Dienstag, 11. Juni 2024

Beau Travail - Der Fremdenlegionär


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Regie: Claire Denis

Die Obsessionen des Feldwebels...

Die alle 10 Jahre stattfindene Umfrage von "Sight und sound" um die besten Filme aller Zeiten zu ermitteln, war 2022 stark geprägt von dem Wunsch auch weibliche Regisseure und ihre Arbeiten stärker zu berücksichtigen. So konnten diesmal Filme wie "Das Piano" von Jane Campion, "Cleo" von Agnes Varda" und "Beau Travail" von Claire Denis ausgewöhnlich gute Ergebnisse einfahren. Spitzenreiter wurde sogar "Jeanne Dillman" von Chantal Akerman, die sogar "Vertigo" von Alfred Hitchcock und "Citizen Kane" von Orson Welles auf die Plätze 2 und 3 verwies. "Beau Travail" kam bei der Umfrage auch in die Top 10 und landete auf Platz 7. Die Filme von Claire Denis heben sich deutlich vom klassischen Erzählkino ab. Ihre Art des Filmschnitts, bei der Pausen und Rhythmus wichtig sind, werden mit der Improvisation der Jazzmusik verglichen. Sie erzählt Geschichten oft nicht linear, sondern durch gleichwertig nebeneinander gestellte scheinbare Episoden bzw. Nebenhandlungen. Gesten, Blicke, Körperlichkeit und Musik haben einen hohen Stellenwert. Auf psychologischen Realismus wird verzichtet, die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit können verschwimmen und genau so ist auch ihr Meisterwerk "Beau Travail" aufgebaut, der Einblicke in das Leben der Fremdenlegion gibt.
Adjutant-Chef Galoup (Denis Lavant) von der französischen Fremdenlegion blickt von seinem Zuhause in Marseille aus auf sein Leben zurück. Er erinnert sich an seine Zeit in Dschibuti, wo er eine Abteilung unter dem Kommando von Kommandant Bruno Forestier (Michel Subor) anführte. Galoup bewunderte und beneidete viele von Forestiers Eigenschaften, darunter die offensichtliche Zuneigung der Männer, und trägt ein Armband mit Forestiers Namen. Galoup hat eine Freundin aus Dschibuti, und sie gehen oft tanzen. Eines Tages schließt sich ein neuer Rekrut namens Gilles Sentain (Gregoire Colin) Galoups Abteilung an. Galoup hegt eine unmittelbare und scheinbar irrationale Feindseligkeit gegenüber Sentain und schwört, ihn zu vernichten. Er fühlt sich von dem neuen Soldaten auf seltsame Art bedroht. Als Sentain einem anderen Soldaten, der zur Strafe gezwungen wird, in der Hitze des Tages ein großes Loch zu graben, eine Feldflasche mit Wasser reicht, schimpft Galoup mit Sentain und schlägt ihm das Wasser aus der Hand. Sentain schlägt Galoup, der sich rächt, indem er Sentain zur Strafe in die Wüste führt und ihm befiehlt, allein zum Stützpunkt zurückzulaufen. Galoup hatte jedoch zuvor Sentains Kompass manipuliert, wodurch dieser sich verirrte und in den trockenen Salzebenen vor Dehydrierung zusammenbrach. Sentain wird schließlich von Einheimischen gefunden und gerettet, kehrt jedoch nie zur Basis zurück und gilt als desertiert. Sein Kompass wird später von den Legionären bei einem lokalen Verkauf von salzverkrusteten Neuheiten gefunden und soll beweisen, dass Sentain tot ist. Unter der Annahme, dass Galoup Sentain entweder getötet oder versucht hat, ihn zu töten, wird Galoup von Forestier zu einem Kriegsgericht nach Frankreich zurückgeschickt, was seine Karriere in der Fremdenlegion beendet. Er macht sein Bett in tadelloser militärischer Manier, legt sich dann mit einer Pistole in der Hand darauf und liest laut den auf seine Brust tätowierten Satz:„Diene der guten Sache und stirb“. Der Film endet mit einer Sequenz von Galoup in einem Nachtclub in Dschibuti, wo er einen lebhaften akrobatischen Solotanz zu „The Rhythm of the Night“ aufführt....










