Samstag, 17. Juni 2017

Manchester by the Sea



















Regie: Kenneth Lonergan

Ewiges Schuldgefühl...

"Manchester by the sea" ist ein sehr trauriger Film des amerikanischen Regisseurs und Drehbuchautor Kenneth Lonergan (You can count on me, Margaret). Bei der Oscarverleihung 2017 wurde er mit 6 Nominierungen bedacht: Bester Film, beste Regie, bester Darsteller Casey Affleck, beste Nebendarstellerin Michelle Willams, bester Nebendarsteller Lucas Hedges und für das beste Drehbuch, das der Regisseur natürlich selbst verfasste.
Am Ende ging Casey Affleck als Sieger hervor und auch Kenneth Lonergan wurde für das beste Drehbuch mit einem Oscar ausgezeichnet. Überhaupt wurde das Drama, das gelegentlich mit lakonischem Humor aufgelockert wird, mit Preisen überhäuft.
Schon die ersten Bilder der Geschichte zeigen eine ausgesprochen triste Umgebung - Kameramann Jody Lee Lipes zeigt Boston im Winter und dort wohnt und arbeitet der schweigsame Lee Chandler (Casey Affleck) als Hausmeister in einem kleinen Wohnblock in einer eher ärmlichen Gegend. Er erledigt seinen Job, seine direkte und nicht gerade empathische Art ist nicht immer im Umgang mit den Mitmenschen hilfreich - die Mieter beschweren sich des öfteren und im Lokal fängt er grundlos mit einer Schlägerei an, wenn er zuviel Bier intus hat. Ein Einzelgänger, der nicht viel Kontakt mit seinen Mitmenschen haben will, auch die Avancen einiger Frauen interessieren den Mann nicht sonderlich.
An einem dieser Wintertage erhält Lee einen Anruf aus seiner Heimatstadt Manchester-by-the-Sea. Sein herzkranker Bruder ist einfach umgefallen und liegt im Krankehaus. Als Lee dort eintrifft ist der ältere Joe (Kyle Chandler) aber schon tot. Der geschiedene Bruder hinterlässt den 16jährigen Sohn Patrick (Lucas Hedges). Elise (Gretchen Mol), die alkoholkranke Mutter des Jungen hat die Familie schon seit längerem verlassen. Interessanterweise hat Joe in seinem Testament seinen jüngeren Bruder als Vormund für Patrick bestimmt - davon wusste Lee aber nichts und wird nun damit konfrontiert eine große Verantwortung zu übernehmen. Lee sträubt sich, denn da der Teenager sich weigert mit ihm nach Boston zu ziehen, müsste Lee wieder in Manchester-by-the-sea leben. Doch an dem Küstenort lauern an jeder Ecke schmerzhafte Erinnerungen an seine Vergangenheit.
Mit der Begegnung seiner erneut verheirateten und zudem schwangeren Ex-Frau Randi (Michelle Williams) steuert die Geschichte unweigerlich auf einen grausamen Schicksalsschlag aus der Vergangenheit zu...
Die tragische Vergangenheit von Lee und Randi wird in Rückblenden immer mehr sichtbar, eine Nacht wird das Leben dieser Menschen für immer tragisch verändern. Für den Zuschauer ein Schlag in die Magengrube. Erst jetzt versteht der Zuschauer warum Lee so reagiert - emotionslos, abwesend und wenn er was getrunken hat mit einem aggressiven Ausbruch. Seine Frau Randi versucht ein klärendes Gespräch, doch selbst das ist unmöglich. Zu groß ist das Schutzschild, das sich Lee in all den Jahren aufgebaut hat.
Dennoch hat Lee ein sehr schönes Verhältnis zu seinem Neffen, der nun so ne Art Ziehsohn ist. Rückblenden zeigen, dass der Junge schon als Kind ein inniges Verhältnis zu seinem Onkel Lee hatte.
Diese Szenen mit dem Youngster Lucas Hedges sind von lakonischem Humor geprägt - der Junge spielt Hockey, hat zwei Freundinnen (Kara Hayward/Anna Baryshnikow), die natürlich nichts voneinander wissen. Wie Lee bleibt er ruhig, bis auch er eine Panikattacke in der Küche bekommt.  Diese zweite Thematik macht das Drama vielschichtiger und man sieht den beiden Trauerernden manchmal gar nicht die Trauer an, die sie verspüren. So sehr sind sie damit beschäftigt einen normalen Alltag aufrechtzuerhalten...



Diesen Verdrängungsprozess hat Lonergan meisterhaft verfilmt.  Casey Affleck hat natürlich noch einen zweiten, viel dramatischeren Verdrängungsprozess laufen - ein Neuanfang wäre aber möglich. Doch am Ende kann er die Vergangenheit immer noch nicht begraben. So gesehen ein sehr trauriges Ende mit einer kleinen Portion Hoffnung, dass diese Schicksalsschläge - verbunden mit einem ganz hohen Schuldgefühl - Zeit brauchen, manchmal mehr Zeit als man denkt. Atmosphärisch bleibt der Film immer etwas kalt und dunkel, beinahe unnahbar wie die verletzlichen Akteure. Der Film spielt im Winter, anfangs in einer Betonsiedlung, dann an einem Küstenort. Aber beide Locations sorgen für eine gewisse Lethargie und auch für eine besondere Stimmung. Der klyrische Violinen-Score passt perfekt dazu. Der Regisseur bevorzugte die leisen Töne. Es sind auch immer wieder kleine Szenen, die fast bedeutungslos wirken - aber unvergessen bleiben. Etwa dann als Lee seine triste Wohnung in Boston räumt und drei Bilder, die er auf einem Kästchen stehen hat, sehr sorgfältig in eine größeres Tuch einpackt. Der Regisseur zeigt uns nicht wer darauf abgebildet ist - muss er auch nicht, denn jeder weiß es auch so. Eine Szene, die eine große Wirkung erzielt und von solchen Szenen gibt es sehr viele.



Bewertung: 8 von 10 Punkten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen