Dienstag, 30. August 2016

Catch 22 - Der böse Trick

























Regie: Mike Nichols

Das Schicksal des Bombenschützen einer B-52...

"Catch 22 - Der böse Trick" ist ein verrückter Antikriegsfilm von Mike Nichols, der ganz in der Tradition des kurz zuvor gestarteten Altman Film "M.A.S.H." steht. Überhaupt war 1970 ein gutes Kinojahr für Kriegsfilme. "Patton" von Franklin J. Schaffner triumphierte in der Oscar-Nacht. "Tora Tora Tora" von Richard Fleischer Kiji Fukasaku und Toshio Mauda war ebenfalls ein Kinohit und auch "M.A.S.H." begeisterte das Publikum in Cannes. Am Ende gabs die Goldene Palme und einen Oscar in der Kategorie "Bestes adaptiertes Drehbuch" für die scharfe Satire, die den militärischen Imperialismus und die Bürokratie mächtig aufs Korn nahm. Schade, dass Mike Nichols "Catch 22 - der böse Trick" nicht ganz die Wertschätzung dieser drei Filme erreichen konnte - denn ich würde ihn in diesem guten Quartett der 70er Kriegsfilme fast als den besten Beitrag sehen. Der absurde Abstecher in den tödlichen Wahnsinn des Krieges ist ein United States Army Air Force Stützpunkt auf der besetzten Mittelmeerinsel Pianosa hat geniale Szenen und groteske Gags, bei denen das Lachen im Hals stecken bleibt. Der schwarzhumorige Antikriegsfilm basiert auf dem gleichnamigen Roman von Joseph Heller.
Tragischer Held der Geschichte ist Captain John Yossarian (Alan Arkin), ein Bombenschütze der riesigen B-25 Bomben, die die Alliierten von Italien aus gegen die Achsenmächte einsetzen. Yossarián will, um von den Kampfeinsätzen freigestellt zu werden, sich für verrückt erklären lassen, was ihm aber aufgrund der absurden Argumentationskette "Catch 22" nicht gelingen kann, denn dieses Gesetz besagt "Wenn ich fluguntauglich werden will, muss ich verrückt sein. Und wenn ich weiterfliege, muss ich auch verrückt sein. Aber wenn ich den Arzt (Jack Gilford) bitte, mich fluguntauglich zu schreiben, bin ich nicht mehr verrückt und dann muss ich natürlich weiterfliegen". Ein weiteres Problem ist die ständige Erhöhung der Flüge, die absolviert werden müssen, bevor man ne Pause einlegen kann. Dies ist Geschwaderkommandant Cathcard (Martin Balsam) und seiner rechten Hand Lieutenant Colonel Korn (Buck Henry) zuzuschreiben. Denn die wollen gut dastehen bei General Dreedle (Orson Welles), der während eines Besuchs auf dem Stützpunkt schon gerne mal einen Major (Richard Benjamin) erschießen lassen will, weil der einen Fehler gemacht hat.
Yossarian wird am Anfang des Films durch ein Attentat schwer verletzt, er phantasiert während dieser Zeit und spricht dabei mit seinen inzwischen verstorbenen Kameraden Nately (Art Garfunkel) oder Snowden (Jon Korkes). Er erinnert sich an einige Episoden, die er hier an diesem wahnsinnigen Ort bereits erlebt hat. So taucht auch Milo Minderbinder (Jon Voight) auf, der scheinbar irrsinnig geworden ist - aber auch auf der ultimativen Erfolgsschiene einen florienden Schwarzmarkt aufgebaut hat und von seinen Vorgesetzten gefördert wird. Was auch seine Profitgier immer mehr erhöht. Er erinnert sich an den Geistlichen Captain Tappman (Anthony Perkins), an Major Major (Bob Newhart) und an weitere Bomberpiloten wie 1st Lieutenant Dobbs (Martin Sheen) und Captain Orr (Bob Balaban), den größten Bruchpiloten von allen. Fünfmal wurde er schon abgeschossen und fünfmal gerettet und er wird in "Catch 22" die geniale Schlußpointe setzen...



Joseph Hellers absurd-grotesker Antikriegsroman erwies sich als ausserordentlich schwierig zu verfilmen. So konnte Mike Nichols nach seinen zwei ersten Megaerfolgen "Wer hat Angst vor Virigina Wolf" und "Die Reifeprüfung" mit "Catch 22" nicht mehr an diesen Erfolg anknüpfen. Vielleicht auch deshalb, weil es sich vielleicht um einen Film auf den zweiten Blick handelt. Es gibt herrliche Szenen, der Film ist auch in Sachen Kamera erste Sahne. Der Brite David Watkin war dafür verantwortlich. Viele Jahre später sollte er für "Jenseits von Afrika" den Oscar bekommen. In seiner Filmographie tauchen ausserdem Klassiker wie "Die Teufel", Richard Lesters "Die drei Musketiere/Die vier Musketiere", "Robin und Marian", "Die Stunde des Siegers", "Mondsüchtig", Zefirellis "Hamlet" oder "Yentl" auf.





Bewertung: 9 von 10 Punkten.

Sonntag, 28. August 2016

Raum

























Regie: Lenny Abrahamson

Gefangen in der kleinsten Welt...

2014 wurde Lenny Abrahmasons Musikkomödie "Frank" zu einem Überraschungserfolg. Auch der Nachfolgefilm "Raum", der lose vom Kriminalfall des Josef Fritzl inspiriert wurde und auf Emma Donoghues gleichnamigem Roman basiert, wurde ein Erfolg. Vier Oscarnominierungen können sich sehen lassen. Der Hauptdarstellerin Brie Larson gelang sogar der Triumph zur besten Hauptdarstellerin gekürt zu werden. Wenn man ihre Leistung mit der Konkurrenz vergleicht, dann ist dieser Preis sicherlich nicht unverdient - man muss aber anmerken, dass Brie mit dem Jungdarsteller Jacob Tremblay einen perfekten Verstärker und Stichwortgeber in "Raum" hatte. Leider ging der 9jährige Junge sowohl bei den Oscarnominierungen als auch bei den Golden Globes komplett leer aus - lediglich den Critics Choice Movie Award als bester Jungdarsteller wurde ihm zugesprochen. Schade eigentlich, denn seine überragende Leistung als fünfjähriger Jack dürfte ihn vermutlich unvergessen machen. 
Schon alleine aufgrund seiner Thematik, dass eine Frau auf neun Quadratmeter seit 7 Jahren eingesperrt ist, hat der Film einen stark destruktiven Einschlag und macht betroffen. Im Vergleich zu ihren 7 Mitkonkurrenten in der Oscar-kategorie "Bester Film" schneidet Abrahahamsons Film recht gut ab. Lediglich "The Revenant" oder "Spotlight" waren vielleicht preiswürdiger. Der erste Teil von "Raum" spielt sich lediglich auf diesen 9 Quadratmeter ab. Dort lebt Joy Newsome (Brie Larson), weil sie vor 7 Jahren von einem fremden Mann, den sie Old Nick (Sean Bridgers) nennt, entführt wurde. Seit dieser Zeit hält der Peiniger sie gefangen. Joy hat inzwischen einen Sohn. Der fünfjährige Jack (Jacob Tremblay) wurde in der Gefangenschaft gezeugt und geboren. Der Raum beinhaltet ein Bett, eine Toilette, eine Badewanne und eine rudimentäre Küche. Für Joy hat sich aber das Leben im Raum verändert, seit sie das Kind an ihrer Seite hat. Der Junge kennt nur den Raum, die Welt draußen hat er nie gesehen und kann sie sich auch nicht vorstellen. Einziger Kontakt zu draussen sind die Fernsehprogramme. Aber Jack kann sich nicht vorstellen, dass die Menschen in diesem Gerät real sind. Nur seine Mom ist real, er ist real, Old Nick und das Bett, die Toilette, das Oberlicht oder der Schrank sind real. Und auch Old Nick, der seine Mom öfters besucht ist real. Der kleine Junge muss sich dann im Schrank verstecken und merkt, dass das Verhältnis zwischen Mom und Old Nick nicht gut ist. Eines Tages versucht Joy schließlich die Flucht, die allerdings nur gelingen kann, wenn der kleine Jack mitspielt.  Der muss sich in einem eingerollten Teppich totstellen und so soll ihm draussen, wenn Old Nick die Kinderleiche entsorgen muss, die Flucht auf der Ladefläche von  Old Nicks rotem Pickup gelingen. Und tatsächlich gelingt diese riskante Aktion...


und damit beginnt auch der genauso interessante zweite Teil des Films, der Mom und Jack zeigt, wie schwierig die Integration nach so langer Gefangenschaft ist. Eine Frau, die sieben Jahren Martyrium erlebte und ein Junge, der nichts anderes kennt als den Raum. Bewegend ist die eine Szene als Jack auf der Ladefläche des Pick ups den Teppich aufrollt und zum ersten Mal den blauen Himmel erblickt. Ein erhabener und zugleich sehr trauriger Moment. Jack ist total geflasht von diesem Moment, der alles - die gesamte Wahrnehmung seiner bisherigen fünf Jahre auf den Kopf stellt. Dieser Augenblick sorgt auch für soviel Staunen, dass er beinahe seine Mission außer Acht lässt. Der Junge muss dann auch weiterhin sein komplettes Weltbild umstellen. Interessanterweise scheint ihm das nach einiger Zeit viel besser zu gelingen als seiner traumatisierten Mom, die dann zu ihrer Mutter, gespielt von Joan Allen; sagt, dass sie eigentlich glücklich sein müsste, aber es gar nicht ist. Da die Ehe der Eltern in die Brüche ging, kann man auch erahnen, wie sehr das Verschwinden ihrer Tochter auch ihre Familie und ihr Umfeld belastet haben. Der Vater (William H. Macy) hat Mühe mit Jack, weil er ja auch der Sohn des Verbrechers ist. Dem neuen Mann der Mutter (Tom McCamus) gelingt es besser einen Draht zu jack zu bekommen. Ein Hund fungiert dabei als Helfer. Nach einer Talkshow, die viel Geld bringt, stürzt Joy durch die Fragen der Talkmasterin in eine große Krise. Alle diese Ereignisse bauen sich logisch auf und sind nachzuvollziehen. Das Leben draussen gilt es zu meistern und man hofft am Ende, dass es Mutter und Sohn gelingen wird. Dies geschieht ohne Pathos, sehr realistisch - aber intensiv, eindringlich und alptraumhaft.


Bewertung: 7,5 von 10 Punkten.

Mittwoch, 24. August 2016

Romeo und Julia

























Regie: Franco Zefirelli

Fünf Tage im Sommer....

