Samstag, 20. August 2016

Die Verdammten

























Regie: Luchino Visconti

Götterdämmerung....

Der 1969 gedrehte aussergewöhnliche Historienfilm "Die Verdammten" ist sicherlich Luchino Viscontis umstrittendster Film. Dies liegt natürlich an der extrem opernhaften Inszenierung, die der Regisseur wählte, den selbstzerstörerischen Untergang einer deutschen Industriedynastie während der Hitler-Ära aufzuzeigen. Gemeint ist eigentlich die Krupp Dynastie - aber im Film wird die Industriellenfamilie Von Essenbeck genannt.  Das erste Bild von "Die Verdammten", der im Original "La Caduta degli dei" heißt und auf den vierten Teil von Richard Wagners "Ring der Nibelungen, Götterdämmerung" anspielt, ist ein Feuerregen aus Funken, glühender Stahl und die erbarmungslos zuschlagenden Maschinen in den Fabrikhallen der Familiendynastie. Doch das eigentliche Inferno beginnt inmitten der unterschiedlichen Familie. Denn das Oberhaupt der Familie, der Industrielle Joachim von Essenbeck (Albrecht Schönhals) feiert Ende Februar 1933 seinen Geburtstag im Kreise seiner Lieben. Natürlich haben die jüngsten Familienmitglieder für den Großvater einige Darbietungen vorbereitet. Im hauseigenen Theatersaal entzücken die beiden kleinen Töchter seines Neffen Herbert Thallmann (Umberto Orsini) und dessen Frau Elisabeth (Charlotte Rampling) mit dem Vortrag schöner Gedichte. Enkelsohn Günther (Renad Verley) spielt Cell, was dessen Vater Konstantin (Reinhard Koldehoff), ein ranghohes SA-Mitglied, wenig erfreut, denn er hält den Sohnemann für zu verweichlicht. Der zweite Enkelsohn Martin (Helmut Berger), einziger Sohn von Sophie von Essenbeck (Ingrid Thulin) schockiert dann mit einer Marlene Dietrich Travestienummer. Während seines Vortrags trifft auch Sophies Geliebter, der Industrieleiter Friedrich Bruckmann (Dirk Bogarde) mit SS-Mann Aschenbach (Helmut Griem) ein. Dann wird die Aufführung jäh unterbrochen, denn die Nachricht vom Reichstagsbrand in Berlin wird verkündet. Politische Diskusssionen entstehen...es wird schnell sichtbar, dass Herbert ein Gegner der Nazis ist, aber Konstantin und Friedrich wissen, dass Parteizugehörigkeit auch Macht bedeutet und sind beide entschlossen, diese auch auszunutzen. Die Nacht hat es in sich. Herbert soll verhaftet werden. Martin lebt seine perversen sexuellen Neigungen mit einer seiner kleinen Nichten unter einem Tisch aus und Joachim wird im Bett erschossen. Sofort ist der unschuldige Herbert als Mörder ausgemacht. Der wirkliche Täter Friedrich Bruckmann steigt zum Generalbevollmächtigten auf. Protegiert von seiner machtbessenen Geliebten Sophie und deren Cousin Aschenbach, der ein doppeltes Spiel treibt. Macht verdirbt und so muß im Laufe des Films auch SA-Mann Konstantin beseitigt werden. Dies passiert in der Nacht der langen Messer (31.Juni/1. Juli 1934) während eines SA-Treffens am Tegernsee. Doch damit nicht genug. Als auch Friedrich zu mächtig erscheint, ist er der nächste auf Aschenbachs Abschußliste. Gemeinsam mit Martin plant er die Vernichtung von Friedrich und Sophie...




Und am Ende ist der pädophil veranlagte Martin zwar mächtig, aber auch eine Kasperlefigur in den Händen der Nazis. Noch schlimmer trifft es den intellektuellen und sensiblen Günther, der soviel Böses miterleben musste und nun mit Hass ausgestattet ist. Nach Meinung Aschenbachs die besten Voraussetzungen, um in diesem neuen starken Deutschland ganz nach oben zu gelangen. Viscontis Epos ist natürlich sehr opernhaft gestaltet. Deshalb sind die Figuren auch irgendwie überzeichnet und viele Szenen wirken grotesk oder surreal. Dennoch sind sie kraftvoll und fesselnd. Eine der unvergesslichsten und beeindruckendsten Szenen von "Die Verdammten" ist tatsächlich dieses Blutbad an der SA. Denn vorher zeigt uns Visconti dieses Treffen mit Wehrsportübungen und Badespass am Tegernsee, gemeinsamem Singen von SA-Lied und Deutschlandlied. Dann artet diese Feier dekadent aus. Nazis in Strapsen - Visconti deutet da eine offen homosexuell gestaltete Orgie mit schönen, gut gebauten Jünglingen an. Sehr intensiv auch die Schilderung des sexuellen Mißbrauchs durch Martin an der kleinen Olga (Florinda Bolkan), die dann Selbstmord begeht. Die Straftat wird dann von den Nazis vertuscht, denn man braucht den perversen Martin ja, damit dieser seine Mutter erledigt. Inszeniert wie eine Wagner Oper...oder aber wie ein Drama von Shakespeare. Die letzte Szene zeigt eindrücklich den Zusammenhang zwischen Lust, Perversion, Macht, Dekadenz und Tod. Getragen wird der Film durch ein großaritiges Schauspiel-Ensemble, alle spielen auf extrem hohem Niveau. Helmut Berger ist vielleicht der schillerndste von Allen in seiner Rolle als Martin. Ein sensibler Geist mit perversen Obsessionen, der zum Rachenengel mutiert. Dieser filmische Totentanz war der Auftakt zu Viscontis sogenannter deutschen Trilogie. Es folgten "Tod in Venedig" (1971) und "Ludwig II. (1972).





Bewertung: 10 von 10 Punkten.

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