Regie: Pablo Berger
Schneewittchens Stierkampf...
Obwohl ich ein entschiedener Gegner des Stierkampfes bin, hat mich
der spanische Film "Blancavienes" dennoch extrem faszniert. Nach drei
hervorragenden Schwarz-Weiß Filmen in diesem Jahr (Nebraska, Die neue
Heimat, Ida) komplettiert nun ein weiteres Highlight dieses geniale
Quartett. Der Regisseur Pablo Berger hat darüberhinaus auf die Sprache
verzichtet und schickte einen Stummfilm ins Kinorennen. Da denkt man
natürlich gleich an den preisgekrönten "The Artist" des Franzosen Michel
Hazanavicius, der vor 3 Jahren mit seinem Film ohne
Sprache das alte Hollywood der 20er Jahre wieder aufleben ließ. Doch
"Blancavienes" ist deutlich unterschiedlich, denn der spanische
Filmemacher hat den deutlich düsteren Beitrag hervorgebracht, der sich
vor allem am großen europäischen Kino orientiert. Da ich erst vor kurzem
den restaurierten Klassiker der Weimarer Republik "Das Cabinett des Dr.
Caligari" gesehen habe, waren die expressionistischen Ähnlichkeiten
noch sehr präsent. Aber auch an das europäische Filmschaffen großer
individueller Filmfiguren wie beispielsweise Ingmar Bergman wird man
unweigerlich erinnert, wie er sehr subtil die sensiblen Gesichter seiner
Filme einfängt. Nicht zuletzt taucht auch bei Pablo Berger eine
Wandertruppe auf, die "Blancanieves (Sofia Ora und später Macarena
Garcia) bei sich aufnimmt, nachdem ihre böse Stiefmutter Encarna
(Maribel Verdu) ihrem ihr sklavisch ergebenen Liebhaber den Auftrag gab,
das Mädchen zu töten. Aber dieser Verlauf hat eine Vorgeschichte und
beginnt in Sevilla im Jahr 1910. Die vielen Zuschauer fiebern gebannt
mit beim Auftritt des berühmten Stierkämpfers Antonio Villalta (Daniel
Gimenez Cacho). Seine hochschwangere Frau Carmen de Triana (Irma Cuesta)
ist besonders aufgeregt und ängstigt sich natürlich auch um ihren Mann.
Beim Todesstoß will ein Fotograf das beste Bild erwischen. Dies lenkt
den Torero ab und in diesem Moment wird er vom Stier angegriffen. Schwer
verletzt wird er aus der Arena getragen. Während der große Villalta
notoperiert wird, setzen bei Carmen die Wehen ein. Auch sie muß
notfallmässig ins Krankenhaus und stirbt bei der Geburt der kleinen
Tochter. Antonio überlebt - aber er ist an Armen und Beinen gelähmt.
Der Mann lehnt sein Kind ab und lässt es bei der Großmutter Dona Concha
(Angelina Molina) aufwachsen. Antonio selbst wird von der
Krankenschwester Encarna gepflegt, die später seine zweite Frau wird.
Während der Kommunionsfeier der kleinen Carmencita stirbt die Großmutter
beim Tanzen, sie fällt tot um. Nun kommt sie in Antonios Haus unter.
Doch den Vater, der im ersten Stock abgeschieden von der Außenwelt lebt,
bekommt sie nie zu Gesicht. Nur die böse Stiefmutter, die das Kind wie
eine Magd behandelt. Das kleine Mädchen muss nicht nur harte Arbeit
verrichten, sondern sich ständig Sorgen machen um ihren geliebten Hahn
Pepe, der vielleicht bald im Topf landen könnte.
Als sie diesen wieder einmal einfangen muss, um ihn vor der Köchin zu retten, führt ihr Weg in den verbotenen 1. Stock...
"Blancanieves"
heißt übersetzt "Schneewittchen", somit hat sich Pablo Berger am
Märchen der Gebrüder Grimm orientiert, verlegt aber die Handlung in das
ganz frühe 20. Jahrhundert.
Als ihr die Flucht zu einer
Schaustellertruppe kleinwüchsiger Toreros gelingt, entdeckt Carmen ihre
wahre Berufung und wird zur Königin der Corridas. Dies alles wird
präsentiert als brilliante Hommage an den europäischen Stummfilm und
auch der Geist des Märchens bleibt gewahrt. Man gruselt sich daher sogar
ein bisschen. Aber der Film, der die Sinne vergnüglich anspricht, ist
vor allem eine überwältigende Verschwelzung zwischen Bildern und Musik.
So
werden Phantasie, Dramatik, Humor und Emotionen mit einer gehörigen
Prise dunklen, bösen, bisweilen abgründigen expressionistischen Kinos
gewürzt und setzen den Film ganz weit vorne ins Ranking der besten
Movies des Jahres. Zum Lohn gabs auch 10 Goyas, den Fresh Blood Award
beim Fantasy Filmfest und nicht zuletzt auch einen Felix (Europäischer
Filmpreis) für das beste Bühnenbild. Indem der Film die Sternstunden des
europäischen Kinos würdigt, wird er selbst zu einer neuen Sternstunde.
Bewertung: 9,5 von 10 Punkten.
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