Freitag, 10. Juli 2015

Im Labyrinth des Schweigens

























Regie: Giulio Ricciarrelli

Die Mörder waren immer noch unter uns...

Der 2014 entstandene "Im Labyrinth des Schweigens" ist Giulio Ricciarellis Regiedebüt, der Film befasst sich mit den sogenannten "Ausschwitzprozessen", also die Gerichtsverfahren, die gegen Täter im nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager Ausschwitz geführt wurden. Davon sind vor allem die Strafprozesse vor dem Schwurgericht in Frankfurt am Main in den Jahren 1963 bis 1968 bekannt geworden, denen dann noch drei Nachfolgeprozesse in den 70er Jahren nachfolgten. Seit 2011 - nachdem sich die Rechtssprechung im Hinblick auf Verjährung von Mord und Beihilfe zum Mord in Vernichtungslagern geändert hatte, kam es erneut zu etwa 50 Ermittlungsverfahren und einigen Gerichtsverfahren gegen weitere SS-Helfer. Die Justiz fordert inzwischen nicht mehr, dass man dem Angeklagten eine unmittelbare Beteiligung am Massenmord in den Lagern nachweisen muss. Die Richter gehen davon aus, dass jede Mitarbeit in einer industrialiserten Vernichtsungsstätte zu dem reibungslosen Ablauf des Massenmrodes beitrug.
Ende der 50er Jahre - wo die Handlung des Films einsetzt - war man aber mit solchen Schlußfolgerungen noch nicht soweit. In der Zeit des Wirtschaftswunders wollte die Bevölkerung einfach nur vergessen und es war nicht angenehm in dieser scheinbaren Heile Welt Stimmung sich mit der eigenen Schuld auseinanderzusetzen. Doch die Mörder waren immer noch da...ohne für ihre Taten bestraft zu sein, gingen sie wieder unbehelligt ihrem Alltag nach. Sie bekleideten wieder dieselben Ämter wie vorher und über allem lag das Schweigen. Der KZ-Überlebende Simon Kirsch (Johannes Krisch) wird von einer Sekunde auf die Andere wieder mit den schrecklichen Ereignissen und den Foltermethoden im Konzentrationslager konfrontiert, als ihm ein Lehrer auf einem Schulhof Feuer gibt. Kirsch erkennt in dem Beamten seinen ehemaligen Wärter des Vernichtungslagers Ausschwitz wieder und nimmt Kontakt mit dem Journalisten Thomas Grielka (Andre Szymamski) auf. Dieser geht mit ihm vor Gericht und möchte den Täter anzeigen. Doch sein Auftreten stößt vor Gericht zuerst einmal auf breite Ablehnung. Auch Ober-Staatsanwalt Freidberg (Robert Hunger-Bühler) findet diese Art der Vergangenheitsbewältigung beschämend. Anders der junge Staatsanwalt Johann Radmann (Alexander Fehling), der dieser Sache nachgeht und in der Folge Unterstützung durch den Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (Gert Voss) erfährt. Dieser stellt ihm mit Otto Haller (Johann von Bülow), einen weiteren Staatsanwalt zur Seite. Gemeinsam mit der engagierten Sekretärin Schmittchen (Hansi Jochmann) sucht die kleine Abteilung nach Tätern und Zeugen, die die Verbrechen im KZ auch bezeugen können. Hilfreich ist eine Liste mit SS-Leuten, die bei Kirsch gefunden wird. Deren Adressen werden in Telefonbüchern der gesamten Bundesrepublik recherchiert, da sämtliche Behörden passiven Widerstand leisten. Im Docment Center der Amis gelangt Radmann an weitere hilfreiche Unterlagen. Die richterlichen Ermittlungen zehren allerdings an den Nerven. Radmanns Freundin Marlene (Friederike Becht) kann nicht verhindern, dass die Beziehung dadurch scheitert. Doch für den jungen Richter stellen sich die ersten Erfolge ein. Seine Bemühungen den SS-Arzt Mengele zu verhaften scheitert zwar, während dem israelischen Geheimndienst die Ergreifung von Eichmann gelingt. Aber die Beweise gegen Robert Mulka (Udo Suchan) Adjudant des Lagerkommandanten Rudolf Höß sind erdrückend. es kommt zu dessen Verhaftung. Das Ende des Films ist auch gleichzeitig der Prozessbeginn 1963....


 Fritz Bauer erwähnt, dass mit diesem Prozessbeginn auch Geschichte geschrieben wird. In der Rolle des Fritz Bauers ist der leider am 13. Juli 2014 verstorbene deutsche Schauspieler Gert Voss zu sehen, der hier noch einmal eine grandiose Glanzleistung als Generalstaatsanwalt abliefert. Fritz Bauer selbst war wegen seines Engagements zu seiner Zeit sehr umstritten, hatten doch die meisten Juristen zuvor auch in der NS-Diktatur gedient und möglicherweise versteckte Leichen im Keller. Er selbst soll einmal gesagt haben "In der Justiz lebe ich wie im Exil" oder ""Wenn ich mein Dienstzimmer verlasse, dann betrete ich feindliches Ausland". Seinem Engagement ist es aber zu verdanken, dass der Mantel des Schweigens gelüftet wurde und sich auch eine Mentalität der Selbstreflektion etablieren konnte. Nicht nur die bösen Hauptnazis, die in Nürnberg bereits verurteilt wurden, waren nun im Fokus, sondern der ganz normale Deutsche, der auch Schuld auf sich geladen hatte - als Handlanger oder als Gehilfe - war nun nicht mehr versteckt als blinder Fleck, sondern gebrandmarkt.
Der Film zeigt gut dieses bedrückende Dickicht aus Schweigen, Widerständen und Vertuschung, dass leider nur mühsam durchbrochen werden konnte. Ricciarelli inszenierte seine Geschichte sehr nüchtern und setzte vor allem auf das engagierte Ensemble und auf einen stimmungsvollen Zeit- und Lokalkolorit. Der Zuschauer wähnt sich mitten in der Wirtschaftswundewelt und untermalt wird musikalisch mit HeileWeltSchlagern von Vico Torriani, der "Siebenmal in der Woche" emotional als Soundtrack schmettern darf. "Im Labyrinth des Schweigens" wurde 2015 insgesamt viermal für den Deutschen Filmpreis nominiert, ging aber leider leer aus.


Bewertung. 7 von 10 Punkten.

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