Der Film und seine Geschichte sind inspiriert von der Kurzgeschichte "Billy Budd" von Herman Melville. Die eingeschworene Männergesellschaft wird von der Regisseurin äusserst interessant dargestellt. Dabei wirken die militärischen Übungen sowie alle anderen Ausdauer- und Kraftübungen mit nacktem Oberkörper wie die Aufführung eines Tanzes. Dafür wurde Choreograph Bernardo Montet engagiert, ganz nebenbei wird auch das Thema der verdrängten Homosexualität sichtbar, die Eifersucht und die Feindschaft des des Feldwebels kann nur dahingehend interpretiert werden. Claire Denis filmt die Männer in einer nie da gewesenen Sinnlichkeit und einer Mischung aus Naivität und Stolz. Die hohe Wertschätzung dieses Films ist sicherlich gerechtfertigt.









Bewertung: 9 von 10 Punkten.

Riff-Raff


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Regie: Ken Loach

Niedriglöhner...

Der britische Regisseur Ken Loach (Kes, Land and Freedom, Sweet Sixteen) hatte schon immer ein Herz für die Verlierer der Gesellschaft. Auch der 1991 entstandene "Riff-Raff" ist ein lebensnahes Portrait der Arbeiterklasse und der Unterprivilegierten des Königreichs. Den Begriff "Riff Raff" kann man mit "Gesindel" gleichsetzten. Die Geschichte spielt während der Regierungszeit von Margaret Thatcher und gewann bei der Vergabe des Europäischen Filmpreises den Hauptpreis als bester Film und Robert Carlyle wurde durch diesen Film einem breiteren Publikum bekannt, noch bevor er die Zuschauer in Filmen wie "Trainspotting" oder "Ganz oder gar nicht" begeistern konnte.
Er spielt Patrick „Stevie“ Logan, der auf der Straße in London schläft und Arbeit auf einer Baustelle sucht. Als Stevies neue Arbeitskollegen Larry (Ricky Tomlinson), Mo (George Moss)und Shem (Jim R. Colman) erfahren, dass er obdachlos ist, bieten sie ihm freiwillig an, eine leere Wohnung in einer nahegelegenen Wohnsiedlung zu suchen. Stevie lernt die irische Schauspielerin und Sängerin Susan (Emer McCourt) kennen, die sich durchs Leben schlägt. Diese zufällige Begegnung führt zu einer turbulenten Beziehung. Stevie trommelt einige Männer von der Baustelle zusammen, um Susan bei einem ihrer Kneipenauftritte zu unterstützen, bei dem sie "Always on My Mind“ singt. Das restliche Publikum ist zunächst feindselig,sie pfeifen und gröhlen... aber Larry bringt sie dazu, Susan für eine Zugabe zurückzurufen, und sie singt"With A Little Help From My Friends“, was dann durch diese Unterstützung viel besser ankommt. Susan willigt ein, in Stevies Wohnung zu ziehen, wo sie eine Zeit lang glücklich sind. Auf der Baustelle geht das Leben mit einer Reihe kleiner Eskapaden und geringfügiger Vergehen weiter. Larry vertritt lautstark seine linken Ansichten und seine Opposition gegen Margaret Thatcher und die regierende Konservative Partei. Niemand teilt seine Ansicht, dass Politik für ihre Lebenssituation wichtig ist. Unterdessen entlässt das Management Männer wegen geringfügigen Fehlverhaltens und die Sicherheit ist auf der Baustelle eher Nebensache. Die Männer arbeiten unter gefährlichen Bedingungen. Stevies und Susans Beziehung wird zunehmend angespannt, denn Susan neigt zu negativen Emotionen im Zusammenhang mit ihrem mangelnden beruflichen Erfolg. Stevie hingegen kann gefühllos und unsympathisch sein. Nachdem er seinen Namen im Radio gehört hat, erfährt Stevie, dass seine Mutter gestorben ist, und fährt zu ihrer Beerdigung nach Schottland. In seiner Abwesenheit beginnt Susan, Heroin zu nehmen, das von Jugendlichen auf dem Anwesen verkauft wird, wo die beiden leben. Dies führt zum Ende ihrer Beziehung und Susans plötzlichem Weggang. Larry wird von der Baustelle entlassen, nachdem er sicherere Arbeitsbedingungen gefordert hatte. Nachdem er im Scherz ein teures Telefongespräch mit dem Mobiltelefon des Chefs geführt hat, wird auch Shem entlassen (und wegen der darauf folgenden Körperverletzung verhaftet). Desmonde (Derek Young), ein junger Bauarbeiter, stürzt vom Dach des umgebauten Krankenhauses und verliert trotz Stevies und Mos Rettungsversuchen den Halt, stürzt zu Boden und wird schwer verletzt. Unfallursache ist ein unsicheres Gerüst, vor dem die Männer bereits gewarnt wurden. Stevie und Mo kehren mitten in der Nacht zurück und legen im Gebäude ein großes Feuer...





