Regie: Sam Peckinpah
Ameisen, Skorpione, Menschen...
Pike Bishop (William Holden) und seine Gang kommen im Jahr 1914 als
Soldaten getarnt in die texanische Grenzstadt San Rafael, um dort
das Lohnbüro der Eisenbahngesellschaft auszurauben. In den Straßen der
Stadt geht es an diesem Tag recht turbulent zu, denn bei einem gut
besuchten Erweckungsevent entsagen die Bürger gerade dem Alkohol und
absolvieren dazu eine Parade. Den Männern zu Pferd mit den
Kavallerieunfiormen schenkt man keine große Beachtung. Auch die Kinder
der Stadt sind mit etwas anderem beschäftigt. Sie spielen ein grausames
Spiel mit einigen Skorpionen, die sie immer wieder in einen
Ameisenhaufen werfen, damit die größeren Tiere von den viel kleineren
bei lebendigem Leib aufgefressen werden. Sie sind sichtlich begeistert
von dem Naturspektakel über das Fressen und Gefressenwerden. Auch
beachten sie die vorbeireitende Bande nicht, sondern zünden nachdem die
Skorpione schon Opfer wurden für die siegreichen Täter ein Feuer an, so
dass auch die Ameisen sterben und qualvoll verbrennen. Währenddessen überfallen Pikes Männer
das Lohnbüro, alles scheint gut zu gehen. Sie wissen aber nicht, dass
die Bahngesellschaft skrupellose Kopfgeldjäger engagiert hat, um Pike
und seine Gang zu jagen. Unter den Killern ist auch Deke Thornton
(Robert Ryan), der frühere beste Freund von Pike und ehemals
Bandenmitglied, der durch die Festnahme von Pike die einzige Möglichkeit hat,
dass ihm seine eigene hohe Gefängnisstrafe erlassen wird. Die
Kopfgeldjäger (Strother Martin und L. Q. Jones) haben bereits Position
auf dem Dach des Nachbargebäudes bezogen, bereit dafür sofort zu
schießen, wenn die Räuber die Bank verlassen. Die Bande muss sich den
Weg aus der Stadt freischießen - es kommt zu einem blutigen Massaker mit
vielen Toten, darunter auch unbescholtene Bürger. Mit Dutch Engstrom
(Ernest Borgnine), den Brüdern Lyle (Warren Oates) und Tector Gorch (Ben
Johnson) sowie dem Mexikaner Angel (Jaime Sanchez) kann Pike fliehen,
doch viele seiner Männer werden erschossen. Sie treffen sich ausserhalb
der Stadt mit Freddie Sykes (Edmund O´Brien), dem ältesten Mitglied der
Bande - dort soll die Beute geteilt werden und mit neuen Pferden die
Flucht nach Mexiko angetreten werden. Doch die Desperados finden statt
Geld nur Dichtungsringe aus Metall in den Postsäcken. In Mexiko selbst machen sie die Bekanntschaft mit dem Banditengeneral Mapache (Emilio
Fernandez), der mit seinen Männern das Dorf von Angel geplündert hat,
dessen Vater ermordet und Angels Mädchen als Geliebte mitgenommen hat.
Er macht den "Gringos" das Angebot für 10.000 Dollar in Gold, wenn sie
für ihn einen amerikanischen Munitionszug ausrauben. Aufgrund der
Spannung, die Angel durch seinen Haß auf Mapache erzeugt hat, müssen die Männer einwilligen. Immer
verfolgt natürlich von Deke Thornton und seiner Handvoll von zwielichten Gestalten. Der Coup gelingt zwar, aber dennoch ist die Geschichte vom "Wild Bunch" von Anfang an immer ein Ritt in den Tod...





und
Peckinpah zelebriert diesen Trip in den Abgrund mit einer extrem
blutigen Spur, aber auch mit dieser eigentümlichen traurigen Romantik,
die ihn schliesslich zu einem der besten Western aller Zeiten machte. Sein Spätwestern wurde wegen seiner Gewaltszenen schnell berüchtigt und
berühmt, er ist der zweite amerikanische Klassiker nach Arthur Penns
"Bonnie and Clyde", der Slowmotion zum konsequenten Stilmittel des
Blutrausches macht. Die Toten wirbeln wie in einem Ballett durch die
Luft. Lucien Ballards Kamera erzeugt
diese heroische Verlorenheit, die die ganze Geschichte als roter Faden
durchzieht. Unvergessen bleibt der Showdown, der automatisch
funktioniert, ohne dass die vier Männer dazu einen Dialog bräuchten -
sie gehen nach dem Besuch im Puff wortlos zu ihren Pferden, nehmen die
Knarren und laufen dann gemeinsam in Richtung Mapache, der sich von
seinen Untergebenenen und den deutschen Verbündeten feiern lässt. Neben "Sacramento" ist dies Sam Peckinpahs größter Regietriumph,
alleine schon bei der unglaublich intensiven Eingangsszene mit dem
Gegenschnitt von Banküberfall und den draussen spielenden Kindern lässt
sich sowohl Vielschichtigkeit und Thema schon erkennen. Die Gewaltszenen
werden immer wieder gebrochen durch versöhnliche Bilder und durch die
Präsenz der männlichen Freundschaft. Der alte Mexikaner sagt dann auch
einmal "Wir träumen alle davon, wieder Kind zu sein, selbst die
Schlimmsten von uns". Doch es gibt in Peckinpahs düsterem Abgesang kein
Zurück zu den guten alten Zeiten, geschweige denn eine hoffnungsvollere Zukunft - sondern alle Männer sind zum Untergang
verdammt. Ähnlich wie der Überlebenskampf am Anfang des Films mit den
Skorpionen, die sich verzweifelt gegen die Übermacht der Ameisen wehren,
aber durch die Kinder immer wieder daran gehindert, dem Ameisenhaufen
zu entrinnen. Bis dann das ganze Szenario des
Kampfes selbst in Flammen aufgeht, von einer mächtigeren Spezies gesteuert, weder für Skorpion noch Ameise erkennbar...dem
Menschen. Der Kreis ist geschlossen und selbst die übrig gebliebenen
Leichenfledderer sind dann logischerweise auch schneller als man denkt dem Tode geweiht. Eine Anspielung auf die höhere Macht,
die alles steuert ? Die gebrochenen Männer, die Peckinpah hier zeigt und
von den grandiosen Darstellern Holden, Borgnine, O´Brien und Ryan so intensiv dargestellt werden, sind weder Gut noch Böse, auch lange keine
Helden - sie haben lediglich ihren Männerbund, denn nur gemeinsam
gelingt ein Halt in dieser feindlichen Umgebung. Man merkt auch die enge
Identifkation des Regisseurs mit seinen tragischen Hauptcharakteren. Sie
versuchen sich in einer Welt zu behaupten, in der kein Platz mehr für
sie vorhanden ist. Es sind diese letzten amerikanischen Outlaws des
alten Wilden Westens, die mit einer neuen Zeit und mit neuen
Generationen konfrontiert sind, was ja auch in seinem vorher gedrehten
Meisterwerk "Sacramento" vorherrschendes Thema war. Doch der großartige
Western hat noch viele weitere Subtexte zu bieten. So spielt Peckinpah
geschickt mit den Erwartungen des Zuschauers, der eigentlich davon ausgeht,
dass diese in die Stadt reitenden Soldaten Männer des Gesetzes sein müssten, aber stattdessen sind es diese schrägen
Galgenvögel auf dem Dach des Gebäudes, die auf der Seite der "Guten" stehen. Die Welt ist nicht immer so wie sie erscheint, so sind auch
die kleinen Ameisen zumindest für einen trügerischen Moment Sieger über
die Skorpione. Es ist alles hervorragend gemacht, da Peckinpah gar keine Position
einnimmt, sondern zeigt. Und spätestens wenn sich die Outlaws der
tödlcihen Übermacht gegenüberstellt ist klar, dass wir uns hier im
obersten Western-Olymp befinden.
Die Gewalt folgt einer
melancholischen Choreografie. Es ist weder Heldenepos noch
Banden-Western. Es ist - durch viiele Szenen belegt - die Geschichte
über das ganz große persönliche Scheitern und darüber, dass man in
dieser destruktiven Lage den Wunsch hat, noch ein Stück über sich hinauszuwachsen oder zumindest etwas von bleibendem Wert erkennen kann. Als Pike am
Ende die junge mexikanische Prostituierte verlässt, meint man an seinem
müden Blick in ihre Richtung zu erkennen, dass er sich in diesem Moment
eingesteht, nichts mehr von Wert weitergeben zu können, keine Familie zu
haben und die Frage im Raum steht, welchen Sinn das alles hatte - im
Angesicht des nahen Todes. Diese Verzweiflung wird dann in der Sequenz
noch weiter auf die Spitze getrieben, in dem Moment als Mapache von Pike
erschossen wird und ein paar Sekunden Stille vor dem unvermeidlichen Schlachtfest herrscht, die dann durch
ein sonderbares, verzweifeltes wie auch befreiendes Lachen von Dutch aufgelöst wird - dann erst wird weiter
geschosssen, obwohl es so aussah, als hätte für diese paar Sekunden die
Welt und das irdische Dasein eine himmlische Wahrheit entdeckt.
Aufnahmen und Einstellungen von Kindern hat Peckinpah immer wieder in
seine Handlung eingeschnitten. Sie sind Zeugen der Gewalt, sie üben dann
selbst Gewalt aus. Peckinpah war interessiert daran, die Frage zu
stellen, woher die Gewalt kommt, wie sie funktioniert und wohin sie am
Ende führt. Erwachsene als Vorbilder lassen sich in dieser von Peckinpah
gezeigten Welt überhaupt nicht ausmachen, es sieht so aus, als würde
sich die Gewalt fortpfanzen. Da Erwachsene zwangsläufig Vorbilder sein
müssen, sieht man die Kinder, wie sie die Schießerei mit mehreren Toten,
gleich nach der Flucht der Banditen, nachahmen. Genauso deutlich wird
diese katastrophale Vorbildfunktion in der Szene, als der kleine
mexikanische Kindersoldat seinem Hauptmann Mapache einen Nachricht
überbringt.
Die Zeit wandelt sich in "The Wild Bunch" -
die alte Wild West Epoche geht zu Ende, es gibt moderne und
vernichtendere Waffen wie bspw. ein automatisches Maschinengewehr, mit
dem Mapache fast wie ein Kind zu spielen beginnt - wohlwissend, dass es
eine totbringende Waffe ist, die durchs Rumballern ohne das Gerät im
Griff zu haben, wieder einige Menschenleben in der näheren Umgebung
fordert. Macht ja nix, das Leben scheint keinem hier - weder in Mexiko,
noch beim großen Nachbarn Amerika, viel Wert zu sein. Und ein
moralisches Gerüst, aus dem sich ein positiveres Handeln entwickeln
könnte, ist weit und breit nicht in Sicht. Somit sind die
Zukunftsaussichten auch nicht rosig. Der Mensch bleibt in diesem
zwanghaften Kampf namens Überlebenswillen wohl oder übel gefangen. Trotzdem haben sich die Männer des Wild Bunch auch einigermassen
harmonisch eingerichtet, denn zu wissen, dass man sich auf den anderen
verlassen kann, sofern man sich an den über allem stehenden Regelkodex
hält. Das bedeutet Klarheit, Sicherheit und vor allem auch so etwas wie
Familie. So ist
auch interessanterweise die Wut bei der Entdeckung, dass man für wertlose
Dichtungsringe sein Leben riskiert hat, nur für kurze Dauer. Alles verfliegt in ein
befreiendes Gelächter über die eigene Dummheit.
Bezogen auf das Genre selbst hat
es Peckinpah mit diesem Film geschafft den damals erfolgreicheren
ItaloWestern wieder zu überflügeln und das Genre wieder in seine Heimat
zu holen. Darauf aufbauend boomte dann in den frühen 70er Jahren der
Spätwestern, der auch immer wieder das Vietnam Trauma spiegelte.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.