Regie: Vincent Ward
Mittelalterliche Halluzinationen...
Cumberland, England im ausgehenden Winter des Jahres 1348: Der junge Griffin (Hamish McFarlane) ist hellseherisch begabt und lebt in einem kleinen Bergwerksdorf. Die Zeiten sind düster, die Dorfbewohner erzählen sich vom herannahenden schwarzen Tod, der bereits in den Städten grassiert.
Dabei zeigt die Seuche ihre entsetzlichen Auswirkungen auf sonderbare Weise. Sie begann nicht wie im Orient damit, daß allen Opfern als ein Zeichen des unausbleiblichen Todes das Blut aus der Nase rann, sondern kündigt sich morgens in der Leistengegend oder unter den Achseln mit gewissen Schwellungen an, die bis zur Größe eines Apfels anwachsen. Von diesen Körperteilen aus wandern diese todbringenden Pestbeulen in Kürze auf alle anderen Organe. Daraus werden gegen Abend schwarze und schwarzblaue Flecken, die sogenannten Vorboten des nahen Todes in den Nachtstunden.
Griffins großer Bruder Connor (Bruce Lyons) ist seit 36 Tagen unterwegs, um mehr zu erfahren. Im Dorf rechnet keiner mehr, nicht mal seine schwangere Frau, mit seinem Heimkommen.
Griffin hat Visionen. Er sieht eine brennende, fallende Fackel, die Nacht, den Vollmond, eine Leiter, eine große Kirche und die Dorfbewohner, die in der Erde buddeln. Eine Gestalt, die oben fast an der Kirchturmspitze der Kathedrale abstürzt, ein Hanschuh, ein kupfernes Kreuz.
Die anderen Dorfbewohner sind skeptisch, obwohl der Junge schon öfters treffende Zukunftsaussagen gemacht hat.
Während das Dorf noch verschneit ist, kehrt Connor zurück.
Er hat viel vom Tod und der Pest gesehen. Flüchtlinge auf Booten, die für Plünderer gehalten werden, müssen weggestoßen werden. Bald kommt die Dorfgemeinschaft zum Schluß, dass nur ein Gottesopfer Verschonung bringt. Die Erlösung scheint daher in der Vision des Jungen zu liegen. Diesem "Navigator" zu folgen, heisst eine Wallfahrt auf die andere Seite der Erde zu machen und genau den Bildern des Traumes zu folgen. Gesucht wird also die große Stadt und die höchste Kirchsturmspitze der Christenheit. Aber erst muß ein Loch in die Erde gegraben werden. Mit hölzernem Gerätschaft beginnt der mühselige Aushub. Begleiter des Jungen sind Connor, Searle (Marshall Napier), dessen Bruder Ulf (Noel Appelby), Martin (Paul Livingstone) und der Fährmann Arno (Chris Haywood)...
Der neuseeländisch-australische Fantasyfilm "The Navigator - A Mediaveal Odyssey" entstand 1987. Regie führte Vincent Ward. Was in der Beschreibung ausschliesslich mittelalterlich klingt, wird im Laufe der Handlung durch diesen gegrabenen Tunnel der mutigen Pilger zu einer Zeitreise. Denn in der Stadt fahren Autos und größte, erste Gefahr für die Männer ist die Überquerung der Autobahn in der Nacht.
Überhaupt spielt sich der Aufenthalt in der Stadt der Zukunft ausschliesslich in der Nacht ab. Die Sequenzen im Dorf sind in einem stimmungsvollen schwarz-weiss gefilmt, die Zukunft farbig - aber düster und dunkel.
Die fantasievolle Abenteuergeschichte ist sicherlich eine der außergewöhnlichsten und eigenwilligsten Zeitreisefilmen. Ward zeichnet die Welt des ausklingenden 20. Jahrhunderts im Vergleich zum Mittelalter als höllisches, völlig technisiertes Inferno - beinahe wirkt der Mensch untergeordnet der Maschine. Durch die mittelalterlichen Glaubens- und Lebensvorstellungen der Pilger entsteht ein Gegengewicht. Interessanterweise gelingt diese Zusammenführung sehr gut, der Film ist in keiner Weise unglaubwürdig. Bleibenden Eindruck machen auch die bildgewaltigen Kameraeinstellungen mit viel Close up der Dorfbewohner und den Machern gelingt es mit der aussergewöhnlichen und phasenweise faszinierenden Bildsprache ein düsteres Märchen über die Kraft des Glaubens zu schaffen.
Bewertung: 9 von 10 Punkten.
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