Regie: Alfonso Cuaron
Der Ausflug zum Strand...
Bereits im letzten Filmjahrzehnt schufen mexikanische Regisseure
herausragende Filme. So begeisterte Guillermo del Toro mit
faszinierenden Geschichten in "Devils Backbone" und "Pans Labyrinth".
Alejandro Gonzales Inarritus großartiger Episodenfilm "Amores Perros"
blieb kein Einzelfall, er konnte mit "Babel" diesen großen
künstlerischen Wurf wiederholen. Zu der Riege dieser Regiehoffnungen
gehörte auch Alfonso Cuaron, der inzwischen - genauso wie Landsmann
Inarritu - den Regie-oscar gewinnen konnte. "Gravity" machte es möglich -
sein 2001 in Mexiko gedrehtes Roadmovie "Y tu mama tambien" wurde
damals von Kritikerpapst Roger Ebert als die Geburtsstunde des neuen
mexikanischen Films bezeichnet und gefeiert und ist für mich nach wie
vor sein bester Film - trotz "Gravity" oder "Children of Men".
Der
Film gehört für mich neben Monte Hellmanns "Two Lane Blacktop", Walter
Salles "Die Reisen des jungen Che", Federico Fellinis "La Strada",
Kathryn Bigelows "Near Dark", Sean Penns "Into the Wild", Jonathan
Glazers "Under the Skin" und Sam Peckinpahs "Bring mir den Kopf von
Alfredo Garcia" zu den besten Roadmovies überhaupt.
Einen
riesigen Anteil an dem Erfolg ist die grandiose Kameraarbeit von
Emmanuel Lubezki, der in diesem Jahr mit seiner Leistung in "Birdman"
seinen zweiten Oscar als bester Kameramann erhielt. Ein Jahr vorher
wurde ihm der Preis bereits für Cuarons "Gravity" zugesprochen. Auf das
Konto des mexikanischen Ausnahmekünstlers gehen Filme wie "Tree of Life"
(Terrence Malick), Sleepy Hollow (Tim Burton), "Bittersüße Schokolade"
(Alfonso Arau) oder "Burn after Reading" (Coen Brothers). Seine Kamera
steht in "Y tu Mama Tambien" eigentlich nicht still. Während der
Autofahrt im Dodge Dart schaut die Kamera einfach aus dem Fenster und
zeigt dem Zuschauer interessante Details. Szenen bitterer Armut in
Mexiko, immer wieder Straßensperren durch die Polizei, Autounfälle oder
Bauern, die verhaftet werden. Die drei Hauptfiguren sind so sehr mit
sich selbst beschäftigt, dass sie gar nicht alles mitbekommen, was da
draussen während ihrer Fahrt so alles passiert.
So ist bei "Y
tu mama tambien" nicht nur eine interessante Sicht nach aussen
erkennbar, die Protagonisten gewähren während der Reise an einen
wunderbaren Strand auch eine Innenschau mit viel Melancholie. Road
Movies funktionieren immer dann am besten, wenn die Reise auf der Straße
zur Metapher für die Lebensreise wird. Und diese zeigt ein paar
Sommertage voller Lust und Freiheit, am Ende steht aber wie in Dennis
Hopper und Peter Fondas "Easy Rider" dem berühmtesten aller Roadmovies
das Ende und der Tod.
Solche Gedanken sind aber den beiden
lebenslustigen Freunden Tenoch Iturbide (Diego Luna) und Julio Zapata
(Gael Garcia Bernal) sehr fern. Die beiden Jungs wollen einfach leben,
Spass haben und die Sexualität hat im sehr jungen Leben natürlich einen
hohen Stellenwert. Die Herkunft der beiden Freunde ist sehr
unterschiedlich. Während Julio aus sehr einfachen Arbeiterverhältnissen
stammt, ist Tenoch der Sohn eines hohen Regierungsbeamten. Die
Freundinnen der beiden Jungs reisen gemeinsam für eine längere Zeit nach
Italien. Es ist der Sommer 1999 und zwischen Schulabschluß und dem
Beginn des Studiums liegt eine vielversprechende Ferienzeit. Auf der
Hochzeit einer Verwandten lernen die beiden die 28jährige Luisa kennen,
die mit Tenochs Cousin Jano (Juan Carlos Remoina) verheiratet ist.
Um
die attraktive erfahrene Frau zu beeindrucken, phantasieren die beiden
großmäuligen Jugendlichen von ihren Reiseplänen zu einem der
traumhaftesten Strrände von Mexiko, dieser legendäre Fleck soll an der
Pazifik Küste von Oaxaxa liegen. Also weit weg von Mexico City. Als
Luisa nach einem Arztbesuch kurz später von der Untreue ihres Mannes
erfährt, erinnert sie sich an die beiden Freunde, die mit ihr geflirtet
haben. Sie ruft an und bittet darum mitfahren zu dürfen. Kurz
entschlossen brechen die drei auf. Von der Hauptstadt geht es in den
Süden Mexicos und sehr schnell kommt man sich näher...
natürlich
wird auch auf dieser lebensbejahenden Reise vor allem auch der Sex und
die Erotik groß geschrieben. Als es nach einer gewissen Zeit tatsächlich
zum Sex zwischen Julia und Tenoch kommt, entsteht in der Freundschaft
eine gewisse Schieflage, die sich auch nicht bessert als Luisa den
Versuch unternimmt die Balance wieder herzustellen, indem sie auch mit
Julio intim wird. Die Eifersucht führt zu Geständnissen, die man hätte
besser für sich behalten sollen. So hatte Julio auch etwas mit Tenochs
Freundin. Dieser ließ aber auch nichts anbrennen und outet sich als
Liebhaber von Julios Mädchen. Um Ende kommt es sogar zu einem Dreier,
bei dem auch die beiden Jungs sich küssen. Am anderen Morgen hätte man
dieses Erlebnis vielleicht gerne rückgängig gemacht. Julio und Tenoch
fahren wieder zurück nach Mexico City, Julia hat sich entschlossen noch
ein bisschen an der wunderschöenen Küste zu bleiben. Nach diesem Ausflug
sehen sich die Freunde immer weniger oft. Nach einem Jahr treffen sie
sich aber zufällig in einem Cafe wieder. Dort erzählt Tenoch vom Tod
Julias, die wohl bereits zur Zeit des Ausflugs unheilbar an Krebs
erkrankt war und dies auch wußte. Einen Monat später starb sie. Die
beiden ehemaligen Freunde verabschieden sich voneinander und sagen ein
baldiges Wiedersehen zu, doch sie werden sich nie mehr wieder treffen.
Insofern ist dieses Erotik-Roadmovie zwar voll von praller
Lebensenergie, aber immer wieder schimmert die Erkenntnis durch, dass
alles vergänglich ist und jeder Moment in vollen Zügen genossen werden
sollte. Dies tun die Protagonisten auch und es ist eine Freude ihnen
dabei zuzusehen. Die noch etwas unreifen Jungs sind immer für ein
bisschen unfreiwillige Komik gut, aber man schließt als Zuschauer auch
sehr schnell eine gewisse Freundschaft mit den Beiden. Der Film
funktioniert auch gut als Coming of Age Beitrag, denn die Reise in den
Süden entpuppt sich auch als gewisser Reifeprozess. Für Julia ist es
noch einmal ein letztes Mal das Leben zu genießen, für Tenoch und Julio
hat die Reise auch einen schnellen Schub in Richtung Erwachsenwerden.
Der
Film gewann ca. 30 internationale Filmpreise, darunter den Golden Globe
als bester Auslandsfilm. Die beiden Hauptdarsteller Gael Garcia Bernal
und Diego Luna bekamen bei den Internationalen Filmfestspielen von
Venedig den Marcello Mastroianni Preis als beste Nachwuchsdarsteller
verliehen.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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