Dienstag, 29. August 2017

Moonlight

























Regie: Barry Jenkins

Fehl am Platz...

Nachdem im Januar 2016 die Nominierungen für die Oscars feststanden wurde die Kritik laut, dass dunkelhäutige Darsteller nicht eine einzige Nominierungen erhielten. Und dies obwohl  es Darsteller wie Idris Elba (Beasts of No Nation),, Michael B. Jordan (Creed), Samuel L. Jackson (Hateful Eight) oder Will Smith (Erschütternde Wahrheit) durchaus verdient gehabt hätten. Viele schwarze Filmleute boykottierten daraufhin die Oscarverleihung - das Ergebnis war eine Korrektur der Regeln, um die Zahl von Frauen und Minderheiten wesentlich mehr zu berücksichtigen.
Ein Jahr darauf gewann dann tatsächlich ein Vertreter des Black Cinema den Hauptoscar als Bester Film. Barry Jenkins ambitioniertes Drama "Moonlight" triumphierte am Ende gegen Favoriten wie "La La Land" von Damiel Cazelle oder "Manchester by the Sea" von Kenneth Longergan. Man könnte diesen Sieg vielleicht abtun als Wiedergutmachungs-Oscar für Niederlagen im Vorjahr. Die gibts ja tatsächlich immer mal wieder  in der Geschichte der Academy Awards, aber mit "Moonlight" hat für mich tatsächlich auch der beste Film gewonnen. Er ist für mich neben dem leider völlig zu Unrecht ignorierten Ang Lee Meisterwerk "Billy Lynns long halftime Walk" der Film dieses Jahres und jetzt schon ein echter Klassiker.
In den frühen 90er Jahren hatte das Black Cinema eine große Zeit. Filmemacher wie John Singleton, Spike Lee oder die Hughes Brothers zeigten mit Werken wie "Boyz in the Hood", "Do the right thing" und "Menace II Society" das trostlose und kriminelle Ghettoleben junger Afroamerikaner in den Problembezirken von Los Angeles oder New York City. Diese Filme zeigten ein typisches Bild dieses jungen Schwarzen, der wenig Chancen hat ins bürgerliche Leben einzusteigen und dann irgendwann im Viertel mit Dealen seinen Lebensunterhalt verdient. Jeder 21. schwarze Amerikaner wird ermordet - fast immer von anderen schwarzen Amerikanern - so der Slogan zum Film "Boyz in the Hood". Die Misere wurde fast ab unveränderliches Schicksal geschildert. John Singleton hat aber mit seinem 2001 realisierten Film "Baby Boy" einen etwas mutigeren Weg eingeschlagen und kritisierte diese vielen jungen schwarzen Boys, die immer noch mit ihrer Mom zusammenleben, keine Verantwortung für sich und ihr Umfeld übernehmen und auch nicht auf die Idee kommen einer normalen Arbeit nachzugehen.
Barry Jenkins "Moonlight" bietet jetzt noch einen noch wesentlich brisanteren Blickwinkel auf diese Lebensläufe und ist damit in seiner humanen Aussage hochpolitisch in einem Amerika, dass gespalten wirkt. Populismus sowie Polizei- und Justizwillkür, auch ein Erstarken des rechten Lagers in den USA sorgt für eine neue Debatte über die Misere vieler schwarzer Bürger. Für das weiße Establishment existiert dieses Problem vor allem auch in statistisch belegbaren Zahlen über die hohe Kriminalität dieser Bevölkerungsgruppe. Die Gefahr besteht natürlich darin, dass durch das "Alle über einen Kamm scheren" hartnäckige  Klischees entstehen und sich  "Wahrheiten" daraus formiulieren, die keine sind -  es besteht leider die Gefahr die Entmenschlichung einer ganzen Bevölkerungsgruppe voranzutreiben.
"Moonlight" basiert auf dem Theaterstück "In Moonlight Black Boys looked Blue" von Tarrell Alvin McCraney und erzählt die Geschichte von Chiron in drei zeitlichen Abständen.
Als neunjähriger ist Chiron (Alex R. Hibbert) ein sehr ängstlicher Junge, der jeder Schlägerei aus dem Weg geht. Eines Tages versteckt er sich in einem Drogenhaus, weil er von einigen gleichaltrigen Jungs verfolgt wird. Dort wird er von dem aus Kuba stammenden Dealer Juan (Mahersalah Ali) gefunden, der ihn bei sich und seiner Freundin Teresa (Janelle Monae) übernachten lässt und am anderen Tag zurück zu seiner Mutter Paula (Naomie Harris) zurückbringt. Die scheint wenig dankbar, später stellt sich heraus, dass Mom cracksüchtig ist, wie so viele hier in diesem Problemviertel in Miami. Alle nennen Chiron "Little" und durch seine sanfte Art wird er immer wieder gemobbt. Selbst die Mutter beschimpft ihn als "Schwuchtel". Bei Juan findet er Verständnis und auch Kevin (Jaden Piner), ein gleichaltriger Junge, freundet sich mit ihm an.
Sieben Jahre später ist Chrion (Ashton Sanders) auf der High-School und mit seinem früheren Freund Kevin (Jharrel Jerome) hat er immer noch hin und wieder Kontakt, doch der hat einen festen Platz in der Clique, weil er als stark gilt. Chiron ist der Aussenseiter und immer wieder leidet er unter den Schikanen von Terrel (Patrick Decile). Mit Mädchen hat er keine Erfahrungen und sein erstes Mal hat er dann ganz zufällig am Strand von South Beach.  Als er eines Abends dort nachdenklich herumhängt, kommt Kevin dort vorbei. Sie rauchen gemeinsam einen Joint und dort kommt es zum ersten Sex von Chiron mit dem Draufgänger.
Es wird aber kein weiteres Treffen dieser Art geben, denn nach einer Schlägerei landet Chiron im Knast und 10 Jahre später lebt er als "Black" (Trevante Rhodes) in Atlanta. Im Knast hat sich der schmächtige Junge neu erfunden. Er sieht nun tatsächlich aus wie ein muskulöser, gefährlicher Ghettoboy und er dealt auch noch. Eines Tages bekommt er einen Anruf aus der Vergangenheit. Am anderen Ende der Leitung ist Kevin...






