Samstag, 18. Oktober 2014

Spiel mir das Lied vom Tod















Regie: Sergio Leone

Es war einmal im Wilden Westen...

"Spiel mir das Lied vom Tod" wirkt ungefähr so als würde man in der Oper Spaghetti essen - allerdings im Zeitlupentempo und ist vielleicht sogar Sergio Leones größter Filmtriumph, obwohl dies ja bei so vielen Meisterwerken wie "Für eine Handvoll Dollar", "Für ein paar Dollar mehr", "Zwei glorreiche Halunken" oder "Es war einmal in Amerika" gar nicht so einfach zu entscheiden ist. Jedenfalls hat der viel zu früh verstorbene Filmemacher bei seinen vielen Fans die Sehnsucht auf das neue Land geweckt, hier in seinen Filmen spürt man noch die Illusion eines amerikanischen Traums. Erstmalig inszenierte der Italiener in Amerika und damit im auch sagenumwobenen Monument Valley, den Amis auch als John Ford Country ein Begriff. Nicht nur die Schlußszene als Claudia Cardinale zum Brunnen geht und die wahrscheinlich beste Filmmusik der Welt einsetzt hat epische, ja überlebensgroße Dimensionen. Die Kamera fährt zum Himmel empor und umfasst in einer triumphalen Totale das größte "Wow" den die Kinoleinwände je präsentieren konnten. Jedem war klar: Genau das war die Geschichte Amerikas. Diese Geschichte um den Eisenbahnbau und natürlich um die bedinungslose Rache, die grenzenlose Gier und dem vielen Morden. Diese Geschichte hat Leone als Traum inszeniert - als Zuschauer hat man das Gefühl selbst ein Immigrant zu sein, der als Neubürger nun mit seinen Füßen das Land betritt. Und dazu braucht es die große Leinwand um dies emotional auch richtig zu feiern.
Dabei standen Leone mit Bernardo Bertolucci und Dario Argento berühmte Drehbuchmitautoren zur Verfügung, es wurde ihm ein Budget von 5 Millionen Dollar bewilligt.
Statt Clint Eastwood, bisheriger Hauptdarsteller seiner Western, bekam aber Charles Bronson den Zuschlag als "Mundharmonika". Ausserdem bekamen Jason Robards und Henry Fonda Hauptrollen in den Film, was Lezteren, endlich mal den Bösewicht spielen zu dürfen, besonders freute. In den USA floppte der Film allerdings - was vielleicht daran lag, dass die Produzenten den Film für die Kinoauswertung stark kürzten und dem Zuschauer die Handlungselemente nicht mehr ganz schlüssig vorkamen. In Europa avanchierte der Film sehr schnell zu einem Riesenerfolg - was nicht nur an der Erstauswertung lag, sondern an den zahlreichen Wiederaufführungen, die in den 70er Jahren regelmässig stattfanden. So wurde der Western auch in Deutschland mit 13 Millionen Zuschauern zu einem der erfolgreichsten Kinofilme aller Zeiten.
Der Kunstgriff des Films ist es, dass er seine im Grunde sehr einfach strukturierte Geschichte nicht durch hektische Aktionen erzählt, sondern durch bewusste Verzögerungen. Die verschiedenen Motive werden geschickt verzahnt und erst am Ende fügen sie sich als diese Einheit zusammen, für die dieser Ausnahmefilm bekannt wurde. Er ist aus einem Guß....die Einstellungen sind oft quälend lang und entladen sich dann in einer plötzlichen Eruption oder aber sie mündet in einen der sehr sparsam eingesetzten Dialoge, die man nicht vergisst...




