Regie: Vittorio de Sica
Ferrara 1938 bis 1943...
Regisseur Vittorio de Sica war bereits beinahe 70 Jahre alt als er
"Der Garten der Finzi Contini" verfilmte. Der Film basiert auf dem Roman
"Die Gärten der Finzi Contini" von Giorgio Bassani (1916 bis 2000), der
1962 veröffentlicht wurde und für den der Autor im gleichen Jahr den
Premio Viareggio erhielt. Der Roman war sehr autobiographisch gefärbt
und bündelte seine moralischen, intellektuellen und politischen
Erfahrungen. Ebenso wird darin, bedingt durch die immer mehr
menschenverachtenden Rassengesetze der faschistischen Regierung, der
Zerfall des reichen jüdischen Bürgertums in der Stadt Ferrara
beschrieben.
Die Verfilmung selbst wurde zu einem späten Triumph für Regisseur
de Sica, der damit noch einmal sein großes Können unter Beweis stellte
und noch einmal einen großen Klassiker schuf, der qualitativ in
Augenhöhe mit seinen Meisterwerken "Fahrraddiebe", "Schuhputzer",
"Wunder von Mailand" und "Umberto D." bestehen kann.
Für die wunderschönen Bilder war Kameramann Ennio Guarnieri verantwortlich, die Musik zum Film schrieb Manuel de Sica.
"Die Garten der Finzi Contini" hatte am 4. Dezember 1970
Kinopremiere und folgte dem damaligen Trend in Italien Kinofilme über
den Faschismus zu drehen. In dieser Zeit entstanden weitere wichtige
Filmwerke wie "Der Konformist" von Bertolucci und "Die Verdammten" von
Luchino Visconti. Beim den Berliner Filmfestspielen wurde er mit dem
Goldenen Bären ausgezeichnet - bei der Oscarverleihung gewann de Sica in
der Kategorie "Bester ausländischer Film".
Wer einen extrem dramatischen und spannenden Film erwartet, der
wird sicherlich überrascht sein. Denn "Die Garten der Finzi Contini" ist
ein sehr stiller, elegischer Film, der mit ruhiger Hand eine ganz
bestimmte Atmosphäre schafft, die beinahe bis zum Schluß anhält. Erst am
Schluß trifft dann mit voller Wucht das Ergebnis der jahrelang sich
aufbauenden, immer strikeren Rassengesetze. Trotz aller Schönheit der
Bilder ist "Der Garten der Finzi Contini" ein sehr trauriger Film.
Vittorio de Sica hat diese Zeit wieder auferstehen lassen. Der Zuschauer
fühlt sich mittendrin in diesen wunderschönen Gärten der reichen
Familie Finzi Contini. Der wohlhabende Vater (Camillo Cesari) ist ein
angesehener Literaturprofessor und gerät nach dem Siegeszug des
Faschismus immer mehr unter Druck seine Gärten der Öffentlichkeit
zugänglich zu machen. Italiens Rassengesetze sind zwar noch nicht so
drastisch wie im befreundeten Nazideutschland, aber immer weniger wird
der vorher sehr angesehenen jüdischen Bevölkerung erlaubt. Immer weniger
dürfen sie am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Um seinen beiden
Kindern Micol (Dominique Sanda) und Alberto (Helmut Berger) die
Möglichkeit zu geben sich auch mit ihren Freunden draußen zu treffen ist
diese rieisige Gartenanlage geradezu optimal. Dort trifft Michol auch
wieder auf den etwa gleichaltrigen Giorgio (Lino Capoliccio), ebenfalls
jüdisch, aber aus bürgerlichem und nicht privilegiertem Haus. Die beiden
haben sich im Alter von 12 Jahren kennengelernt und himmelten sich
damals gegenseitig an. Nun sind sie beinahe erwachsen und besonders bei
Giorgio flammt für Micol eine große Leidenschaft auf. Beinahe sieht es
so aus als könnte daraus die große Liebe entstehen, doch Micol gibt
ihrem Verehrer einen Korb und beginnt stattdessen mit Albertos
Kommilitonen Bruno Malnate (Fabio Testi) eine Affäre. Giorgio entdeckt
dies und ist von großem Liebeskummer geplagt. Seinem Vater (Romolo
Valli) gelingt es ihn etwas zu trösten. Dann überschlagen sich die
Ereignisse. Die jüdische Gemeinde muss die Stadt verlassen, sie werden
deportiert - keiner weiß, wohin die Reise gehen wird...
Aber diese Szene zeigt eindrücklich, dass nun sämtliches
menschliches Mitleid abgelegt wurde. Von Ordnungshütern der Stadt und
vom Militär werden die Menschen, die ihre letzten Habseligkeiten dabei
haben, in ein Gebäude gedrängt, es wird schon dort keine Rücksicht mehr
genommen wer zu wem gehört. Micol und ihre betagte Großmutter, gespielt
von Inna Alexaiewna, werden vom Rest der Famlie getrennt und werden in
einen anderen Raum geführt, in dem ebenfalls Dutzende von Menschen
verharren, die auf unbekannte Reise und in eine wenig erfreuliche
Zukunft geschickt werden. Dort treffen sie auf Giorgios Vater, der
ebenfalls deportiert wird, aber Micol erzählt, dass Giorgio die Flucht
aus Italien gelungen ist. Diese Bilder treffen den Zuschauer wie ein
Vorschlaghammer.
Für mich gehört de Sicas Film zu den besten Filmen der frühen 70er
Jahre. Dadurch, dass der Hauptpart die Geschichte der Jugendlichen
darstellt und die politischen Veränderungen ganz beiläufig mit ablaufen,
vermittelt "Die Garten der Finzi Contini" die größte Glaubwürdigkeit.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.