Dienstag, 19. Juni 2018

Three Billboards outside Ebbing, Missouri














Regie: Martin McDonagh

Grelle Plakatwände, groteske Zeiten...

Schrill, Übertrieben mit viel Zeitgeist und ganz vielen Themen unserer Zeit - so präsentiert sich Martin McDonaghs dritte Regiearbeit "Three Billboards outside Ebbing, Missouri" (dtsch: Drei Plakatwände ausserhalb von Ebbing, Missouri" nach "Brügge sehen...und sterben" (2008) und "7 Psychos" (2012).
Der irische Dramatiker und Filmregisseur lässt sich also sehr viel Zeit für einen neuen Film und "Three Billboards outside Ebbing, Missouri" wurde in den USA begeisternd aufgenommen - weltweit spielte der etwas andere Heimatfilm bereits ca. 157 Millionen Dollar ein und bei der Oscarverleihung konnten die Hauptdarstellerin Frances McDormand und Nebendarsteller Sam Rockwell den Sieg erringen. Die fünf weiteren Nominierungen für den Film waren Bester Film, beste Drehbuch von Martin McDonaghs, Woody Harrelson als bester Nebendarsteller, die Musik von Carter Burwell und Bester Schnitt.
McDonaghs Bruder John Michael McDonagh dürfte den Filmfans ebenfalls bekannt sein. Von ihm stammen die irischen Filme "The Guard - Ein Ire sieht schwarz" und das hervorragende Dramedy-Movie "Am Sonntag bist du tot".
Den beiden Brüdern fehlt es jedenfalls nicht am schwarzen Humor und diese Eigenschaft bemerkt man auch in dem sonderbaren "Three Billboards outside Ebbing, Missouri" - inzwischen fanden die drei roten Plakatwände des Films auch Einzug ins reale Leben und dienten als Vorbild für ganz verschiedene Protestaktionen: Im Februar 2018 waren an der Themse drei dieser roten Wände zu sehen, die nach den 71 Toten aus dem Brand im Grenfell Tower fragten. Auch das Schulmassaker in Parkland blieb von der neuen Protest-Ästetik nicht verschont.
Vielleicht gehört es zu den Zeichen unserer Zeit, wer weiß ? Man könnte dem Filmemacher vorwerfen, dass er in seiner Mischung aus Rachethriller, Drama und Comedy ganz schön viele aktuelle Themen unserer Zeit streifen will. Dies gelingt aber nur ganz oberflächlich und es ist den Schauspielern zu verdanken, dass die Geschichte nicht ganz so stark von dieser Themensuppe erdrückt wird, denn die Figuren nehmen den Hauptpart ein. Da wäre eine verbitterte Frau, der örtliche Polizeichef und ein rassistisch geprägter Officer, die sich in der Gemeinde Ebbing bald einen Kleinkrieg liefern, in dem die gesamte Bevölkerung irgendwie aktiv oder passiv mitmischt.
Der Anlaß könnte nicht tragischer sein, denn in dieser beschaulichen Gemeinde in Missouri wurde vor 7 Monaten Angela (Kathryn Newton), die Tochter von Mildred Hayes (Frances McDormand) vergewaltigt und ermordet. Der Täter wurde nie gefunden, obwohl sich Sheriff Bill Willoughby (Woody Harrelson) sehr bemühte den schrecklichen Mord aufzuklären. Doch dies reicht Mildred nicht, die eh seit langem nicht mehr auf der Sonnenseite des Lebens steht. Ihr Mann Charlie (John Hawkes) hat sie jahrelang verprügelt und misshandelt, jetzt hat er mit der 19jährigen Penelope (Samara Weaving) eine Geliebte, die nicht viel älter ist als die tote Tochter Angela oder Sohn Robbie (Lucas Hedges), der noch zur Schule geht. Mildred mietet bei dem Werbungsverkäufer Red Welby (Caleb Landry Jones) für 5.000 Dollar monatlich die längst nicht mehr benutzten drei rieisgen Plakatwände auf der Landstraße nach Ebbing und bringt dort mit großen schwarzen Buchstaben auf rotem Grund die Sätze "Raped While Dying" "Still no Arrests" und "How come, Chief Willoughby" an. Dies sorgt natürlich für reichlich Ärger, um es mal vorsichtig zu formulieren und der an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankte Sheriff holt dann doch noch einmal die alte Akte über den Mordfall "Angela Hayes" hervor. Sein Officer Jason Dixon ist bekannt für seine cholerischen Ausbrüche - dies gekoppelt mit einem rassistischem Hintergrund (auch seine Mom, gespielt von Abie Cornish, lebt noch in der "guten alten Zeit" als die Weißen noch das Sagen hatten und man die Minderheiten foltern durfte) macht ihn irgendwie unberechenbar und er versucht Mildred zu schaden. 
Auch der örtliche Zahnarzt und auch der Gemeindepfarrer mischen sich ein und positionieren sich auf der Seite des sterbenskranken Gesetzeshüters. Dann passiert ein kleines Wunder. Ein anomymer Sympathisant zahlt Mildred die nächste Plakatmiete. Kurz danach macht Sheriff Bill mit seiner Frau Anne (Abbie Cornish) und seinen beiden kleinen Töchtern ein Picknick am See. Dann überschlagen sich die Ereignisse...