 Am Anfang steht das Warten auf dem Bahnsteig. Es ist das Szenario aus "High Noon" nur noch dreckiger und staubiger. Denn als blühendes, geordnetes Städtchen kann man die Haltestelle, den Bahnhof nicht bezeichnen. Dort in dieser Gegend herrscht noch Hektik und alles riecht nach Aufbau des neuen Landes. Noch ist alles Wüste. Dort warten drei Revolverhelden (Woody Strode, Jack Elam, Al Mulock) im Auftrag des Killers Frank (Henry Fonda) auf einen Fremden (Charles Bronson), der Frank hierher an den Bahnhof bestellt hat. Doch Frank ist verhindert, denn er und seine Bande, die in ihren langen Staubmänteln die Gegend terrorisieren, haben sich schon rund um die kleine Ranch von Frank McBain (Frank Wolff) und dessen drei Kindern (u.a. Enzo und Simonetta Santaniello) versammelt. Denn McBain ist dem Eisenbahnerbauer Mr. Morton (Gabriele Ferzeti) ein Dorn im Auge - das wüstenähnliche Land von McBains ist nämlich in Wahrheit eine Goldgrube, da sich hier die einzige Wasserstelle weit und breit befindet. Die Killer löschen die ganze Familie aus, haben aber nicht damit gerechnet, dass McBain an diesem Tag seine neue Frau Jill (Claudia Cardinale) erwartet, die er vor einem Monat in New Orleans geheiratet hat. Sie kommt leider nur noch rechtzeitig zur Beerdigung und erbt den Besitz. Verdächtigt wird der Outlaw Cheyenne (Jason Robards) , dessen Bande modisch auch in Staubmänteln auftritt. Im Laufe der Handlung treffen sich die Hauptfiguren und es darf gerätselt werden, warum "Mundharmonika" so besessen ist Frank zu treffen. Auch Jill selbst geht mit jedem der drei Männer eine Art Beziehung ein....
In Sergio Leones Film treffen Charles Bronson als namenloser Racheengel und Henry Fonda als Frank, dem Killer mit dem Pokerface und den eisblauen Augen als Kontrahenten aufeinander. Der Showdown ist die Summe der vorherigen Begegnungen und es wird klar, dass man Rache auch bis zum Exzess auskosten kann. Das Bild des Reiters, der dann für immer verschwindet, macht den Traum noch deutlicher. Alle Szenen sind akribisch genau durchdacht und haben sogar Ballettcharakter. Langsam schreiten Killer auf das Haus zu, die Schritte sind bedächtig und sogar langsam gewählt, dazu der Score von Morricone, der sehr oft den Dialog erfolgreich ersetzt.  Oder diese Szene mit der alles anfängt: Am Bahhof - die Killer warten minutenlang. Es passiert nichts. Einer ist genervt von einer Fliege, dem anderen fallen Wassertropfen von der Decke auf den Kopf. Der Zug trifft ein. Kann es sein, dass der Reisende gar nicht kommt ? Dann setzt die Mundharmonika-Musik ein und spielt das Lied vom Tod. Der Fremde fragt, ob er ein Pferd haben kann. Darauf antworten die Killer "Nein, sie hätten ja nur drei" und der Rächer erwidert "Stimmt nicht, ihr habt zwei zuviel". Solche Dialoge finden sich einige im Film, der immer mehr Szenen bietet, die ein breites Mosaik ergeben. Eine der besten Szenen ist die Attacke auf die McBains. Am Ende kommt der einzige Überlebende, der kleine Timmy, aus dem Haus gestürmt. Sieht dort am Boden seinen Vater und seine beiden Geschwister liegen - er blickt in die Augen von Frank, umgeben von seinen Schergen. "War das der Richtige, Frank ? " fragt einer der Männer. "Du sollst nicht meinen Namen nennen" entgegnet er diesem und die Mündung seiner Pistole geht in Richtung des kleinen Jungen. Ein Schuß - Szenenwechsel - das Geräusch des Schußes ist übergegangen in das Pfeifen einer Lokomotive, die die neue Szene einläutet.
Eisenbahn, Wüste, Wasser, das sind die äußeren Bedingungen, unter denen die Handlung des Films spielt. Das Urbahrmachen eines neuen Landes durch die Pioniere und deren Geist.
Dieser Übergang von der alten Welt zur neuen Welt, wie er die beteiligten Personen überrollt, wird in dem Film dargestellt. In der alten Welt regierte die Waffe, das Gesetz des Stärkeren und in der neuen Welt das Geld - was noch stärker macht.
Der Untergang dieser alten Welt ist nur die eine Seite des im Film dargestellten Prozesses. Denn der Untergang der alten Welt ist zugleich die Durchsetzung der neuen Welt. Doch diese neue Welt ist auf handelnde Personen angewiesen, die ihre Interessen verfolgen und in der neuen Welt neue Perspektiven für sich erkennen. Von diesem Wandel erzählt dieses große Epos.





Bewertung: 10 von 10 Punkten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen