Donnerstag, 28. Februar 2013

Lacombe Lucien



Regie: Louis Malle

Liebe in der Zeit der Besatzung...

1974 enstand einer von Louis Malles besten Filmen: "Lacombe Lucien" erzählt von dem gleichnamigen Bauernjungen, der während des Zweiten Weltkriegs als Gestapo-Helfer in einer französischen Provinzstadt arbeitet ud so zum Kollaborateur wird.
Dabei wollte der 17jährige Lucien (Pierre Blaise) eher zur Resistance, zu den Partisanen. Doch aufgrund seiner Jugend lehnt ihn Peyssac, der Lehrer (Jean Busquet), führender Kopf des Widerstands, ab.
Die Arbeit in einem Altersheim macht ihm kaum Spass. Seine Mutter (Gilberte Rivet) hat während der Abwesenheit des Vaters im Krieg, ein Verhältnis.
Lucien ist ein junger Mensch mit nur wenig Möglichkeiten sein Handeln zu reflektieren. In den ersten Szenen tötet er beispielsweise einen Vogel mit einer Steinschleuder oder er knallt mit einem Nachbarsjungen im Feld Hasen ab. Dabei wird schon in der ersten Zeit sein widersprüchlicher Charakter sichtbar, etwa wie er zärtlich noch einmal ein gerade gestorbenes Pferd über den Kopf streichelt.
Lucien verschafft sich mehr oder weniger durch Zufall und durch Neugier Zutritt zum Hauptquartier der französischen Kollaborateure. Und dem etwas tölperhaften Jungen gefällt was er sieht, denn dem früheren Radrennchampion Aubert (Pierre Decazes), dem Polizeichef Tonin (Jean Rugerie), den Schwarzen Hippolyte (Pierre Saintons) und dem Adligen Jean-Bernard (Stephane Bouy) geht es sichtbar nicht schlecht. Durch das Arrangement mit den deutschen Besatzern kann man auch immer wieder seine Macht ausspielen.
Eines Tages lernt er jüdischen Schneider Albert Horn (Holger Löwenadler), dessen Mutter (Therese Giehse) und dessen Tochter France (Aurore Clement) kennen. Sehr schnell verliebt er sich in das Mädchen...


Dem Schauspieler Pierre Blaise, der leider ein Jahr nach dem Film bei einem Autounfall tödlich verunglückte,  gelingt es überzeugend, den jungen, widersprüchlichen Wilden darzustellen - nicht nur sein Gesichtsausdruck zeigt Abgestumpftheit und gleichsam Sensibilität - auch seine Handlungsweisen sind von dieser Ambivalenz geprägt.
So wird der etwas dumme und naive Bauernjunge zum Mitläufer einer Gruppe, bei denen er es genießt, dass sie das Sagen haben. Auch das Verbot, sich mit einer Jüdin einzulassen, gefällt ihm. Was zuerst als Grenzüberschreitung seinen Lauf nimmt, ist später durch die starken Gefühle der Liebe nicht mehr steuerbar.
Ein großer Verdienst des Films ist es, diese Liebe darzustellen, die angesichts der damaligen Verhältnisse so unwirklich erscheint und trotzdem am Ende treibende Kraft für die Handlungen sind.
Ein großartiger Film, der für mich sogar noch kraftvoller wirkt als Malles hervorragende Arbeit "Auf Wiedersehen, Kinder" - ein Film, der sich ebenfalls mit der französischen Vergangenheitsbewältigung des 2. Weltkrieges auseinandersetzt.
Ein Kritiker der Frankfurter Allgemeinen erkannte "Die Schönheit des Films macht das Schreckliche schmerzlich fühlbar" - und dieser Einschätzung schliesse ich mich an.


Bewertung: 10 von 10 Punkten.

Freitag, 22. Februar 2013

Fellinis Satyricon



Regie: Federico Fellini

Leben und Tod...

Satyricon" ist ein nur in Teilen erhaltener, satirischer Roman von Titus Petronius Arbiter, der zur Zeit Neros lebte und in dieser Zeit auch erschien.
Das Werk ist so vielseitig und faszinierend, dass sich Generationen von Gelehrten und Künstlern immer wieder mit ihm befasst haben. So beflügelte Satyricon die Phantasie der Lesers. 1970 inszenierte Federico Fellini seine pralle Version des Werkes und lässt voller Lust die beiden Studenten und Helden Encolpius (Martin Potter) und Ascyltus (Hiram Potter) auf  unzählige Monstern, skurrile Gestalten und Kuriositäten treffen, die von Anbeginn der Szenen so zahlreich sind, daß man sie bald als völlig normal akzeptiert und die inzwischen filmhistorisch als Fellinis schräges Panoptikum so ähnlich auch in anderen seiner Werke auftreten und daher geniales Beiwerk sind. Die beiden jungen Männer, die ausschliesslich der Lust verpflichtet sind,  tauchen ein in das alte Rom voller haariger Zwerge, fetten Huren, Krüppel, Lahme, Blinde, Riesen, Hermaphroditen und allerlei Wüstlingen und geschminkten Dirnen. ,
Fellini gab an, dass er all das in den Film hineinbrachte, was seine Phantasie mit diesen Zeiten alter Kulturen aus Rom oder Byzanz in Verbindug bring.
So erscheint Satyricon“ ein riesiger fragmentarischer Bilderbogen, ein Mischung aus Welttheater und Mythenzirkus, voller Schleichwege, Labyrinthe und Nebenstraßen und bleibt zuerst mal recht irritierend, dann mysteriös und faszinierend und es gelingt Fellini den Zuschauer perfekt in eine andere Epoche eintauchen zu lassen. Eine Epoche, voller Verrücktheiten und Perversionen - es gibt zwischendurch Erdbeben, groteske Theatervorstellungen, ein wüstes Freß und Saufgelage, ein gespenstisches Sklavenschiff, archaische Kämpfe mit Fabelwesen wie dem Minotaur.



Dreh- und Angelpunkt ist aber die Lust auf Leben und an dem Vergnügen, dass die beiden Studenten antreibt und beide buhlen um die Gunst des 16jährigen Knaben Gitone (Max Born), der ebenfalls die Lust erkundet - mal hier, mal dort.
Während seiner Suche nach Gitone, wird Encolpius aber erstmal Gast in einer Villa in der Nähe von Cumae, dort findet das Gastmahl des Trimalchio (Mario Romagnoli) statt, ein ungebildeter Neureicher. Es wird keine Facette der Dekadenz ausgelassen.
"Satyricon" ist sicherlich kein Film für Jedermann. Er fungiert rein oberflächlich als schrille Odyssee nach dem menschlichen Vergnügen. Fellini schafft es aber spielend seine Helden, die voll im Saft des Lebens stehen, mit einer inneren Leere auszustatten und am Ende dieser Reise (der Weg ist das Ziel) steht sogar der Tod vor der Tür und macht auf fasznierende Weise bewusst, dass zwischen prallem Leben und dem Tod nur eine Sekunde steht. Aber immerhin hat ein Künstler der damaligen Zeit diese Menschen als Graffiti auf einem Stein der Nachwelt hinterlassen - als Indiz einer gelebten Vergangenheit.
"Satyricon" markierte in Fellinis Schaffen damals eine Kehrtwende seines filmischen Schaffens.
Das mag durchaus auch dem gesellschaftlichen Umbruch der 68er geschuldet sein, möglicherweise kann man den Film auch als Reaktion oder Kommentar zum kulturellen Umbruch dieser Dekade ansehen, da ja auch damals dieser Wandel der gesellschaftlichen Wertvorstellungen stattfand und interessanterweise finden sich heute in unserer vergnügungsorientierten Zeit immer mehr Parallelen zum Lebensstil der Müßiggänger einer längst vergangenen Epoche.
Einer meiner Filmlieblinge - Fellini bekam dafür auch eine Oscarnominierung als bester Regisseur.
Genauso üppig wie die Zeit, die Fellini skizzierte, sind auch die Bilder, die der Film den Zuschauern präsentiert. Kein Wunder, an der Kamera arbeitete der Meister Giuseppe Rotunno (Der Leopard, Hinter dem Rampenlicht, Stendhal Syndrom, Casanova).



Bewertung: 10 von 10 Punkten.

Sonntag, 10. Februar 2013

The Raid



Regie: Gareth Huw Evas

Die Stürmung des Hochhauses...

