Sonntag, 26. März 2017

Flucht nach Varennes

























Regie: Ettore Scola

Historische Kutschenfahrt...

Am 19. Januar 2016 verstarb der italienische Regisseur Ettora Scola im Alter von 85 Jahren in Rom. In Erinnerung wird er vor allem durch die Filme "Ein besonderer Tag" und "Le Bal - Der Tanzpalast" bleiben. Er galt als sehr politischer Filmemacher, der sehr stark war Geschichte lebendig zu erzählen. Von dieser Machart ist auch der 1982 gedrehte französisch-italiensische Beitrag zur französischen Revolution: "Flucht nach Varennes" erzählt von diesem Fluchtversuch des französischen Königs Ludwig XVI. und seiner gesamten Familie aus dem revolutionären Paris in der Nacht vom 20. auf den 21. Juni 1791.  Ziel des Königs muss wohl Metz gewesen sein, aber sie endete in den kleinen Ort Varennes. Die Garde Nationale führte die Kutsche nach Paris zurück, wo der König zuerst suspendiert wurde, danach aber wieder im Amt belassen wurde. Die Abgeordneten hatten zu diesem Zeitpunkt keine Alternative zur geplanten Einführung einer konstitutionellen Monarchie. Der Fluchtversuch wurde vorerst als "Entführung" tituliert. Doch das Ereignis spaltete die Revolutionäre. Das Mißtrauen gegen den Monarchen wuchs, er wurde dann 1792 abgesetzt und am 21. Januar 1793 in Paris geköpft.
Ettora Scola erzählt von der Flucht, kommt aber beinahe ohne den König aus. Von ihm sieht man nur einmal die Beine und einmal darf Hanna Schygulla vor der Robe des Königs einen Hofknicks machen. Ansonsten erlebt der Zuschauer eine Inszenierung, wie ein Reporter sie erlebt. Und dieser Reporter ist der scharfsinnige Chronist Nicolas Edmond Restif de la Bretonne (Jean-Louis Barrault), der in Paris als Schriftsteller, Drucker, Enzyklopädist und Verfasser erotischer Romane einen gewissen Namen hat. Dieser sieht durch Zufall einen hektischen und nervösen Aufbruch vor dem königlichen Palast. Eine Komtesse (Hanna Schygulla) und ihr Diener Monsieur Jacob (Jean Claude Brialy) tragen mit in der Nacht ein großes Gepäckstück bei sich und es sieht so aus als würden die beiden im Zusammenhang stehen mit einer Kutsche, die mitten in der Nacht den Palais Royal verlässt. Bei einem Besuch im Bordell bekommt Nicolas noch einmal Informationen, die seinen Verdacht erhärten, der König könnte Paris heimlich verlassen haben. Als am Morgen die Komtesse samt Diener auch zu den Reisenden einer Kutsche Richtung Lothringen gehören, entschließt sich Nicolas mitzufahren. Doch die Kutsche fährt ohne ihn los. Auch der berühmte Thomas Paine (Harvey Keitel), einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten reist in dieser Kutsche mit. Neben Adligen auch ein junger revolutionärer Student (Pierre Malet). Genug kontroverser Gesprächsstoff über das damals aktuelle Zeitgeschehen ist gegeben. Nicolas mietet sich ein Pferd und verfolgt die Kutsche. Unterwegs begegnet er auf gleicher Straße dem alternden Chevalier de Seingalt (Marcello Mastroianni), besser bekannt unter seinem Namen "Casanova". Als Casanovas Kutsche einen Achsbruch hat, bestehen die Damen der regulären Postkutsche (Andrea Ferreol; Laura Betti), dass die beiden Herren unbedingt mitgenommen werden sollen...



Am Ende steht dann die förmliche Verhaftung des Königs durch Abgesandte der Nationalversammlung, die Bevölkerung der kleinen Stadt verfolgt neugierig dieses Spektakel bis tief in die Nacht hinein...Fackeln beleuchten den ganzen Ort.
Das sind schon klasse Szenen, die sehr authentisch wirken. Man hat beinahe das Gefühl selbst Zeitzeuge dieses Geschehens zu sein. Vorher ließ sich der Regisseur ausgebiebig Zeit mit Beobachtungen, Vermutungen, Diskussionen die von den Reisenden in der Kutsche thematisiert werden. Sie wägen beinahe schon differenziert ab, welche Vorzüge die neue Strömung der Revolution zur Folge hat, aber welche alten bewährten Gesetze aufrechterhalten werden müssten. Zusätzlich zeigt Scola auch die Emtionen der einzelnen Menschen dieser sonderbaren Reisegesellschaft. Am Ende erzählt die bisher so souveräne Komtesse Sophie de la Borde von ihrer Angst und von ihrer Begeisterung für den König. Einen Wermutstropfen hat allerdings die deutsche DVD-Version. Denn im Kino wurde wohl damals sehr viel gekürzt, diese Szenen sind jetzt untertitelt - aber es sind sehr viele. Noch dazu in italienischer Sprache und dies in einem Film über die französische Revolution. Sehr irritierend...ich empfehle daher den Film gesamthaft in der italienischen Version anzuschauen. Denn beinahe im Wechsel zweisprachig stört das Filmvergnügen doch etwas. Der Film selbst plätschert angenehm vor sich hin, Leute die Spannung erwarten, werden von "Flucht nach Varennes" eher enttäuscht sein.



Bewertung: 7,5 von 10 Punkten.

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