Mittwoch, 29. November 2017

Tee im Harem des Archimedes

























Regie: Mehdi Charef

Ein Tag im Viertel, ein Augenblick am Strand...

Einer der Nebenfiguren im Films "Tee im Harem des Archimedes" ist Balou (Charly Chemouny). Er war der Schulkamerad der Freunde Pat (Remi Martin) und Madjid (Kader Boukhanef), den beiden Hauptfiguren der Geschichte. Die Freunde können sich noch daran erinnern als Balou das Theorem des Archimedes an die Tafel schreiben musste und stattdessen "Tee im Harem des Archimedes" verstand und als er diesen kryptischen Satz aufschrieb, hagelte es eine Ohrfeige vom Lehrer.  Diese Szene zeigt eindrücklich die Ferne der beider Kulturen. Regisseur Mehdi Charef verfilmte dabei sein eigenes gleichnamiges Buch und gewann damit 1985 in Cannes den Preis des jungen französischen Kinos. Ausserdem gewann Charef einen Cesar im Jahr 1986 für das beste Erstlingswerk. Auch heute - nach mehr als 30 Jahren - ist sein Film genauso aktuell wie in seiner Entstehungszeit und ist eine Art Vorläuferfilm von Matthieu Kassowitz "La haine", der genau 10 Jahre später entstand. Ort der Handlung in beiden Filmen ist irgendein trostloses Wohnviertel am Rande von Paris und die Figuren sind junge Verlierertypen, die miteinander befreundet sind. Sie halten zusammen und kennen diesen Rassismus nicht, der das Land bewegt und Franzosen und Zuwanderer trennt. Im Ghetto sind sie nur stark, wenn sie zusammenhalten. Doch das Leben in den Banlieues ist hart für Madjid und Pat. Zum Alltag gehören die Arbeitslosigkeit, das Rauschgift, der Alkohol und Madjid wird vor allem ausserhalb seines Viertels mit der Ausländerfeindlichkeit konfrontiert. Es hat es viel schwerer einen Job zu bekommen. Seine Mutter (Saida Bekkouche) hält den Sprößling für eine Versager. Der Vater (Brahim Genahim) ist psychisch schwer krank und kann daher keiner geregelten Arbeit nachkommen. Madjid würde gerne Fahrlehrer werden, doch ohne französische Staatsbürgerschaft hat er keine Chance. So leben die Jungs in den Tag hinein. Sie halten sich mit Einbrüchen, Diebstählen, Zuhälterei und Prostitution über Wasser. Das Leben findet tagsüber draußen auf der Straße, am Abend in den Kellern der Hochhäusern statt. Dort ist der Jugendtreff, wo man ohne Ziel abhängen kann. Madjid ist auch in Pats Schwester Chantal (Nathalie Jadot) verknallt, der es jetzt etwas besser geht, da sie einen Job gefunden hat. Eines Tages klauen die Freunde einen Wagen und fahren ans Meer...



Eine Szene, die für kurze Zeit fast so wirkt, als könne man aus dem engen Käfig des Alltags ausbrechen. Doch der befreiende Blick aufs Meer ist eine Illusion, was sehr schnell klar wird und ehe man sich versieht ist man wieder mit beiden Beinen auf dem Boden der Tristesse angekommen. Die Location wird von Mehdi Charef sehr glaubwürdig eingefangen, alles wirkt echt und authentisch. Auch die beiden jungen Darsteller liefern eine klasse Leistung ab. Sehr schnell wurde "Tee im Harem des Archimedes" völlig zu Recht ein Kultfilm und dies ist er bis heute geblieben. Charef gelang eine realistische Beschreibung von Problemen in diesen Vierteln und sowohl Botschaft und Lösung bleiben aus, aber dafür liefert der Regisseur dem Zuschauer eine eindringliche Vision vom Überleben in dieser feindlichen Umgebung. Man wird zum Denken aufgefordert, denn die Bilder von La Courneuve, dieser Neubausiedlung im Norden von Paris, bleiben im Gedächtnis schon haften, auch die hohen quaderförmigen Gebäude, in denen die Menschen leben. Eine Landschaft aus Betonbergen und Betonschluchten. Behutsam werden die Helden dieser Umgebung vorgestellt in dieser alltäglichen Umgebung. Sehr schön eingegangen die Selbstverständlichkeit ihrer Freundschaft. Beide haben noch Mut und Phantasie, um dem Leben zu rotzen. Es sind Menschen, die sich im Augenblick vergnügen. Weil die Zukunftsperspektive unmöglich scheint.




Bewertung: 10 von 10 Punkten. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen