Sonntag, 11. Juni 2017

Nebel im August

























Regie: Kai Wessel

Das Schicksal von Ernst Lossa....

Regisseur Kai Wessel greift in seinem hervorragenden Film "Nebel im August" mit der Euthanasie im dritten Reich ein lange verdrängtes und sehr dunkles Kapitel in der deutsc hen Geschichte auf. Für mich schaffte er das äusserst packend und überzeugend, auch dank einem großartigen Schauspieler-Ensemble. Fritzi Haberland als Schwester Sophia bekam sogar den deutschen Filmpreis als beste Nebendarstellerin. Bei dem menschenverachtenden Euthanaiseprogramm der Nazis sind vermutlich mehr als 200.000 Menschen zum Opfer gefallen, vor allem körperlich und geistig Behinderte, psychisch Kranke und verhaltensauffällige Erwachsenen und Kinder.
Eines dieser Opfer war der 13jährige Ernst Lossa (Ivo Pietzcker), ein Kind der jenischen Minderheit und nach dem Aufenthalt in verschiedenen Heimen als asozialer Psychopath. Es scheint aber so, dass es ihm in der Pflegeanstalt Sargau (Heil- und Pfegeanstalt Kaufbeuren-Irsee) besser gehen könnte. Doch der Schein trügt. Immer wieder beobachtet er wie Kinder abgeholt werden. Der Direktor der Klinik Dr. Walter Veithausen (Sebastian Koch) weiß Bescheid, wohin die Patienten gebracht werden - die Tötungsanstalt Hadamar soll die Endstation für die Behinderten sein.
Da man aber die Bürger nicht verschrecken will, soll auf die Abholungen verzichtet werden. Die Auslese soll ab sofort jede Anstalt selbst treffen und auch vornehmen. Der gütigen Schwester Sophia (Fritzi Haberlandt) erzählt der Direktor die Lüge, dass die Euthanasie gestoppt worden sei. Doch seinen gehbehinderten Angestellten Paul Hechle (Thomas Schubert) weiht er in die finsteren Pläne ein. Der ist nicht erfreut, aber sein Protest ist nur kleinlaut. Aus Hadamar kommt mit der jungen Schwester Edith Kiefer (Henriette Confurius) eine "Fachkraft" dazu, die keine Skrupel hat den ausgewählten Kindern einen Himbeersaft zu reichen - am anderen Tag sind sie tot.
Immer mehr wird es dem kleinen Ernst bewusst, was hinter den Mauern der Anstalt passiert. Auch Fräulein Kiefer merkt, dass Ernst ein guter Beobachter ist. Sie nimmt ihn beiseite und erzählt ihm die Geschichte vom Reh, dass sie als Kind gemeinsam mit ihrem Vater im Wald gefunden hat. Das Reh habe zwei gebrochene Hinterläufe gehabt. Sie wollte es zuerst mit nach Hause nehmen, doch der Vater habe erkannt, dass dem Tier nich tmehr zu helfen war. Deshalb habe er es noch an Ort und Stelle von seinem Leid erlöst. "Meinst du wirklich, dass das falsch war ? " fragt sie den Jungen. Im Heim freundet sich Ernst mit der kleinen Nandl (Jule Hermann) an. Er würde sie gerne mit nach Amerika nehmen, denn er ist überzeugt, dass ihn sein Vater (Karl Markovics) bald abholt. Doch der wird beim ersten Versuch den Jungen mitzunehmen vom Direktor abgewiesen, weil er keinen Aufenhaltsnachweis hat. Als auch der Direktor merkt, dass Ernst Mitwisser der Morde ist, setzt er ihn auf die tägliche Todesliste....



Ein sehr beklemmender Film mit klasse Schauspielerleistungen. Fritzi Haberlandt als positive Figur, die auch bei ihrem Bischof abblitzt. Schlimm auch die finstere Seite des eigentlich sehr gütig wirkenden Direktor, der von Sebastian Koch gespielt wird. Er scheut sich zuerst und im ersten Gespräch mit Hechtle positioniert er sich eher gegen die Euthanasie. Wird aber irgendwann zu einem aktiven Täter, der sogar die Entzugskost entwickelt, die den Nazis prima gefällt. Denn trotz der Suppe, die den Kranken verabreicht wird, sterben sie langsam aber sicher, weil die Suppe Null Nährwerte hat. Am Ende will er auch den gesunden Ernst beseitigen, denn der ist ihm zu gefährlich geworden. Klasse Leistung von Youngster Ivo Pietzcker, der schon in "Jack" eine sehr gute Leistung darbot. Hier ist er die Idealbesetzung für den kleine Ernst Lossa, dessen Schicksal nach dem zweiten Weltkrieg von den Amerikanern ermittelt wurden. Sie Krankengeschichte und seine Ermordung wurden dokumentarisch aufgearbeitet und zusammen mit den Zeugenaussagen als exemplarisches Besipiel in Strafprozessen zu den Verbrechen des Nationalsozialismus verwendet.
Die Perversität der Euthanasie ist überzeugend dargestellt. Kameramann Hagen Bogdanski zeigt visuell eine Idylle, die sich mehr und mehr in eine Hölle verwandelt. Die Verbrecher kamen im realen Leben mit sehr niedrigen Haftstrafen davon. Aber das war ja üblich in der deutschen Nachkriegsgeschichte.



Bewertung: 8 von 10 Punkten. 

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