Freitag, 17. Oktober 2014

Blow up





























Regie: Michelangelo Antonioni

Die Kamera in Augenhöhe...

Der großartige Kultfilm "Blow up" von Michelangelo Antonini zeigt im Grunde ein Geheimnis ohne Auflösung und geht dabei sogar noch einen Schritt weiter, indem er nach der obsessiven Untersuchung durch den Protagonisten die Frage stellt, ob es überhaupt ein Geheimnis gab ausserhalb dessen Vorstellungskraft. Also ein interessantes Spiel zwischen Schein und Sein. Der Film selbst spielt im Swinging London und dort lebt der vielbeschäftigte junge Starfotograf Thomas (David Hemmings). David ist nicht besonders sympathisch, denn sehr schnell wird ein großer Egoismus sichtbar. Darüberhinaus ist der Mann äusserst gelangweilt, selbst von den vielen hübschen jungen Frauen, die er tagtäglich ablichtet und von denen er zehn an jedem Finger haben könnte. Mit dem aufsteigenden Model Verusha (Veruschka von Lehndorff) macht er ein geiles Fotoshooting, bei dem man das Gefühl hat, dass es jederzeit in einen Geschlechtsakt einmünden könnte. Dazwischen cruist David mit seinem Cabrio durch die swingende Stadt, besucht Künstlerfreunde (Sarah Miles/John Castle) kauft obskure Antiquitäten, besucht in der Nacht ein Konzert der "Yardbirds"und vergnügt sich gelegentlich mit Möchtegernmodels (Gillian Hills/Jane Birkin), die alles tun würden, um von ihm fotografiert zu werden. Er lichtet die Schönen ab, als Ausgleich sucht er sich aber mit seiner Kamera immer wieder Objekte in der Stadt aus, die das Gegenteil vermitteln. Schäbige Gegenden oder arme Existenzen werden von ihm in einem Kunstfotoband festgehalten, den er bald veröffentlichen will. Thomas ist Teil dieser schrillen und grellen Subkultur voller Drogen, Mode und eitlen Selbstdarstellern. Dann bringt ein Parkbesuch, in dem er auf Motivsuche geht, eine Wendung in sein zwar erfolgreiches, aber leeres und unbefriedigendes Leben. Er beobachtet dabei heimlich ein Paar, die dort spazieren gehen. Als die Frau (Vanessa Redgrave) bemerkt, dass sie fotografiert wird, stellt sie den Voyeur zur Rede und drängt auf die Herausgabe des Films. Doch Thomas sieht keinen Grund der Bitte nachzugeben. Noch am selben Tag besucht ihn die Frau in seinem Atelier. Das Interesse von Thomas wird immer mehr geweckt, auch an der geheimnisvollen Fremden, die eine Menge tun würde, um die Bilder zu bekommen. Er gibt ihr einen falschen Film und macht sich auf denFilm zu entwickeln. Bei der Vergrößerung (Blow up) dieser Bilder entedeckt er mit jedem weiteren Entwickeln fatalere Details - das verschwommene Gesicht eines Mannes im Gebüsch, einen Revolver und schliesslich einen Körper, der verkrümmt unter einem Baum liegt. Ist dort ein Mord geschehen ? In der Nacht fährt Thomas in den Park und entdeckt tatsächlich diesen leblosen Körper neben einem Baum liegen...



exakt diese Szene im Park mi dem Blätterrauschen hat Antonioni meisterhaft ohne Musik inszeniert. Für Freunde des Suspence wird sich diese Sequenz auf ewig ins Hirn einbrennen, so gut ist sie. Ein Film über die Ungewissheit - ob wirklich ein Mord geschehen ist bleibt am Ende dennoch ungewiss. Denn je extremer das Blow up, desto unschärfer wird das Motiv dabei. Ein Opfer gibt es aber mit Sicherheit - der Fotograf, der der Faszination seiner eigenen Bilder erliegt. Großartig diese Geschichte, die eigentlich keine ist, aber so mit dem Zuschauer vor sich hintreibt. Ein dynamisches Wechselspiel zwischen Subjektivität und Objektivität, Schein und Wirklichkeit. Dabei werden die Grenzen der Realität immer wieder auf den Kopf gestellt. Sehr effektiv dargestellt durch eine der letzten Szenen im Park, wo es bei einem pantominischen Tennisspiel auch um den imaginären Tennisball geht, einem Symbol für das Unfassbaren, der Ahnung.
Antonioni arbeitet auch mit dem Kunstgriff, dass es teilweise mehrere Minuten keinen Dialog gibt - dies erhöht aber die Spannung für den Zuschauer. Im Grunde ist der Fotograf Thomas auch ein Verwandter oder eine Weiterführung des Voyeurs Jeff in "Das Fenster zum Hof" - nur mit völlig anderer Dynamik. Jeff kommt bei seinen Studien ans Ziel, Thomas eher nicht - alles bleibt abstrakt und es bleibt die Frage offen, wie weit man den eigenen Sinnen trauen darf. Was bedeutet dieses Spiel mit Schatten und Lichtern ? Thomas ist vielleicht getrieben von der Vorstellung, dass in seinen Bildern etwas zu sehen ist, was bei oberflächlicher Betrachtungen niemandem sonst auffallen würde. Denn gerade er - als Fotograf, der das Leben aus der Kameraperspektive betrachtet- hat dieses Gespür für Details. Möglicherweise muss er lernen seinen eigenen Augen zu vertrauen ohne die sichere Distanz durch die Kamera zum Gegenüber.
Antonioni drehte diesen sehr zeitgeistigen Film, der wie ein Dokument seiner Ära wirkt, im Jahr 1966 auf dem Höhepunkt der Swinging Sixties und wurde mehrfach preisgekrönt.
Der hervorragende Film zeigt eindrücklich die Möglichkeit von Manipulation und ist für mich einer der ganz großen Filme der 60er Jahre.




Bewertung: 10 von 10 Punkten. 

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