Donnerstag, 29. Juni 2017

The Salesman

























Regie: Ashgar Faradhi

Folgenschwerer Überfall...

Vielleicht hat die aktuelle Politik von Donald Trump dem iranischen Regisseur Ashgar Farhadi mitgeholfen, dass er nach "Nader und Simin" im Jahr 2012 auch diesmal den Oscar für den besten ausländischen Film des Jahres gewinnen konnte. Lange Zeit war unser "Toni Erdman" der Topfavorit unter den 5 Nominierten, zu denen auch "Unter dem Sand" (Dänemark), "Ein Mann names Ove" (Schweden) und "Tanna" (Australien) gehörte. Die Quoten sahen einen deutlichen Sieg für Maren Ade - doch nachdem Donald Trump härtere Visa-Bestimmungen für iranische Staatsbürger angekündigt hatte und der Iran dann auch auf der Liste der 7 Länder stand, deren Bürger nicht mehr einreisen durfte, sahen die Wettquoten immer mehr den Sieg von Farhadis "The Salesman" und so kam es dann auch. Den Oscar nahm er aber nicht persönlich entgegen, schon nach der Ankündigung Trumps sagte er die Einladung zu den Academy Awards ab.
Es ist ihm mit "The Salesman" erneut ein sehr eindrücklicher Film gelungen, der im Laufe der Handlung immer intensivere Züge annimmt. Die Protagonisten kommen dabei alle an ihre Grenzen und interessanterweise präsentiert der Regisseur seine Figuren sehr liberal, tolerant und weltoffen, auch kritisch in ihren Äusserungen über die Zustände im eigenen Land. Zwar alles geschickt irgendwie subtil erwähnt, aber so dass man die Subtexte gut erkennen kann.
Emad (Shahab Hosseini) und Rana (Taraneh Alidoosti) leben in Teheran, sind verheiratet und man kann sie wohl als liberal eingestellte jungen Menschen ansehen, die für ein modernes Iran stehen. Sie leben in Teheran - auch dort wird unvorsichtig und rücksichtslos gebaut. Deshalb werden sie wie andere Mieter aus dem Schlaf gerissen, das Haus droht einzustürzen. Schnell aus dem Haus, nachdem man den gebrechlichen und älteren Nachbarn geholfen hat - dann steht man sozusagen auf der Straße. Zwar stürzt das Haus in dieser Nacht nicht ein, doch es ist nicht mehr bewohnbar. Beide sind Schauspieler und Emad hat tagsüber einen angesehen Beruf als Lehrer. Abends proben sie am Theater das Bühnenstück "Tod eines Handlungsreisenden" von Arthur Miller.
Babak (Babak Karimi), der ebenfalls am Theater mitwirkt, hat aber eine rettende Idee. Er besorgt dem jungen Paar eine andere Wohnung, deren Vormieterin ausgezogen ist. Leider hat diese Frau ihre Habseligkeiten noch in einem der Zimmer zurückgelassen. Von den Nachbarn erfahren Emad und Rana, dass die Vormieterin einen zweifelhaften Ruf hatte, sie hatte wohl öfters Herrenbesuch. An einem Abend nach der Probe, geht Rana früher als ihr Mann nach Hause. Dann klingelt es unten an der Haustür. In der Annahme, dass dort unten am Eingang Emad steht, öffnet sie, auch die Wohnungstür und geht ins Bad zum Duschen. Als Emad wenig später nach Hause kommt, findet er eine Blutspur bis ins Bad vor und erfährt von den Nachbarn, dass Rana in der Klinik ist. Sie wurde unter der Dusche von einem Fremden angegriffen, den sie aber nicht beschreiben kann. Die erlittene Kopfverletzung ist nicht ganz so schlimm wie es zuerst aussah, doch diese Attacke hat drastische Folgen -  Rana leidet durch das Ereignis psychisch schwer und möchte nicht allein in der Wohnung bleiben. Und Emad ist ebenfalls tief verstört, er wird immer mehr besessen vom Gedanken den Angreifer zu finden und zu bestrafen. Es gelingt ihm sogar einen Lieferwagen ausfindig zu machen, der nur dem Täter gehören kann...


Tatsächlich belastet der gewaltsame Einbruch in die Privatsphäre immer mehr das Eheglück. Obwohl der Zuschauer nie genau erfährt, was tatsächlich passiert ist. Man muss wie ein Puzzle die einzelnen Aussagen zusammenfügen, um näher an die Wahrheit zu kommen. Immer mehr wird das tolerante Paar durch diese Tat mit den traditionellen Moral- und Ehrvorstellungen konfrontiert. Was ist wirklich geschehen ? Was sagen die Anderen ? Wer ist der Täter ? Rana, das Opfer wird vom Schamgefühl geplagt, auch gibt sie sich eine Mitschuld an dieser Tat. Schließlich hat sie dem Fremden ja die Tür geöffnet. Sie will nicht zur Polizei - anders Emad. Er drängt zur Polizei zu gehen und will unbedingt Anzeige erstatten, denn er sieht ja, dass der Fall geklärt werden muss, wenn er seine Frau nicht verlieren will, die sich immer mehr von ihm entfremdet, sich zurückzieht und von der Angst dirigiert wird.
In dieser Phase der Paarproblematik wird der Film auch etwas thrillerhaft. Die Suche Emads nach dem Täter. Am Ende steht ein junger Verdächtiger (Mojtaba Pirzadeh) fest. Emad lockt ihn mit einem Vorwand in das alte abruchreife Haus - leider kommt statt des Verdächtigen dessen herzkranker Schwiegervater, gespielt von Farid Sajadhosseini, der eine sehr gute Leistung als Nebendarsteller bringt. Natürlich muss man auch die Hauptdarsteller Shahab Hosseini und Taraneh Alidoosti.
Insgesamt ist der Film besonders in dieser Endphase sehr bedrückend - man hofft, dass Emad sich nicht ganz von seinen hasserfüllten Gefühlen leiten lässt. Seine Frau macht ihm dies auch klar. Doch es ist schwer die destruktive Dynamik noch aufzuhalten. Wie bereits mit "Nader und Simin" beweist der iranische Regisseur erneut seine Klasse, die Geschichte wird von ihm sehr präzise und tief geschildert. Dabei wird es auch klar, dass jede Geschichte mit Menschen immer wieder neue Facetten eröffnet. Steht am Ende der Geschichte tatsächlich "Der Tod eines Handlungsreisenden" ?


Bewertung: 9 von 10 Punkten. 

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