Freundin, die es schlimm fand, dass sie nun obdachlos sei, entgegnete sie "das bin ich nicht, ich bin nur wohnungslos, das ist was anderes". Als moderne Nomadin führt sie jedoch ein Leben ausserhalb der gängigen Konventionen. Einer der anderen Nomaden ist David (David Strathairn), der sich für Fern interessiert...





Auf dieser Reise (der Weg ist das Ziel) lernt die Frau andere entwurzelte Menschen kennen, die ebenfalls keine Heimat mehr haben. Die kranke Swankie beispielweise, die nur noch wenige Monate zu leben hat oder den noch sehr jungen Derek, der mit dem Rucksack unterwegs ist. Kameramann Joshua James Richards fängt extrem gute Bilder von der Natur und der Landschaft ein, denn sie ist eng mit der Identität dieser Menschen verbunden, durch die Natur besteht die Möglichkeit einen neuen Platz im Leben zu finden. Es ist ein Zugang, den der moderne Mensch in all der Hektik und dem Stress sowie der immer weiter fortschreitenden Technisierung - vor allem in den Städten - verloren hat. Daher ist der Film nie destruktiv, er zeigt trotz des Verlustes der Heimat neue Felder der Hoffnung.
Der talentierten Filmemacherin ist ein tief-menschliches, authentisches Abbild einer Subgesellschaft gelungen, die plötzlich vor dem Ruin standen und für die im System kein Platz mehr bereitgestellt wurde.





Bewertung: 9 von 10 Punkten.