Sonntag, 2. April 2017

Tschick

























Regie: Fatih Akin

Ein Auto klauen, um einfach abzuhauen...

"Ich träume oft davon ein Segelboot zu klaun und einfach abzuhaun", diesen Song sang Udo Lindenberg in Hark Bohms hervorragenden Coming of Age Film "Nordsee ist Mordsee". Der Film handelt von zwei jugendlichen Ausreißern, die gemeinsam abhauen. "Jetzt wollen wir doch mal sehen, wie weit die Reise geht und wohin der Wind mich weht. Es muss doch irgendwo ne Gegend geben, für so n´richtig verschärftes Leben und da will ich hin". Es ist kein Zufall, dass Fatih Akins Verfilmung des Jugend- und Abenteuerromans "Tschick" von Wolfgang Herrndorf an den Klassiker von Hark Bohm aus den 70ern erinnert. Denn Fatih Akin und Hark Bohm sind befreundet und Bohm fungierte als künstlerischer Berater in diesem Film. Auch Uwe Bohm, der in "Nordsee ist Mordsee" eine der beiden Jugendlichen spielte, ist in "Tschick" mit dabei. Er verkörpert Maik Klingenbergs Vater. "Tschick" war als Buch mit 2, 4 Millionen verkauften Exemplaren ein sehr erfolgreiches Buch. Auch der Film war erfolgreich, in Deutschland wollten beinahe 800.000 Zuschauer die Abenteuer der beiden jugendlichen Aussenseiter Maik Klingenberg (Tristan Göbel) und seines Klassenkameraden Andrej Tschichatschow, genannt Tschick (Anand Batbilek) sehen. Letzterer klaut einen himmelblauen Lada und nimmt seinen wohlstandsverwahrlosten Klassenkameraden Maik mit. Die Reise soll in die Walachai gehen, aber die beiden Ausreißer bleiben auf den Straßen in der ostdeutschen Provinz hängen. Aber wie fing das alles an: Maik ist der krasse Aussenseiter seiner Klasse. Seine Mutter (Anja Schneider) ist leidenschaftliche Tennisspielerin und noch leidenschaftlichere Alkoholikerin. Der Vater, ein erfolgreicher Immobilienmakler, hat ein Verhältnis mit seiner jungen Angestellten. Die Mutter macht oft Entziehungskuren, der Vater ist meistens auswärts. Maik hockt viel am PC rum und wird von den Mitschülern als "Psycho" oder "Freak" angesehen. Maik trifft es besonders hart, als er von seinem Schwarm und Mitschülerin Tatjana Cosic (Aniya Wendel) nicht zu deren Geburtstagsparty eingeladen wird. Scheinbar wurden alle anderen eingeladen...ausser ihm bekam aber der neue Mitschüler Andrej, der jetzt neben ihm sitzt, auch keine Einladung. Der Russlanddeutsche Junge ist hoch intelligent, aber schwer verwahrlost und wird von den Mitschülern auch gemieden. Aber Tschick (so wird Andrej genannt) bemüht sich immerhin Maik besser kennenzulernen. Der ist zunächst mal abweisend, aber als Tschick eines Tages mit diesem geklauten Auto vor der Türe steht, enschließt man sich spontan wegzufahren. Die Gelegenheit ist günstig: Mutter ist auf Enziehung und Vater auf 14tägigem Geschäftstermin. Unterweges haben die beiden jede Menge skrurriler Erlebnisse und als sie auf einer Mülldemponie die obdachlose Isa (Mercedes Müller) aufgabeln, ist es nicht mehr weit zum ersten Kuß für den unerfahrenen Maik...



Fatih Akins Film hat mich sehr begeistert, da er sehr leicht inszeniert wurde...dennoch hat man nicht vergessen das Roadmovie mit einem sehr schönen Anteil Melancholie aufzuwerten und die beiden Jungdarsteller Tristan Göbel und Anand Batbileg sind einfach perfekt ausgesucht worden, sie sind in jeder Szene total glaubwürdig und es macht eine Freunde sie auf dem schrägen Weg auf der Suche zu sich selbst zu begleiten. Musikalisch hat Maik eine alte Cassette mit Richard Claydermans "Ballade pour Adeline" beigesteuert und alles wirkt cool, witzig und real. Was Fatih Akin klasse gelingt ist dieser Blick auf die Jugend, auf diese unbeschwerte bis sooo schwere Zeit. Alles aufwühlende Gefühle im Spannungsfeld zwischen Leichtsinn, Waghalsigkeit, Verwirrtheit und größter Emotion. "Tschick" ist gesamthaft ein sehr poetischer, zärtlicher Film in der Verpackung einer Mischung aus Road-Movie und Coming of Age Geschichte. Ein dickes Lob auch an den Kameramann Rainer Klausmann, der klasse Bilder geschaffen hat. Ein wunderbarer deutscher Film mit magischer Wirkung auch für Erwachsene.




Bewertung: 9,5 von 10 Punkten. 

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