Regie: Giulio Ricciarrelli
Die Mörder waren immer noch unter uns...
Der 2014 entstandene "Im Labyrinth des Schweigens" ist Giulio
Ricciarellis Regiedebüt, der Film befasst sich mit den sogenannten
"Ausschwitzprozessen", also die Gerichtsverfahren, die gegen Täter im
nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager Ausschwitz
geführt wurden. Davon sind vor allem die Strafprozesse vor dem
Schwurgericht in Frankfurt am Main in den Jahren 1963 bis 1968 bekannt
geworden, denen dann noch drei Nachfolgeprozesse in den 70er Jahren
nachfolgten. Seit 2011 - nachdem sich die Rechtssprechung im Hinblick
auf Verjährung von Mord und Beihilfe zum Mord in Vernichtungslagern
geändert hatte, kam es erneut zu etwa 50 Ermittlungsverfahren und
einigen Gerichtsverfahren gegen weitere SS-Helfer. Die Justiz fordert
inzwischen nicht mehr, dass man dem Angeklagten eine unmittelbare
Beteiligung am Massenmord in den Lagern nachweisen muss. Die Richter
gehen davon aus, dass jede Mitarbeit in einer industrialiserten
Vernichtsungsstätte zu dem reibungslosen Ablauf des Massenmrodes
beitrug.
Ende der 50er Jahre - wo die Handlung des Films
einsetzt - war man aber mit solchen Schlußfolgerungen noch nicht soweit.
In der Zeit des Wirtschaftswunders wollte die Bevölkerung einfach nur
vergessen und es war nicht angenehm in dieser scheinbaren Heile Welt
Stimmung sich mit der eigenen Schuld auseinanderzusetzen. Doch die
Mörder waren immer noch da...ohne für ihre Taten bestraft zu sein,
gingen sie wieder unbehelligt ihrem Alltag nach. Sie bekleideten wieder
dieselben Ämter wie vorher und über allem lag das Schweigen. Der
KZ-Überlebende Simon Kirsch (Johannes Krisch) wird von einer Sekunde auf
die Andere wieder mit den schrecklichen Ereignissen und den
Foltermethoden im Konzentrationslager konfrontiert, als ihm ein Lehrer
auf einem Schulhof Feuer gibt. Kirsch erkennt in dem Beamten seinen
ehemaligen Wärter des Vernichtungslagers Ausschwitz wieder und nimmt
Kontakt mit dem Journalisten Thomas Grielka (Andre Szymamski) auf.
Dieser geht mit ihm vor Gericht und möchte den Täter anzeigen. Doch sein
Auftreten stößt vor Gericht zuerst einmal auf breite Ablehnung. Auch
Ober-Staatsanwalt Freidberg (Robert Hunger-Bühler) findet diese Art der
Vergangenheitsbewältigung beschämend. Anders der junge Staatsanwalt
Johann Radmann (Alexander Fehling), der dieser Sache nachgeht und in der
Folge Unterstützung durch den Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (Gert
Voss) erfährt. Dieser stellt ihm mit Otto Haller (Johann von Bülow),
einen weiteren Staatsanwalt zur Seite. Gemeinsam mit der engagierten
Sekretärin Schmittchen (Hansi Jochmann) sucht die kleine Abteilung nach
Tätern und Zeugen, die die Verbrechen im KZ auch bezeugen können.
Hilfreich ist eine Liste mit SS-Leuten, die bei Kirsch gefunden wird.
Deren Adressen werden in Telefonbüchern der gesamten Bundesrepublik
recherchiert, da sämtliche Behörden passiven Widerstand leisten. Im
Docment Center der Amis gelangt Radmann an weitere hilfreiche
Unterlagen. Die richterlichen Ermittlungen zehren allerdings an den
Nerven. Radmanns Freundin Marlene (Friederike Becht) kann nicht
verhindern, dass die Beziehung dadurch scheitert. Doch für den jungen
Richter stellen sich die ersten Erfolge ein. Seine Bemühungen den
SS-Arzt Mengele zu verhaften scheitert zwar, während dem israelischen
Geheimndienst die Ergreifung von Eichmann gelingt. Aber die Beweise
gegen Robert Mulka (Udo Suchan) Adjudant des Lagerkommandanten Rudolf
Höß sind erdrückend. es kommt zu dessen Verhaftung. Das Ende des Films
ist auch gleichzeitig der Prozessbeginn 1963....
Fritz Bauer
erwähnt, dass mit diesem Prozessbeginn auch Geschichte geschrieben wird.
In der Rolle des Fritz Bauers ist der leider am 13. Juli 2014
verstorbene deutsche Schauspieler Gert Voss zu sehen, der hier noch
einmal eine grandiose Glanzleistung als Generalstaatsanwalt abliefert.
Fritz Bauer selbst war wegen seines Engagements zu seiner Zeit sehr
umstritten, hatten doch die meisten Juristen zuvor auch in der
NS-Diktatur gedient und möglicherweise versteckte Leichen im Keller. Er
selbst soll einmal gesagt haben "In der Justiz lebe ich wie im Exil"
oder ""Wenn ich mein Dienstzimmer verlasse, dann betrete ich feindliches
Ausland". Seinem Engagement ist es aber zu verdanken, dass der Mantel
des Schweigens gelüftet wurde und sich auch eine Mentalität der
Selbstreflektion etablieren konnte. Nicht nur die bösen Hauptnazis, die
in Nürnberg bereits verurteilt wurden, waren nun im Fokus, sondern der
ganz normale Deutsche, der auch Schuld auf sich geladen hatte - als
Handlanger oder als Gehilfe - war nun nicht mehr versteckt als blinder
Fleck, sondern gebrandmarkt.
Der Film zeigt gut dieses
bedrückende Dickicht aus Schweigen, Widerständen und Vertuschung, dass
leider nur mühsam durchbrochen werden konnte. Ricciarelli inszenierte
seine Geschichte sehr nüchtern und setzte vor allem auf das engagierte
Ensemble und auf einen stimmungsvollen Zeit- und Lokalkolorit. Der
Zuschauer wähnt sich mitten in der Wirtschaftswundewelt und untermalt
wird musikalisch mit HeileWeltSchlagern von Vico Torriani, der
"Siebenmal in der Woche" emotional als Soundtrack schmettern darf. "Im
Labyrinth des Schweigens" wurde 2015 insgesamt viermal für den Deutschen
Filmpreis nominiert, ging aber leider leer aus.
Bewertung. 7 von 10 Punkten.
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