Mittwoch, 24. Februar 2016

Everest

























Regie: Baltasar Kormakur

Vom Wahnsinn in der Todeszone...

Baltasar Kormakur (101 Reykjavik, Contraband) ist der Regisseur der britisch-amerikanisch-isländischen Coproduktion "Everest" aus dem Jahr 2015. Er behandelt das tragische Unglück am höchsten Berg der Welt, das sich am 10. und 11. Mai 1996 ereignete. Damals wurden mehr als 30 Bergsteiger bei dem Versuch, den Gipfel zu erreichen, von einem gravierenden Wetterumschwung überrascht. Dabei kamen 5 Bergsteiger auf der Südseite und 3 auf der Nordseite des Berges ums Leben. Auch vor diesem Unglück forderte die Besteigung des 8848 Meter hohen Berges im Himalaya immer wieder Todesopfer. Dennoch fand gerade dieses Unglück im Jahr 1996 weltweite Medienbeachtung. Grund dafür waren einerseits die Publikationen von Überlebenden in der Folgezeit, sowohl der amerikanische Journalist Jon Krakauer, der Brite Matt Dickinson und der kasachische Bergführer Anatoli Bukrejew haben Bücher dazu veröffentlicht. Andererseits waren unter den Opfern Bergführer von kommerziellen Expeditionen und genau diese gewinnbringenden Abenteuer-Besteigungen wurden richtigerweise Ziel von massiven Kritiken.
Zwei dieser Organisationen, die die zunehmende Attraktivität des Bergbesteigens sich zunutze machten, waren die Adventure Consultans unter der Führung des neuseeländischen Expeditionsleiters Rob Hall (Jason Clarke) und die Mountain Madess mit Geschäftsführer und Expeditionsleiter Scott Fischer (Jake Gyllenhaal) aus den Staaten. Diese organisieren führ ihre finanziell lukrativen Kunden vom Einreisevisum über Sherpas und Bergführer bis hin zu den Sauerstoff-Flaschen für die Besteigung und der Müllentsorgung am Berg möglichst alles. So gestaltet sich die Besteigung der Kunden, oftmals unerfahren, mit einem kalkulierbaren Risiko und maximalen Erfolgschancen. Voraussetzung ist damit auch das bedingungslose Vertrauen zu den Führern, da diese wissen müssen ab wann Lebensgefahr droht. Und der Tod ist dennoch allgegenwärtig, denn das Wetter lässt sich nicht genau vorausplanen, ausserdem tritt der Mensch ab einer gewissen Höhe in die sogenannte Todeszone ein. Eine Höhe, in der der Körper beginnt zu sterben. Somit ist man immer auf zusätzlichen Sauerstoff angewiesen, um die Effekte dieser massiv dünnen Luft in diesen Höhen zu kompensien, um den Aufstieg und Abstieg zu schaffen.
Dabei hat Rob Hall (Jason Clarke) diesmal den populären Journalist Jon Krakauer (Michael Kelly) im Auftrag der Reisezeitschrift "Outside" unter den Kunden. Ausserdem der Pathologe Beck Weathers (Josh Brolin), dessen Frau Peach (Robin Wright) und die Kinder (Stormur Jón Kormákur/Meg Weathers) sich große Sorgen machen, dass er auch gesund zurückkehrt. Ebenso besorgt ist Halls schwangere Frau Jan (Keira Knighley). Die Japanerin Yasuko Namba (Naoko Mori) hat bereits sieben Achttausender bestiegen, zum ganz großen Triumph fehlt ihr der Mount Everest. Auch Doug Hansen (John Hawkes) ein Bostbote aus Renton gilt als versierter Bergsteiger.
Im Basislager ist Helen Wilton (Emily Watson) die Managerin und die Ärztin Dr. Caroline MacKenzie (Elizabeth Debicki) kümmert sich um die Gesundheit und Fitness der Menschen. Natürlich geht ohne die vielen Sherpas aus Nepal gar nichts. Irgendwann im Laufe der Besteigung werden die beiden Unternehmen gemeinsam weitermachen. Denn sowohl Hall als auch Fischer erkennen, dass der Massentourismus auf den Gipfel zu lebensgefährlichem Chaos führen kann, wenn die Temperatur unter 40 Grad minus fällt und das Sauerstoffniveau um 60 % sinkt. Und dennoch sind es Menschen, die trotz der Vorsichtsmaßnahmen, an diesem Unglückstag einige graviende Fehler machen. Nun hängt plötzlich das Leben an einem seidenen Faden...


Kormakur äussert in seinem Film keine Kritik an diesem gefährlichen Abenteuerspielplatz. Er lässt den Zuschauer entscheiden bei der Meinungsbildung. Der isländische Filmemacher hält einfach die Kamera drauf und zeigt das Sterben auf dem Berg - sehr ungeschönt und erbarmungslos. Dabei gelingen ihm sehr eindrückliche Bilder.  Dabei wirkt alles sehr realitätsnah. Vielleicht ist die Exposition am Anfang etwas zu lange geraten, aber die ist auch wichtig für die Vorstellung der Protagonisten. Wer einen Actionkracher wie "Vertical Limits" erwartet, ist vielleicht enttäuscht - aber dafür wird der interessierte Zuschauer mit einem Film entschädigt, der eindrücklich zeigt wie klein der Mensch ist angesichts der Naturgewalt. In dieser Hinsicht können sogar Parallelen zu einem der besten Bergsteigerfilme aller Zeiten gezogen werden: Dem legendären Stummfilm  "Die weiße Hölle vom Piz Palü" von Arnold Fanck und Georg Wilhelm Pabst aus dem Jahr 1929 . Im Film wird auch öfter deutlich, dass die Männer mit jeder Minute, die sie höher aufsteigen, erschöpfter, aber zugleich zielstrebiger sind. Alle wollen es um jeden Preis schaffen. Du denkst nur noch daran, am Gipfel zu stehen. Wie du runterkommst oder ob du es überhaupt zurück schafft, dass bedenkt man in diesem Moment nicht mehr. .
Jon Krakauer schrieb später in seinem Buch "Das Schreckliche ist, dass diese Tragödie absehbar war. Es waren keine richtigen Bergsteiger. Es ging ihnen nicht ums Klettern, sondern darum, später auf Partys erzählen zu können: Ich habe den Everest bestiegen".


Bewertung: 7,5 von 10 Punkten.

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