Sozusagen als Ausdruck des Protestes, der sich dann auch drastisch entlädt. Man kann den Film sogar ein bisschen als Komödie bezeichnen, aber es ist eine bittere, grimmige Komödie, bei dem das Lachen im Hals stecken bleibt. Tatsächlich waren einige der Darsteller auch im richtigen Leben als Bauarbeiter beschäftigt. Rosig ist die Zukunft dieser Protagonisten nicht, die Zeiten werden nicht besser.




Bewertung: 8 von 10 Punkten. 

Phantom of the Paradise


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Regie: Brian de Palma

Der Teufel im Rockpalast...

Noch bevor Regisseur Brian de Palma durch seine Erfolgsfilme wie "Schwarzer Engel", "Carrie", "Dressed to kill" oder "Blow out" zum Nachfolger von Alfred Hitchcock ausgerufen wurde, landete er mit seinem 1974 gedrehten Film "Phantom of the Paradise" eine Flop, der auch gleichzeitig eher schlechte Kritiken bekam.
Die Musik wurde zwar gelobt und so gab es in dieser Kategorie sogar eine Oscar- und eine GoldenGlobeNominierung. Im Laufe der Jahre wurde der Film aber irgendwie neu entdeckt und avancierte zu einem Kultfilm.
Der gefeierte Plattenproduzent Swan (Paul Williams) hört den Singer-Songwriter Winslow Leach (William Finlay), als dieser eine Eigenkomposition spielt, nachdem er einen Auftritt der Nostalgieband Juicy Fruits (Archie Hahn, Jeffrey Comanor, Harold Oblong) im Stil der 50er Jahre gespielt hat, die Swan produziert. Swan glaubt, dass Winslows Musik perfekt ist, um "The Paradise" zu eröffnen – Swans mit Spannung erwartete neue Konzerthalle – und lässt die Kompositionen von seinem rechten Mann Arnold Philbin (Gregory Memolli) stehlen, unter dem Vorwand, Winslow zu produzieren. Einen Monat später geht Winslow zu Swans Death Records, um sich nach seiner Musik zu erkundigen, wird aber rausgeworfen. Er schleicht sich in Swans Privatvilla und beobachtet mehrere Frauen, die seine Musik für ein Vorsingen proben. Eine davon ist Phoenix (Jessica Harper), eine aufstrebende Sängerin, die Winslow für perfekt für seine Musik hält. Nachdem er wieder rausgeworfen wurde, erkennt Winslow Swans Plan, das "Paradise" mit seiner von Swan gestohlenen Musik zu eröffnen. Als Reaktion darauf verkleidet er sich als Frau, um sich einzuschleichen und zu versuchen, mit Swan zu sprechen. Swan lässt Winslow verprügeln und des Drogenhandels beschuldigen. Winslow wird zu einer lebenslangen Haftstrafe im Sing-Sing-Gefängnis verurteilt und seine Zähne werden gezogen und durch Metallzähne ersetzt. Dies ist Teil eines experimentellen Gefangenenprogramms zur Verringerung von Infektionen unter den Insassen, das von der Swan Foundation finanziert wird. Sechs Monate später hört Winslow, dass die Juicy Fruits mit Swans Unterstützung eine mit Spannung erwartete Hitplatte mit seiner Musik aufgenommen haben. Nach einem Nervenzusammenbruch flieht er in einer Lieferkiste aus dem Gefängnis und bricht in das Gebäude von Death Records ein. Ein Wärter erschreckt Winslow, als er gerade die Platten und Pressen zerstört, woraufhin er ausrutscht und mit dem