Und es tauchen drei Briefe des Sheriffs auf: Einen an seine Frau, einen an Mildred und der dritte bekommt sein Officer Jason Dixon. Diese drei Briefe bewirken auch einen gewissen Bruch im Film, der aber dem Gesamtbild interessanterweise kaum schadet - neben dem bislang vorherrschenden Stil wie in die Coen Brothers pflegen, kommt ein bissel was vom klassischen Kino des Frank Capra dazu, also eine märchenhafte Komponente, die zumindest bei einer Person eine Läuterung bewirkt. Die ist so gewagt und absurd, aber McDonagh zieht das Ganze mutig weiter und am Ende wird auch noch ein Statement in Richtung Law and Order, Selbstjustiz und Umgang mit sexuellen Gewaltverbrechern gesetzt. Zuerst mit einer Klarheit das Gesetz selbst zu sein, dann schwächt man diese Einschätzung etwas ab, weil man es gar nicht so genau weiß, ob das der auch tatsächlich der richtige Weg ist. Aber das Schlußbild mit dem Auto, dass an den drei Billboards vorbeifährt, prägt sich in den Kopf des Zuschauers ein. Einige meiner Bekannten waren von "Three Billboards" extrem begeistert, weil es dem Regisseur gelingt ganz schwierige Themen mit vielen befreienden Lachern zu zeigen. Ich selbst bin da etwas gespalten. Einige Szenen waren groß, etwa dann, wenn der Officer mit Mildred über das Foltern von schwarzen Verdächtigen diskutiert und dabei die korrekte Form wie man dunkelhäutige Menschen nennt, wichtiger erscheint als das Foltern selbst. Von solchen Widersprüchen lebt der Film und er deckt sie auch genüßlich auf. Manchmal ist aber auch Zuviel des Guten drin, wenn Mildred den armen Pfarrer wegen den sexuellen Mißbrauchsfällen der katholischen Kirche aus dem Haus wirft, weil der in der selben Gang ist wie die Täter.  Ich habe McDonaghs "Brügge sehen...und sterben" stärker empfunden, aber dennoch hat dieser Film auch gewisse Widerhaken, die zum Nachdenken anregen und in dem viel Zeitgeist und viele aktuellen Themen sichtbar werden. Beim Reflektieren und Ordnen bleibt der Zuschauer allerdings alleine. Und natürlich darf - trotz vieler Zoten und derben Sprüchen - auch die mystische Komponente nicht fehlen: Mildred begegnet einem Reh und denkt bei dieser Begegnung irgendwie an Reinkarnation. Passend zu einer vorigen Szene, in der sie einem kleinen Käfer, der auf seinem Rücken liegt, das Leben rettet.
Und die Moral von der Geschicht: Der Gesetzeshüter, ein Folterer der Schwarzen, kann auch ein guter Detective sein, weil er einer ehemaligen Feindin bei der Selbstjustiz beistehen will.
Ich denke man darf diesen schrillen Film nicht allzu ernst nehmen.





Bewertung: 8 von 10 Punkten.

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