Freitag, 8. September 2017

Nashville

























Regie: Robert Altman

It don´t worry me...

Nashville im US-Bundesstaat Tennessee hat ca. 600.000 Einwohner und ist das Zentrum der amerikanischen Country- und Western Music. Eine der populärsten Musikgenres in den USA und gleichzeitig die Musik der "Rednecks, der Konservativen, der christlichen Fundamentalisten, der von der Wirtschaft im Stich gelassenen Unterschicht und der vielen Fernfahrer. In den Texten wird von Liebe, Familie, Kindern, Heimweh, Fernweh und Patriotismus gesungen und gefiedelt. In Downtown Nashville befinden sich zahlreiche bekannte Musik-Clubs und Bars, in den fast immer Live Musik gespielt wird. Aus der Stadt wird auch seit 1925 die berühmte Liveshow Grand Ole Opry, das älteste noch existierende Radio-Muskprogramm in den Staaten, das lange schon auch im TV übertragen wird. Wie konservativ die Zuschauer und Zuhörer dieser Show sind und waren lässt sich am Auftritt von Elvis Presley am 2. Oktober 1954 beweisen. Ihm wurde danach von den Machern der Show dringend empfohlen die Musikkarriere zu stecken und wieder Lastwagen zu fahren.
Technisch verstärkt wird das dort ständig ablaufende"24 Stunden Rund um die Uhr Spektakel" mit eigenen Slogans und Werbeslogans. In Robert Altmans scheinbar purem Dokustreifen "Nashville" aus dem Jahr 1976 kommen noch zwei Varianten dazu: Es ist Wahljahr und der Politiker Hal Philip Walker (Thomas Hal Phillips) hat Chancen mit seinen poplulistischen Reden ins Weiße Haus zu kommen und es laufen die Vorbereitungen für Amerikas große 200 Jahr Feier.
Dort in diesem Musikmekka dreht sich alles um den Traum ganz weit nach oben zu kommen, viele junge Musiker und Bands reisen in die Stadt, weil sie wissen, dass dort das Herz und der Schmerz Amerikas musikalischen Ausdruck erhält und der Rest des Landes mit dieser Stilrichtung vollgepumpt wird. Alles ist Schein hier, man kann Plastik nicht mehr von Fleisch und Blut auseinanderhalten, weil beides bereits eine Art Symbiose gebildet hat. In der ersten Szene des Films erlebt der Zuschauer den neuen Song des Topstars Haven Hamilton (Henry Gibson) im Tonstudio. "I pray my sons won't go to war -But if they must, they must. I share our country's motto And in God I place my trust. We may have had our ups and downs Our times of trials and fears. But we must be doin' somethin' right To last 200 years." - ein Übersong für die anstehenden Feierlichkeiten. Dabei hat der populäre Toupetträger seine Karriere zu einem lukrativen Familienunternehmen gemacht, der Sohn Bud (Dave Peel) ist gleichzeitig Manager seines berühmten Daddys. Er streitet sich auch mit den zwei singenden Ladys Connie White (Karen Black) und der privat sehr zerbrechlichen und labilen Barbara Jean (Ronee Blakely) um die Krone von Nashville. Inzwischen ist auch das Wahlkampfteam von Walker eingetroffen, der mit seinem dröhnenden Lautsprecherwagen seine nichtssagenden Phrasen an den Mann bringt. Der Wahlkampfberater John Triplette (Michael Murphy) versucht den Big Star Haven als Gouverneur zu gewinnen. Triplette findet die Musik, die hier in der Stadt gemacht wird, sehr rückständig - aber das neue anspruchsvolle Folkalbum von Bill (Allan F. Nichols), Mary (Cristina Rains) und Tom (Keith Carradine) findet er sehr gut. Tom ist aber ein Frauenheld aus Passion und ruft heimlich die verheiratete Gospelsängerin Linnea Reese (Lily Tomlin) an, damit ein Date zustande kommt. Zuerst ziert sich die Frau mit ihren beiden taubstummen Kindern, doch dann kommt es doch zu einem Seitensprung. Kein Wunder, denn Tom singt auf der Bühne "I´m easy" und die Verführung klappt - ihr Mann (Ned Beatty), örtlicher Wahlhelfer für den kommenden Mann im weißen Haus, ist zu beschäftigt um überhaupt was zu bemerken. Barbara Jean indessen ist nahe dem Nervenzusammenbruch, doch sie kann ihre zahlreichen Fans wie den noch jungen Vietnam Veteranen Glenn Kelly (Scott Glen) oder Kenny Frasier (David Hayward), der auch mit seinem Geigenkasten angereist ist und bei Mr. Green (Keenan Wynn) ein Zimmer genommen hat. Der hat Besuch von seiner Nichte Martha (Shelley Duvall) aus Kalifornien bekommen, doch Tante Esther liegt im Krankenhaus - im Nachbarszimmer der kränkelnden Diva Barbara Jean, die von ihrem robusten Mann (Allan Garfield) umsorgt wird. Als eher nervig entpuppt sich die aufdringliche BBC Reporterin Opal (Geraldine Chaplin), die soviele Prominente wie möglich hier interviewen will. Davon gibts ja genug. Zu einer Party draussen kommt mal kurz Elliot Gould vorbei, im angesagten Club trifft man auf die britische Schauspielerin Julie Christie und sagt mal kurz "Hallo".  In diesem Geflecht von 24 Menschen, die sich in den gezeigten 5 Tagen in Nashville mal immer wieder über den Weg laufen, sind auch die jungen Gesangstalente Suellen Gay (Gwen Welles) und Winifred (Barbara Harris), die ihre Auftrittschance denn auch tatsächlich bekommen...





Und Letztere zeigt dabei sogar ihr Riesentalent mit der tragischen Schlußnummer "It don´t worry me" - geschrieben von Keith Carradine. Das besondere der Songs liegt auch darin, dass die meisten Schauspieler die Lieder selbst geschrieben haben und nicht nur textlich passen sie vortrefflich zum Filmgeschehen, sie lenken sogar den Fluß der Handlung und dieser scheinbar banalen Geschichten dieser zwei Dutzend Schicksale, die hier in zahlreichen Handlungssträngen chaotisch miteinander kollidieren. Doch dies scheint nur so - tatsächlich hat Altman dieses Storygeflecht sorgfältig miteinander verwoben. Politik und Unterhaltungsindustrie werden dabei ihrer Oberflächlichkeit und Unehrlichkeit völlig entlarvt. Ein Messer in die Wunde populistischer Meinungsmache sowohl im politischen Geschäft als auch in den entlarvenden Texten dieser HeileWelt Musik und machen aus dem amerikanischen Traum eine Alptraum. Für Altmans Meilenstein des Episodenfilms gabs 5 Oscar-Nominierungen, darunter die Nebendarstellerinnen Lily Tomlin und Ronee Blakely. Auch Regisseur Altman wurde nominiert und auch in der Hauptkategorie "bester Film" kam "Nashville" unter die besten Fünf. Es gab aber am Ende nur eine Auszeichnung: "I´m easy" gewann als bester Filmsong.




Bewertung: 10 von 10 Punkten. 

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