Gesicht voran in eine Plattenpresse fällt, die seine rechte Gesichtshälfte zerquetscht und verbrennt und auch seine Stimmbänder zerstört. Er schafft es gerade noch, aus dem Studio zu entkommen und fällt in den East River, als die Polizei eintrifft. Ein desorientierter und nun deformierter Winslow schleicht sich in die Kostümabteilung des Paradise, zieht einen langen schwarzen Umhang und eine silberne, eulenartige Maske an und wird zum Phantom des Paradise. Er terrorisiert Swan und seine Musiker und tötet beinahe die Beach Bums (ehemals Juicy Fruits, die Doo-Wop gegen Surfmusik eingetauscht haben) mit einer Bombe, während sie eine stark überarbeitete Version von Winslows eigenem Lied Faust spielen. Das Phantom stellt Swan zur Rede, der ihn als Winslow erkennt und dem Komponisten die Möglichkeit bietet, seine Musik auf seine Weise produzieren zu lassen. In einem speziell gebauten Aufnahmestudio stattet Swan das Phantom mit einem elektronischen Stimmapparat aus, mit dem es sprechen und singen kann. Swan bittet Winslow, seine Kantate mit Phoenix als Hauptdarsteller umzuschreiben. Obwohl Winslow zustimmt und einen Vertrag mit Blut unterzeichnet, bricht Swan den Deal, indem er Philbin sagt, dass er für Phoenix einen Ersatz sucht. Das Phantom vollendet Faust und Swan ersetzt Phoenix durch eine pillenschluckende männliche Glam-Rock-Primadonna namens Beef (Gerrit Graham) in der Hauptrolle von Winslows Faust und verbannt Phoenix in den Background. Swan stiehlt die fertige Kantate und sperrt das Phantom im Aufnahmestudio mit einer Ziegelmauer ein. Winslow entkommt und konfrontiert Beef in der Dusche und droht, ihn umzubringen, wenn er jemals wieder seine Musik aufführen würde. Beef versucht zu fliehen, wird aber von Philbin gezwungen, zu bleiben und mit der Band The Undeads (den Juicy Fruits/Beach Bums, die erneut als Glamour/Gothic-Act neu aufgelegt wurden) zu spielen. Während Beef auftritt, schlägt das Phantom, das sich in den Dachsparren versteckt, mit einem Bühnenrequisit auf Beef ein und tötet ihn unter Strom. Entsetzt befiehlt Philbin Phoenix auf die Bühne und sie ist sofort eine Sensation. Swan verführt Phoenix nach der Show in ihrer Garderobe mit dem Versprechen, ein Star zu werden. Als sie geht, wird sie vom Phantom auf das Dach entführt. Das Phantom verrät Phoenix seine wahre Identität und fleht sie an, das Paradies zu verlassen, damit Swan sie nicht auch zerstört. Phoenix erkennt ihn jedoch nicht, glaubt ihm nicht und flieht. In Swans Villa beobachtet das Phantom Swan und Phoenix in enger Umarmung..









Brian de Palma hat sein Horrormusical mit den Versatzstücken von "Faust", "Das Bildnis des Dorian Gray" und "Phantom der Oper" ausgestattet.
Obwohl man eine Wendung in der Handlung erwarten kann, ist es unmöglich zu erraten, wie die nächste Szene aussehen oder welchen Rhythmus sie haben wird. De Palmas Timing ist manchmal mutwillig unvorhersehbar und dämpfend, aber meistens hat es einen Auftrieb durch eine verwegene Wendung. 
 








Bewertung: 7,5 von 10 Punkten.