"Romeo und Julia" ist eine der berühmtesten Tragödien von William Shakespeare, die er vermutlich in den Jahren zwischen 1594 und 1596 schrieb. Die Handlung selbst umfasst den kurzen Zeitraum von nur 5 Tagen, die sich in der Spätrenaissance zur Sommerzeit in der norditalienschen Stadt Verona abspielt. Dieser weltberühmte Theaterstoff wurde mehrfach verfilmt. Meistens mit Darstellern und Darstellerinnen, die die dreißig Jahre schon längst überschritten hatten. Daher war die 1968er Verfilmung von Franco Zefirelli auch beinahe schon revolutionär, weil die beiden Hauptdarsteller Olivia Hussey und Leonard Whiting bei den Dreharbeiten fast so jung waren, wie das Original es tatsächlich vorsieht. Denn damals gabs ganz andere Normen wie heute, wenn man Julias Mutter zu ihrer beinahe 14jährigen Tochter sagen hört:  "Gut, es ist nun Zeit daran zu denken; es gibt hier in Verona jüngere als ihr, und Frauenzimmer von Stand und Ansehen, die schon Mütter sind. Bei meiner Ehre, in dem Alter worinn ihr noch ein Mädchen seid, war ich schon eure Mutter. Ich will's also kurz machen, und euch sagen, daß sich der junge Paris um euch bewirbt". Gerade diese Wahl von zwei ganz jungen Protagonisten machte den Zefirelli Film auch zu einem riesigen Erfolg. Der farbenprächtige Historienstreifen, der an Originalschauplätzen in Italien gedreht wurde, spielte 1968 alleine in den USA 39 Millionen Dollar ein und war nach "2001 - Odyssee im Weltraum" und "Funny Girl" der dritterfolgreichste Kassenhit des Kinojahres. Es ist auch noch heute die mit Abstand beste Verfilmung des Stoffes für mich, denn sie deckt gleich drei Komponenten perfekt ab: Einerseits ist alles an diesem Film so authenisch, dass er es spielend schafft den Zuschauer in eine andere Zeit hineinzuversetzen. Ein Kunststück, dass sicher nicht allein Historienfilm so spontan und spielend gelingt. Andererseits ist "Romeo und Juila" auch ein zeitgenössisches Kinostück, denn es spiegelt irgendwie auch die 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts perfekt ein. Diese Zeit des Umbruchs, den Siegeszug der Jugend durch die Popmusik und drittens muss man Heute feststellen, dass der Film keine Spur gealtert ist. Trotz des nostalgischen Soundtracks von Nino Rota, der ein bisschen an die Kinomelancholie eines Dr. Schiwago erinnert und noch einen tragischen Filmsong "A rose will bloom" von Bruno Filippini beisteuert, schmälert nichts diesen Eindruck des Ewig Aktuellen. Zwei Liebende und eine feindlich gesinnte Umwelt, die das Glück verhindert. Zefirelli Präsentiert hier mit wunderschönen Kostümen und Kulissen, so dass der Zuschauer über die komplette Laufzeit gut unterhalten wird. Die Familienfehde und die Liebesgeschichte wird hier mit sehr schönen Bildern (Kameramann: Pasqualino de Santis) erzählt, für mich hat Zeffirelli mit diesem Film ein kleines Meisterwerk geschaffen. Das Verhängnis fängt an einem Sonntag, mitten im heißen Juli in Verona an. Die reichen Familien der Montagues (Antonio Pierfederici, Esmeralda Ruspoldi) und Capulets (Paul Hardwick, Natasha Parry) einschließlich ihrer Verwandten und Anhönger liegen schon seit langem im dauerhaften Streit. Immer wieder kommt es zum Streit auf den Straßen der Stadt. Benvolio (Bruce Robinson), ein Neffe der Montagues, befindet sich wieder einmal im Streit mit Tybalt (Michael York), dem Neffen der Carpulets, der so arg ausartet, dass der Prinz von Verona (Robert Stephens) öffentlich die Androhung der Todesstrafe verhängt, wenn es weitere Kämpfe gibt. So haben sich die Feinde daran zu halten, dass ab sofort eine Pause des Familienkrieges herrscht. Der leidenschaftliche 17-jährige Romeo Monague (Leonard Whiting) hat sich nicht an diesem Kampf beteiligt, denn er hat andere Sorgen. Er hat Liebeskummer wegen einer Rosalind und wurde von ihr abgewiesen. Im Hause der Capulets hat Graf Paris (Roberto Bisacco) um die Hand der fast 14jährige Tochter des Hauses, die schöne Julia (Oliva Hussey) angehalten. Eltern und Amme (Pat Heywood) sind entzückt und auch Julia scheint nicht abgeneigt, da sie eine artige Tochter ist, allerdings noch nichts von der Liebe weiß. Um Julia Gelegenheit zu geben Paris kennenzulernen, geben die Capulets ein großes Fest, von dem die Montagues erfahren. Benvolio und Romeos bestem Freund Mercutio (John McEnery) kommt der Einfall maskiert auf diesen Fest zu erscheinen. Auch der junge Romeo geht mit und sieht dort Julia. Es ist bei beiden Liebe auf den ersten Blick. Als beide die Identität ihrer neuen Liebe erfahren, ist die Kraft der Liebe natürlich größer als die unüberwindbare Brücke dieser Feindschaft der Familien. Die beiden Liebenden treffen sich heimlich, werden von Pater Lorenzo (Milo O´Shea) heimlich vermählt, was vielleicht den Krieg endgültig beilegen könnte. Doch dann gibt es auf den Straßen von Verona wieder Streit. Ein Streit mit tödlichem Ausgang...





Spätestens hier wird aus dem Drama eine katastrophale Tragödie, die nicht mehr gut ausgehen wird. Ja, das ist natürlich eine total bekannte Geschichte, aber sie wird hier von Zefirelli meisterhaft erzählt. Die jungen und extrem attraktiven Hauptdarsteller tragen die Geschichte mühelos und nach wie vor packt der Film auf ganzer Linie. Die Verse von Shakespeare wurden zwar gekürzt, aber die Poesie bleibt immer gewahrt: Es war die Nachtigalle und nicht die Lerche, die eben jetzt dein banges Ohr durchdrang. Sie singt des Nachts auf dem Granatbaum dort, Glaub, Lieber, mir: Es war die Nachtigall". Was sich in manch einer anderen Shakespeare Verfilmung gestelzt anhört, erwacht hier zum echten Leben. Und man wünscht sich fast, dass diese schöne Sprache auch heute noch existieren würde.






Bewertung: 10 von 10 Punkten.

Samstag, 20. August 2016

Die Verdammten

























Regie: Luchino Visconti

Götterdämmerung....

Der 1969 gedrehte aussergewöhnliche Historienfilm "Die Verdammten" ist sicherlich Luchino Viscontis umstrittendster Film. Dies liegt natürlich an der extrem opernhaften Inszenierung, die der Regisseur wählte, den selbstzerstörerischen Untergang einer deutschen Industriedynastie während der Hitler-Ära aufzuzeigen. Gemeint ist eigentlich die Krupp Dynastie - aber im Film wird die Industriellenfamilie Von Essenbeck genannt.  Das erste Bild von "Die Verdammten", der im Original "La Caduta degli dei" heißt und auf den vierten Teil von Richard Wagners "Ring der Nibelungen, Götterdämmerung" anspielt, ist ein Feuerregen aus Funken, glühender Stahl und die erbarmungslos zuschlagenden Maschinen in den Fabrikhallen der Familiendynastie. Doch das eigentliche Inferno beginnt inmitten der unterschiedlichen Familie. Denn das Oberhaupt der Familie, der Industrielle Joachim von Essenbeck (Albrecht Schönhals) feiert Ende Februar 1933 seinen Geburtstag im Kreise seiner Lieben. Natürlich haben die jüngsten Familienmitglieder für den Großvater einige Darbietungen vorbereitet. Im hauseigenen Theatersaal entzücken die beiden kleinen Töchter seines Neffen Herbert Thallmann (Umberto Orsini) und dessen Frau Elisabeth (Charlotte Rampling) mit dem Vortrag schöner Gedichte. Enkelsohn Günther (Renad Verley) spielt Cell, was dessen Vater Konstantin (Reinhard Koldehoff), ein ranghohes SA-Mitglied, wenig erfreut, denn er hält den Sohnemann für zu verweichlicht. Der zweite Enkelsohn Martin (Helmut Berger), einziger Sohn von Sophie von Essenbeck (Ingrid Thulin) schockiert dann mit einer Marlene Dietrich Travestienummer. Während seines Vortrags trifft auch Sophies Geliebter, der Industrieleiter Friedrich Bruckmann (Dirk Bogarde) mit SS-Mann Aschenbach (Helmut Griem) ein. Dann wird die Aufführung jäh unterbrochen, denn die Nachricht vom Reichstagsbrand in Berlin wird verkündet. Politische Diskusssionen entstehen...es wird schnell sichtbar, dass Herbert ein Gegner der Nazis ist, aber Konstantin und Friedrich wissen, dass Parteizugehörigkeit auch Macht bedeutet und sind beide entschlossen, diese auch auszunutzen. Die Nacht hat es in sich. Herbert soll verhaftet werden. Martin lebt seine perversen sexuellen Neigungen mit einer seiner kleinen Nichten unter einem Tisch aus und Joachim wird im Bett erschossen. Sofort ist der unschuldige Herbert als Mörder ausgemacht. Der wirkliche Täter Friedrich Bruckmann steigt zum Generalbevollmächtigten auf. Protegiert von seiner machtbessenen Geliebten Sophie und deren Cousin Aschenbach, der ein doppeltes Spiel treibt. Macht verdirbt und so muß im Laufe des Films auch SA-Mann Konstantin beseitigt werden. Dies passiert in der Nacht der langen Messer (31.Juni/1. Juli 1934) während eines SA-Treffens am Tegernsee. Doch damit nicht genug. Als auch Friedrich zu mächtig erscheint, ist er der nächste auf Aschenbachs Abschußliste. Gemeinsam mit Martin plant er die Vernichtung von Friedrich und Sophie...




Und am Ende ist der pädophil veranlagte Martin zwar mächtig, aber auch eine Kasperlefigur in den Händen der Nazis. Noch schlimmer trifft es den intellektuellen und sensiblen Günther, der soviel Böses miterleben musste und nun mit Hass ausgestattet ist. Nach Meinung Aschenbachs die besten Voraussetzungen, um in diesem neuen starken Deutschland ganz nach oben zu gelangen. Viscontis Epos ist natürlich sehr opernhaft gestaltet. Deshalb sind die Figuren auch irgendwie überzeichnet und viele Szenen wirken grotesk oder surreal. Dennoch sind sie kraftvoll und fesselnd. Eine der unvergesslichsten und beeindruckendsten Szenen von "Die Verdammten" ist tatsächlich dieses Blutbad an der SA. Denn vorher zeigt uns Visconti dieses Treffen mit Wehrsportübungen und Badespass am Tegernsee, gemeinsamem Singen von SA-Lied und Deutschlandlied. Dann artet diese Feier dekadent aus. Nazis in Strapsen - Visconti deutet da eine offen homosexuell gestaltete Orgie mit schönen, gut gebauten Jünglingen an. Sehr intensiv auch die Schilderung des sexuellen Mißbrauchs durch Martin an der kleinen Olga (Florinda Bolkan), die dann Selbstmord begeht. Die Straftat wird dann von den Nazis vertuscht, denn man braucht den perversen Martin ja, damit dieser seine Mutter erledigt. Inszeniert wie eine Wagner Oper...oder aber wie ein Drama von Shakespeare. Die letzte Szene zeigt eindrücklich den Zusammenhang zwischen Lust, Perversion, Macht, Dekadenz und Tod. Getragen wird der Film durch ein großaritiges Schauspiel-Ensemble, alle spielen auf extrem hohem Niveau. Helmut Berger ist vielleicht der schillerndste von Allen in seiner Rolle als Martin. Ein sensibler Geist mit perversen Obsessionen, der zum Rachenengel mutiert. Dieser filmische Totentanz war der Auftakt zu Viscontis sogenannter deutschen Trilogie. Es folgten "Tod in Venedig" (1971) und "Ludwig II. (1972).





Bewertung: 10 von 10 Punkten.