Freitag, 10. Juli 2015

Mädchen: mit Gewalt



Regie: Roger Fritz

Zwang zum Dreier..

Der 1936 in Mannheim geborene Regisseur Roger Fritz kam über viele Umwege zum Film. Er lernte erstmal im aufkommenden Wirtschaftswunderland Bäcker, jobbte dann als Kellner und schloß eine weitere Ausbildung zum Großhandelskaufmann ab. Schon immer interessierte er sich für das Fotografieren, ab 1954 machte er das Hobby dann auch zum Beruf. Er versorgte den Stern, die Quick oder die Bunte mit seinen Fotos. Bei einer Reportage zum Tressler Film "Die Halbstarken" lernte er Leute kennen, die bei der UFA arbeiteten. Dies war der Startschuß zu einem weiteren großen Interessengebiet, das er fortan verfolgte.
Er nahm Schauspielunterricht und assistierte irgendwann sogar dem großen Luchino Visconti. 1961 enstand dann sein erster Kurzfilm "Zmmer im Grünen", der sofort mit dem Bundesfilmpreis ausgezeichnet wurde. Auch seine Langfilme waren erfolgreich. Sein 1967 entstandener "Mädchen, Mädchen" wurde ebenfalls ein Erfolg und bescherte der jungen Hauptdarstellerin Helga Anders ebenfalls den begehrten Filmpreis. Der Regisseur und sein Star wurden auch im realen Leben ein Paar und mit "Mädchen...nur mit Gewalt" entstand 1969 vielleicht sein kontroversester Film, der zwar Klaus Löwitsch, einem der drei Hauptdarsteller wieder einen Filmpreis einbrachte, allerdings auch auf weite Ablehnung stieß.Ein Grund dafür war sicherlich, dass Roger Fritz es vermied die Erwartungshaltung der Zuschauer mit dem üblichen Schema zu befriedigen. Die krasse Vergewaltigungsgeschichte wird weder gerächt, gesühnt oder gar reflektiiert. Am Ende hinterlässt Roger Fritz ein irritiertes Kinopublikum mit einem mulmigen Gefühl.
Wobei der Film eigentlich eher konventionell anfängt und die beiden Freunde Werner (Klaus Löwitsch) und Mike (Arthur Brauss) vorstellt. Sie verbringen nicht nur die Freizeit miteinander, sondern arbeiten seit langer Zeit in der gleichen Firma. Werner ist dort der Vorgesetze von Mike. Nach dem Job gehts in getriebener Manier ans Cruisen durch die Vorstadt von München. Mit der wenig noblen Karosse gehts auf Frauen-Abschleppjagd. Im Grunde agieren die beiden Aufreißer immer ein bissel aggressiv, aber in den meisten Fällen bleibt es bei einer billigen Anmache oder einem plumpen Abschleppversuch. keine Frage, dass diese Masche aber auch immer wieder Erfolge hat.Denn die beiden Freunde sind bei diesem Freizeitspaß in keinster Weise unsicher bei der Sache, da geht immer mal was. Irgendeine Frau wird da schon drauf abfahren. Sie nehmen zwei Mädels mit, lassen sie aber an einer Eisdiele abfahren und fahren fort...zu neuen Taten. Bei einem Gokart-Rennen lernen sie eine Gruppe von jungen Leuten kennen. Vor allem auf die attraktive Alice (Helga Anders) haben sie schnell ein Auge geworfen, doch die scheint mit ihrem Begleiter (Rolf Zacher) glücklich liiert zu sein. Und der ist nicht mal im Ansatz aggressiv und steigt nicht auf die Provokationen der beiden Älteren ein. Zusammen geht die neu zusammengewürfelte Gruppe in die Kneipe und es wird abgemacht an einen See in der Kiesgrube zu fahren. Werner und Mike drehen dies aber so geschickt, dass die Herzensdame mit Ihnen im Auto fährt und es ist offensichtlich, dass es für die hungrigen Männer nach Plan läuft. Denn man fährt an eine Stelle,die garantiert von den Anderen nicht gefunden wird. Man ist also bald alleine mit Alice..in einer ziemlich postapokalyptischen Landschaft aus Industriegerätschaften, Schrott und Kies - nicht weit vom Wasser entfernt...


Was dann folgt ist nicht nur eine grausame und brutale Vergewaltigung, sondern vor allem ein finsteres Kammerspiel unter freiem Himmel, bei dem der erzwungene Sex mit Werner nur der erste von vielen Gewaltakten sein wird. Die werden am anderen Morgen zelebriert. Alice will zur Polizei, doch nun kommt die Stunde von Mike, der raffiniert als Beobachter in der Nacht agierte und nun verbal zur Höchstform aufläuft. Er schildert das Szenario einer Anzeige so krass, dass Alice bald schockiert von der Dynamik, die er beschreibt, von ihrem Bestreben die Straftat zur Anzeige zu bringen, Abstand nimmt. Damit eskaliert aber auch die Gewalt zwischen den beiden Freunden, die wie zwei hochaggressive Tiere auf einander los gehen. Inmitten dem Ausleben von männlicher Aggression befindet sich das weibliche Opfer.Erschreckend und verstörend lässt es Roger Fritz sehr langsam eskalieren und macht am Ende das Opfer zum Komplizen der beiden Freunde. Die bedrohliche Atmosphäre wird aber bleiben. Sogar nach dem Eintreffen der Polizei, die hier am frühen Morgen die brenenden Autoreifen registriert hat. Es ist da schon eine seltsame Ruhe eingekehrt - die stark angespannte Situation, die vorher von einer Sekunde zur nächsten immer wieder ganz gefährlichen Explosionscharakter -ohne Rücksicht auf Verluste - hatte, wird von den drei in einer gespenstischen Weise völlig überspielt. Man fährt gemeinsam fort, beinahe schon familär verbunden. Die deutsche Experimentalband Can (Riesenerfolg mit "Spoon") untermalte den Geschlechterkrieg in der Kiesgrube mit einem atmosphärischen psychedelischen Sound. Damit ist auch ein filmischer Verwandter gefunden - ein bisschen erinnert man sich an Roland Klicks "Deadlock", der 1 jahr später entstand....hier hat sich Klick - nicht nur musikalisch - vermutlich von Roger Fritz inspirieren lassen. Für mich deutsches Exploitation-Kino vom Feinsten und echt eine Wiederentdeckung wert. Der Film ist sowohl sehr minimalistisch inszeniert und zeigt in einer kargen Gegend die Verlorenheit dieser Menschen. Eine Erlösung dieser Mechanismen gibt es nicht.


Bewertung. 9,5 von 10 Punkten.

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