Regie: Sergio Leone
Ein kollektiver Traum...
Sergio
Leones letzter Film "Es war einmal in Amerika" entstand 1984 und gilt
als dritter Teil seiner "Once upon a time..." Reihe, die mit "Spiel mir
das Lied vom Tod" begann und mit "Todesmelodie" fortgesetzt wurde.
Bereits 1972 bereitete der Filmemacher sein ausuferndes Gangster-Epos
vor, dass auf Harry Greys Buch "The Hoods" basiert. Nach aufwändigen
Vorbereitungsarbeiten kam die fast vierstünidge Gangsterfilm 1984 in die
Kinos. In Amerika brachte die Ladd Company den Film heraus - die
kürzten die Saga aber auf 139 Minuten herunter. Was dann auch in der
Kinoauswertung merklich zu Buche schlug. Mit Produktionskosten von 30
Millionen Dollar spielte die Kurzversion nur etwas mehr als 5 Millionen
Dollar in den USA ein und sofort wurde der Film als Flop tituliert. In
Europa wurde "Es war einmal in Amerika" jedoch viel besser aufgenommen
und vor allem in der Langfassung gelang dem Film eine große
Rehabilitation. Er galt bald als eines der großen Filme der 80er Jahre.
Ennio Morricone mit seinem Soundtrack prägt das Gangsterepos
ähnlich markant wie bereits in "Spiel mir das Lied vom Tod". Die
großartige Kameraarbeit von Tonino delli Colli hätte ebenfalls einen
Oscar verdient. Leider wurde der Film bei der Oscar-Vergabe komplett
übergangen, was aber angesichts der verstümmtelten und entstellten
US-Kinofassung heute logisch nachzuvollziehen ist. Die verschachtelte
Erzählweise Leones, der drei ineinander verwobenen Zeitebenen (20er
Jahre, 30er Jahre und 1968) erzählt, macht den Film erst zu dem großen
Meisterwerk seines Genres. "Es war einmal in Amerika" ist sogar auf
Augenhöhe mit "Der Pate".
Es sind vor allem großartige Einzelszenen, die unvergessen bleiben.
Meine Lieblingsszene zeigt die junge Deborah (Jennifer Conelly), die
hübsche Schwester von Fat Moe (Mike Monetti), wie sie im hinteren
Speicher der Eltern ganz für sich alleine das Ballett-Tanzen übt. Der
junge Noodles (Scott Tiler) hat eine Ecke auf der Toilette gefunden, wo
er sie von einem offenen Spalt aus, beobachten kann. Sie weiß das
natürlich und tanzt nur für ihn, sie zieht sich auch aus für ihn. Dann
beschimpft sie ihn. In einer zweiten Szene führt sie ihn in ihr in weiß
getauchtes Heiligtum...dort liest sie ihm aus dem Alten Testament das
Hohelied Salomons so vor, dass er bald begreift: Auch sie empfindet viel
für den ruppigen Jungen mit der kriminellen Energie. "Es war einmal in
Amerika" ist neben der Geschichte von vier Jugendfreunden, die als
Erwachsene zu Gangstern werden, die Geschichte von Max und Noodles und
vor allem auch die Geschichte von Deborah und Noodles. Als es dann zum
Kuß der ersten großen Liebe kommt, wird Noodles von seinem Freund Max
(Rusty Jacobs). Er verlässt Deborah fürs Erste, gibt zu verstehen, dass
er gleich mal wieder kommt, doch die Freundschaft zu seinem Kumpel Max
ist irgendwie stärker. Deborah verliert ihren ersten Freund an Max und
an die kriminellen Machenschaften.
Wie bereits erwähnt spielt "Es war einmal in Amerika" in drei
Zeitsegemnten. Zuerst wird der Zuschauer mit den Ereignissen des Jahres
1932/1933 im jüdischen Viertel der Lower East Side von New York. Es ist
das Ende der Prohibition-Zeit. Dort sterben die Freunde Maximilian "Max"
Berkovic (James Woods), Patrick "Patsy" Goldberg (James Hayden) und
Philip "Cockeye" Stein (William Forsythe) bei einer letzten geplanten
Alkoholschmuggelfahrt. Der vierte im Bunde war Noodles (Robert de Niro),
von dem alle glauben, dass er die Freunde verraten hat. Doch Noodles
wird selbst von einem unbekannten Gegner gejagt, die vorher seine
Freundin Eve (Ariane Borbach) getötet haben und Fat Moe (Tobias Meister)
krankenhausreif geschlagen haben, weil sie Noodles Versteck wissen
wollten. Der hat sich in Chun Laos Chinesischem Theater versteckt und
wird in dieser Nacht noch New York verlassen. Am Bahnhof nimmt er den
nächsten Zug und steigt mit dem "One Way Ticket" ein in Richtung
Buffalo. Erst 35 Jahre später wird er wieder die Heimat besuchen. Denn
er bekam ein Brief von einem unbekannten Absender - es ist der
unbekannte Gegner, der vor 35 Jahren seine Freunde getötet hat. Wieder
ist es Fat Moe, den er zuerst trifft und später wird es ein trauriges
Wiedersehen mit seiner großen Liebe Deborah (Elizabeth McGovern) geben.
Er wird Max frühere Freundin Carol (Tuesday Weld) im Altersheim treffen.
Und die Erinnerungen an die Jugendtage werden wieder wach. Neben Max,
Cockeye (Adrian Curran), Patsy (Brian Bloom) war auch der kleine Dominic
(Noah Moazezi) dabei, doch der ließ bereits früh sein Leben, als der
Gangster Bugsy (James Russo) erschossen wurde. Der hatte eine Gefahr
gesehen, dass die fünf Jungs ihn als Platzhirsch aus dem Revier
verdrängen. Aus Rache tötet Noodles den Konkurrenten und wandert für 10
Jahre hinter Gitter. Am Tag seiner Entlassung wird er von Max vor den
Gefängnistoren abgeholt und alles scheint wie früher. Doch Max hat große
Ambitionen, er will noch dicker ins Geschäft. Dies könnte die
Freundschaft vor die Zerreißprobe stellen...
1923 sind die Freunde Jugendlich, 10 Jahre später sind sie
erwachsen und mit dem riesigen Zeitsprung und mit "Yesterday" von The
Beatles beginnt Noodles Rückkehr - sozusagen aus dem Nichts. Er wird im
Lauf des Film einmal gefragt "Was hast du die ganzen Jahre gemacht ?"
und wird mit "Ich bin früh schlafen gegangen" antworten. Diese
Zwischenzeit bleibt also im Dunkel und es bleiben die Sprünge in die
drei Zeitsekmente, die dem Film zusätzlich eine große epische Kraft
verleihen. Ein bisschen ähneln diese Sprünge den Hintertüren des
Chinesischen Theaters. Während im ersten Komplex das chinesiche Theater
mit Schattenspielen läuft, ist im anderen Teil eine Opiumhölle, die mit
unübersichtlichen Gängen irgendwie an ein Labyrinth erinnern und eine
Verwandtschaft mit der verschachtelten Erzählweise aufweist. Überf allem
schwebt eine ganz große Portion Melancholie und Wehmut - und wenn
"Spiel mir das Lied vom Tod" von den Mythen des Westens handelt, so
bringt Leone, der Kinomagier, dem Zuschauer die Mythen des Gangsterfilms
noch einmal nahe. Im Grunde fast ein bisschen künstlich, eine
Geschichte, die es nur im Kino geben kann. Und tatsächlich riskiert
Leone mit dem Schlußbild des jungen Erwachsenen Noodles, der im
Chinesischen Theater Opium konsumiert und breit in die Kamera grins - so
als wollte er sagen "das ist Kinomagie".
Natürlich ist auch die Begegnung mit der alternden Deborah, ihrem
Sohn und zum Schluß mit dem Staatssekretär Bailey voller Wehmut, aber
auch voller Resignation. Die alten Zeiten kehren nicht wieder, das weiß
auch Noodles und er ist müde geworden. Leones wehmütiger Abgesang
funktioniert in allen Belangen perfekt.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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