Der junge Rama (Iko Uwais) verabschiedet sich am frühen Morgen von seiner schwangeren Frau, dann betet er. Seine heutige Mission als Mitglied der Spezialeinheit der Polizei ist lebensgefährlich. Die Einheit unter der Führung von Sergeat Jaka (Joe Tashlin) und Lieutenant Wahyu (Pierre Gruno) hat die Aufgabe ein heruntergekommenes Hochhaus in den Slums von Jakarta zu stürmen, denn dort im obersten Stockwerk sitzt in seinem sicheren Appartmethaus der Untergrundboss Tama (Ray Shahetapy) und seine beiden besten Männer und Leibwächter Mad Dog (Yayan Ruhian) und Andi(Doni Alamsyah).
Der Gangsterboss gilt als besonders brutal und pervers. In der Zeit, wo die Einheit das Haus umstellt, richtet er vier Verräter auf bestialische Weise in seinem Appartment hin.
Dann geht alles schnell. Die Polizei verschafft sich Eintritt in den Komplex, doch viele der Polizisten sind jedoch unerfahren und machen Fehler, sodass einige der Polizisten und die Fahrer schnell durch Tamas Schergen ausgeschaltet werden. Viele der verbliebenen Polizisten sterben in einer großen Schießerei über mehrere Stockwerke eines Treppenhauses.
Per Lautsprecher verspricht der Gangster den Hausbewohnern ein üppiges Kopfgeld fürs Ausschalten der letzten fünf Bullen, die nunmehr ums nackte Überleben kämpfen...

"The Raid" rockt und ist total cool. Der indonesische Actionreißer mit sehr viel Nahkampfszenarien, vielen Schußwechseln und brutalen Fights bescherte seinem Macher Gareth Huw Evans 2012 einen enormen Überraschungserfolg. Vor allem ist dem Regisseur ein sehr gradliniger Genrefilm gelungen, der vor allem durch die perfekt choreografierte Bildsprache glänzt, hier ist Kung Fu und Martial Arts mit artistischen Darbietungen und Kampfkunst allgegenwärtig.
Natürlich ist das knallige Spektakel alles andere als anspruchsvoll, aber "The Raid" hat das Potential zum Klassiker seiner Sparte.

Bewertung: 8,5 von 10 Punkten.

RocknRolla



Regie: Guy Ritchie

Lennys Welt...

Guy Ritchie war mal der Ehemann von Madonna und hat mit seinen beiden Sherlock Holmes Verfilmungen seine bislang größten Kassenerfolge erzielt. Kultfilme waren aber seine beiden ersten Arbeiten "Bube Dame König Gras" von 1998 und "Snatch" aus dem Jahr 2000.
Beide Filme des jungen britischen Kinos wirkten extrem cool, weil es Ritchie verstand das Gangstermilieu ziemlich schrill und unmoralisch mit viel  schwarzem Humor versah und so ein Gegengewicht zur harten Brutalität herstellt. Der makabre, lakonische Stil passte auch sehr gut zum perfekt eingefangenen Lokalkolorit der Metropole London.
Kein Wunder also, dass Ritchie noch zwei ähnliche Filme nachschob, die aber beide nicht den Erfolg dieser beiden Filme hatten, dabei sind "Revolver" und "RocknRolla" eigentlich überhaupt nicht schlechter. Einziges Manko ist vielleicht, dass man den Stil Ritchies jetzt halt genau kennt und er nicht mehr so überraschen kann mit seinem respektlosen Fatalismus.
In "RocknRolla" jedenfalls gibts ein irres Kosmos aus der Londoner Unterwelt. Dort hat auch der Mafiaboss Lenny Cole (Tom Wikinson) das Sagen, vor allem im Baugewerbe zieht er an den Strippen.
Lennys rechte Hand ist Archy (Mark Strong), aus dessen Sicht der Film erzählt wird.
Etwas aus der Art geschlagen ist Lennys drogenabhängiger Stiefsohn Johnny Quid (Toby Kebell), der auch als Musiker einen Namen hat und seinen eigenen Tod vortäuscht, um die Umsätze für seine Platten zu steigern.
Lenny macht derzeit dicke Geschäfte mit den Russen, doch mit dem russischen Milliardär Uri Omovich (Karel Roden) ist nicht zu Spaßen, auch wenn er Lenny sein Lieblingsgemälde ausleiht, weil es angeblich Glück bringen soll.
Lenny verspricht dem Russen für 7 Millionen eine Baugenehmigung. Uris aufregende Buchhalterin Stella (Thandie Newton) soll das Geld transportieren. Sie spielt aber ein gefährliches Spiel und da kommen die Kleinganoven One Two (Gerald Butler), Mumbles (Idris Elba) und Bob (Tom Hardy) als weitere Spielfiguren in die chaotische, kriminelle Szenerie...

Richties Gangsterfilme sind natürlich Geschmackssache, aber mich hat "RocknRoll" sehr gut unterhalten. Der Hang zur Parodie ist deutlich und das macht wie immmer eine Menge Spaß. Bei den britischen Mobfilmen sitzt man bei Guy Ritchie immer noch in erster Reihe...das große Plus ist die ausstrahlende Energie und Dynamik des Films. Tom Wilkinson spielt auch grandios auf.

Bewertung: 7 von 10 Punkten.