Regie: Lewis Gilbert
Süchtig und entwurzelt...
Michael Caine ist auf alle Fälle ein sehr charismatischer
Schauspieler und obwohl er im Jahr 2011 seinen Rücktritt vom
Filmgeschäft bekannt gab, ist er im neuen Christopher Nolan Film
"Interstellar" wieder zurückgekehrt. Der 1933 geborene Brite erhielt
zweimal den begehrten Oscar: Im Jahr 1987 für "Hannah und ihre
Schwestern" und 2001 für "Gottes Werk und Teufels Beitrag".
Darüberhinaus wurde er mehrfach nominiert. Seine besten Arbeiten sind
meines Erachtens die Filme aus den 60ern und 70ern. Gerade die
britischen Arbeiten wie "Zulu", "Jack rechnet ab", "Ipcress" oder
"Italien Job" sind inzwischen als Meisterwerke anerkannt. Auch "Alfie"
aus dem Jahr 1966 gehört dazu, der fünffach für den Oscar nominiert
wurde (Bester Film, Caine selbst, Vivien Merchant, bestes adaptiertes
Drehbuch und Filmsong) , aber gegen Zinnemanns "Ein Mann zu jeder
Jahreszeit" und Mike Nichols "Wer hat Angst vor Virginia Wolf ?" keine
Chance hatte. Der Film handelt von dem Streuner Alfie (Michael Caine),
der als Londoner Vorstadt Casanova das Leben genießt. Dabei ist die
Sexualität und die Eroberung von möglichst vielen Frauen ein Hobby, dem
er sich jeden Tag mit großer Begeisterung widmet. Die erste Szene führt
den Zuschauer in eine dunkle Ecke in der Nähe der Themse, dort streunt
nicht nur ein kleiner Hund durchs Gebiet, sondern es ist auch ein Wagen
dort abgestellt und die Fenster sind arg beschlagen. Was an Action
liegt, die gerade im Innern des Autos abläuft. Alfie und Siddie
(Millicent Martin), eine verheiratete Frau, amüsieren sich prächtig,
dann steigt Alfie aus dem Wagen, läuft um ihn herum und dieser
lasterhafte Antiheld wendet sich direkt an den Zuschauer und stellt sich
vor. Siddie ist ihn auf jeden Fall inzwischen zu gefährlich geworden,
denn die verheirate Frau beginnt darüberhinaus auch noch Zuneigung für
ihn zu empfinden. Ein Fehler, denn Alfie will zwar das totale Vergnügen,
aber auf keinen Fall eine weitergehende emotionale Bindung. Er wird
sich nicht mehr mit ihr treffen, auch wenn er ihr sagt, dass er sich
bereits aufs nächste Date mit ihr freut. Gilda (Julia Foster) mag er vor
allem dafür, dass sie nie Besitzansprüche stellt und die ist plötzlich
von ihm schwanger. Eine Nachricht, die zuerst mal Panik und Schock
auslöst, denn sie riecht nach Verantwortung und genau dies ist ein
Fremdwort für Alfie. Dennoch freut er sich auf die Geburt seines Sohnes
und manchmal geht er sogar ein bisschen in seiner Vaterrolle auf. Doch
vor der letzten Konsequenz Gilda auch zu heiraten und so als Familie
aufzutreten, scheut er sich. Statdessen lässt er es zu, dass die junge
Frau ihren Verehrer Humphrey (Graham Stark). Eine Ärztin diagnostiziert
bei Alfie eine Tuberkulose, im Sanatorium kann er die Krankenschwester
erorbern. Auch Lily (Vivien Merchant), die Frau eines Mitpatienten
(Alfie Bass) fällt auf die Verführungskünste Alfies herein. Das Resultat
ist, dass die verheiratete Frau in Abwesenheit ihres Mannes, der
weiterhin im Spital ist, ein Kind erwartet. Alfie engagiert einen
Kurpfuscher (Denholm Elliot) und stürzt sich in weitere Affären mit der
Amerikanerin Ruby (Shelley Winters), mit der Anhalterin Annie (Jane
Asher) und mit Carla (Shirley Ann Field). Eines Nachts erwischt er Ruby
mit einem anderen Mann, die ihm unverblümt gesteht, dass "der Jüngere"
halt auch attraktiver im Bett ist...
der Film endet mit
dem nächlichen Spaziergang durch eine einsame Gegend in London, dort
triftt der Verführer wieder auf den streunenden Hund. Man muss sich
zuerst einmal daran gewöhnen, dass Regisseur Lewis Gilbert (Man lebt nur
zweimal, Moonraker, Der Spion, der mich liebte, Rita will es endlich
wissen, Hauted Haus der Geister) dem Zuschauer die Balance zwischen
Komödie und Drama nicht immer einfach macht. Aber dennoch halte ich die
Tragikomödie im Swinging Sixties Flair sehr geglückt. Vor allem in den
Szenen mit seinem kleinen Jungen und dann noch drastischer bei der
Abtreibung in der Wohnung gelingt es dem Regisseur sehr gut die
tragische Entwurzelung seines Protagonisten nahe zu bringen. Hier hält
der Film plötzlich einen Tiefgang bereit, den man neben dem frivolen
Treiben nun nicht erwartet hätte. Zu Recht wurde Michael Caine für den
Oscar vorgeschlagen. Hinter der rauen Philosophie, für die seine Figur
steht, offenbart der Schauspieler auch immer einen Hauch von Traurigkeit
und das Bedauern sich nicht anders entscheiden zu können.
Bewertung: 8 von 10 Punkten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen