Regie: Jan Ole Gerster
Einfach treiben lassen...
Niko Fischer (Tom Schilling) hängt einfach nur rum und lässt sich treiben
vom Motor der Metropole Berlin. Seinen Vater (Ulrich Noethen) hat er
verheimlicht, dass er das Jurastudium schon lange geschmissen hat. Wäre ja auch
doof, denn dann wären 1.000 Euro elterliche Unsterstützung weg. Doch an diesem
Tag wird die Kontokarte eingezogen. Da hilft nur ein Anruf. Ansonsen schaut der
Endzwanziger und Tagträumer was die Stadt noch so an Komischem und Tragischem
heute zu bieten hat. Ok, zuerst mal zum "Idiotentest", weil auch der
Führerschein eingezogen wurde. Hoffentlich sind nicht alle Psychologen so krank
wie dieser anmaßende Aggressor (Andreas Schröders). Auf den Misserfolg einen
Kaffee, doch der ist in dieser Bar zu teuer. Es geht weiter abhängen mit dem
Freund und Schauspieler Matze (Marc Hosemann), so schauen die beiden bei
Dreharbeiten zu einem NS-Film zu. Wenig später treffen sie auf Julika
(Friederike Kemper)), eine ehemalige Mitschülerin von Niko, die die beiden
einlädt zu einer Avantgarde-Theateraufführung, in der sie mitspielt. Bevor die
Nacht in Berlin zu Ende geht, kriegt Niko noch eine aufs Maul und landet alleine
als einsamer Wolf in einer Bar, dort erzählt ein besoffener Gast (Michael
Gwisdek) von seiner Kindheit im dritten Reich. Der Ausklang findet im
Krankenhaus statt...
Jan Ole Gersters "Oh Boy" ist ein sehr schöner Städtefilm. In exzellenten
s/w Aufnahmen gelingt dem Kameramann Philipp Kirsamer eine Weltklassearbeit. Die
Tragikomödie ist perfekt aufgebaut und hält durchgehend eine schöne, teils
unbekümmerte, teils schwermütige Melancholie. Einerseits ist viel Leere vom
heutigen Großstadtmenschen eingefangen, aber auch der emotionale Durchbruch, der
durch die Menschen erreicht wird, indem sie sich einander flüchtig und dennoch
sehr intentiv begegnen und einander wahrnehmen. Für mich eine der besten
deutschen Filme der letzten Jahre, es ist eine Art berliner Variante zu Woody
Allens großartigem New York Portrait "Manhattan" geworden. Tom Schilling spielt
genial, er wirkt authentisch und bietet viele Identifikationsmöglichkeiten. Im
Grunde spielt er so einen Tagträumer von der Art eines Antoine Doinel, der
weltbekannten Filmfigur von Francois Truffaut. Und wer weiß: Vielleicht greift
Gerster ja die Idee auf in einigen Jahren eine Fortsetzung zu drehen,
interessant wäre es auf jeden Fall wie es mit Filmfigur Niko weitergeht.
Bewertung: 9 von 10 Punkten.
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