Dienstag, 23. Dezember 2014

Blancanieves


























Regie: Pablo Berger

Schneewittchens Stierkampf...

Obwohl ich ein entschiedener Gegner des Stierkampfes bin, hat mich der spanische Film "Blancavienes" dennoch extrem faszniert. Nach drei hervorragenden Schwarz-Weiß Filmen in diesem Jahr (Nebraska, Die neue Heimat, Ida) komplettiert nun ein weiteres Highlight dieses geniale Quartett. Der Regisseur Pablo Berger hat darüberhinaus auf die Sprache verzichtet und schickte einen Stummfilm ins Kinorennen. Da denkt man natürlich gleich an den preisgekrönten "The Artist" des Franzosen Michel Hazanavicius, der vor 3 Jahren mit seinem Film ohne Sprache das alte Hollywood der 20er Jahre wieder aufleben ließ. Doch "Blancavienes" ist deutlich unterschiedlich, denn der spanische Filmemacher hat den deutlich düsteren Beitrag hervorgebracht, der sich vor allem am großen europäischen Kino orientiert. Da ich erst vor kurzem den restaurierten Klassiker der Weimarer Republik "Das Cabinett des Dr. Caligari" gesehen habe, waren die expressionistischen Ähnlichkeiten noch sehr präsent. Aber auch an das europäische Filmschaffen großer individueller Filmfiguren wie beispielsweise Ingmar Bergman wird man unweigerlich erinnert, wie er sehr subtil die sensiblen Gesichter seiner Filme einfängt. Nicht zuletzt taucht auch bei Pablo Berger eine Wandertruppe auf, die "Blancanieves (Sofia Ora und später Macarena Garcia) bei sich aufnimmt, nachdem ihre böse Stiefmutter Encarna (Maribel Verdu) ihrem ihr sklavisch ergebenen Liebhaber den Auftrag gab, das Mädchen zu töten. Aber dieser Verlauf hat eine Vorgeschichte und beginnt in Sevilla im Jahr 1910.  Die vielen Zuschauer fiebern gebannt mit beim Auftritt des berühmten Stierkämpfers Antonio Villalta (Daniel Gimenez Cacho). Seine hochschwangere Frau Carmen de Triana (Irma Cuesta) ist besonders aufgeregt und ängstigt sich natürlich auch um ihren Mann. Beim Todesstoß will ein Fotograf das beste Bild erwischen. Dies lenkt den Torero ab und in diesem Moment wird er vom Stier angegriffen. Schwer verletzt wird er aus der Arena getragen. Während der große Villalta notoperiert wird, setzen bei Carmen die Wehen ein. Auch sie muß notfallmässig ins Krankenhaus und stirbt bei der Geburt der kleinen Tochter. Antonio überlebt  - aber er ist an Armen und Beinen gelähmt. Der Mann lehnt sein Kind ab und lässt es bei der Großmutter Dona Concha (Angelina Molina) aufwachsen. Antonio selbst wird von der Krankenschwester Encarna gepflegt, die später seine zweite Frau wird. Während der Kommunionsfeier der kleinen Carmencita stirbt die Großmutter beim Tanzen, sie fällt tot um. Nun kommt sie in Antonios Haus unter. Doch den Vater, der im ersten Stock abgeschieden von der Außenwelt lebt, bekommt sie nie zu Gesicht. Nur die böse Stiefmutter, die das Kind wie eine Magd behandelt. Das kleine Mädchen muss nicht nur harte Arbeit verrichten, sondern sich ständig Sorgen machen um ihren geliebten Hahn Pepe, der vielleicht bald im Topf landen könnte.
Als sie diesen wieder einmal einfangen muss, um ihn vor der Köchin zu retten, führt ihr Weg in den verbotenen 1. Stock...



 "Blancanieves" heißt übersetzt "Schneewittchen", somit hat sich Pablo Berger am Märchen der Gebrüder Grimm orientiert, verlegt aber die Handlung in das ganz frühe 20. Jahrhundert.
Als ihr die Flucht zu einer Schaustellertruppe kleinwüchsiger Toreros gelingt, entdeckt Carmen ihre wahre Berufung und wird zur Königin der Corridas. Dies alles wird präsentiert als brilliante Hommage an den europäischen Stummfilm und auch der Geist des Märchens bleibt gewahrt. Man gruselt sich daher sogar ein bisschen. Aber der Film, der die Sinne vergnüglich anspricht, ist vor allem eine überwältigende Verschwelzung zwischen Bildern und Musik.
So werden Phantasie, Dramatik, Humor und Emotionen mit einer gehörigen Prise dunklen, bösen, bisweilen abgründigen expressionistischen Kinos gewürzt und setzen den Film ganz weit vorne ins Ranking der besten Movies des Jahres. Zum Lohn gabs auch 10 Goyas, den Fresh Blood Award beim Fantasy Filmfest und nicht zuletzt auch einen Felix (Europäischer Filmpreis) für das beste Bühnenbild. Indem der Film die Sternstunden des europäischen Kinos würdigt, wird er selbst zu einer neuen Sternstunde.



Bewertung: 9,5 von 10 Punkten. 

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