Barry Jenkins hat seinen Film in drei Kapitel unterteilt. Teil 1 ist dem kleinen Junge Little gewidmet, der eigentlich Chiron heißt und in Kapitel 2 ist er Teenager, der sich nicht ganz klar über seine Gefühle ist. Er versteckt sie auch vor der Aussenwelt, die ihn nicht akzeptiert, weil er anders ist. In Kapitel 3 hat er sich vordergründig den Erwartungen angepasst. Er hat sich als "Black" körperliche Stärke erworben, dennoch zeigt er am Ende des Films seine menschliche Natur und seine Verletzlichkeit. Diese subtile Machart hat der Regisseur intensiv in Szene gesetzt und alle drei "Chiron" Darsteller sind perfekt besetzt. Und dies obwohl sie sich tatsächlich gar nicht so ähnlich sind, ein weiteres Argument für die vielen Facetten, die in einem einzigen Menschen stecken können. Ein bisschen Coming out Film, aber dennoch vermittelt "Moonlight" andere komplexe Themen wie "Männlichkeit" oder "Identität". Vielleicht erreicht der Filmemacher durch sein kleines Meisterwerk eine Wende beim dunkelhäutigen Publikum, die selbst  festgelegten und von anderen verordneten Rollenmuster in Frage zu stellen. Als Filmsong wurde Barbara Lewis Klassiker "Hello Stranger" wiederentdeckt.






Bewertung: 9 von 10 Punktne.

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