Regie: Milos Forman
Packendes Duell...
In Ken Keseys Roman "Einer flog übers Kuckucksnest" dienen die
Zustände in einer Nervenheilanstalt als Parabel über den Kampf des
Einzelnen gegen ein totalitäres, machtvolles System - dem tschechischen
Filmregisseur Milos Forman gelang 1975 mit der Verfilmung einer der
populärsten und kontroversesten Filme dieses innovativen Kinojahrzehnt.
Auch wenn die satirische Attacke auf gesellschaftliche Züstände durch
die Location "Psychiatrie" eher in den Hintergrund gedrängt wurde. Was
aber blieb sind die ausserordentlichen Darstellerleistungen von Jack
Nicholson und Louise Fletcher, die sich in ihrem, am Ende bis über die
Schmerzgrenze hinaus gehenden Psychoduell Oscarsiege erspielen konnten -
selten waren diese Siege so gerechtfertigt wie in "Einer flog übers
Kuckucksnest". Der Film gewann nach "Es geschah in einer Nacht" endlich
auch wieder die fünf wichtigsten Oscars: Bester Film, beste Regie,
Nicholson und Fletcher und auch das Drehbuch von Laurence Hauben und Bo
Goldman war siegreich.
Ausserdem waren der Schauspiel-Neuling Brad Dourif, die
Kameramänner Haskell Wexler und Bill Butler, die hypnotische Filmmusik
von Jack Nitzsche und das Trio Chew, Kan und Lyngman für den besten
Schnitt nominiert.
Wenn man die Filmgraphie von Milos Forman betrachtet, dann fällt
auf, dass er in den fünf aktiven Jahrzehnten eigentlich nur wenige Filme
realisiert hat. Ein Regisseur, der sich immer viel Zeit nahm für seinen
neuen Film und dem 9 Jahre nach seinem Welterfolg noch ein weiterer
ebenbürtiger unsterblicher Filmklassiker gelingen sollte. Der 1984
realisierte "Amadeus" wurde auch mit Oscars überschüttet.
Ist der aufsässige und aggressive Randie Patrick McMurphy (Jack
Nicholson) krank oder täuscht er seine wahnsinnigen Einlagen im
Arbeitslager nur vor um der schweren Arbeit dort zu entgehen ? Dort
sitzt er ein wegen der Verführung einer Minderjährigen und weiteren
Aggressionstaten. Er wird zur Beobachtung in eine Nervenheilanstand
eingewiesen. Am Anfang sieht es so aus als würde der Plan aufgehen eine
ruhige Kugel in der Klapse schieben zu können. Er lernt dort Insassen
wie den jungen Billy Bibbit (Brad Dourif), den intelligenten Harding
(William Redfield), den aufsässigen Taber (Christopher Lloyd), den
gutmütigen Fredrikson (Vincent Schiavelli) oder den geistig behinderten
Martini (Danny de Vito) kennen. Besonders faszniert ist McMurphy von dem
riesengroßen, jedoch taubstummen Indianer Chief Bromden(Will Sampson),
den er spontan "Häuptling" nennt und ihn immer wieder zum Baseballspiel
während des Hofgangs gewinnen will. Das Sagen auf Station hat die von
der Geschäftsleitung äusserst geschätzte Oberschwester Ratched (Louise
Fletcher). Wichtig sind ihr die Regeln und Vorschriften sowie die immer
gleichbleibende Tagesstruktur, die sie unter keinen Umständen verändern
möchte, da sie glaubt, dass Ausnahmen die Station ins Chaos versinken
lassen. Unter einer sehr freundlich wirkenden Fassade ist sie aber
streng und unerbittlich. McMurphys Art ist ihr natürlich ein Dorn im
Auge. Der Mann hält sich Null an Regeln und organsiert auf station
Kartenspiele, um die triste Atmosphäre etwas aufzuhellen und Schwung in
die Bude zu bringen. Immer wieder kommt es dadurch zu Machtspielen,
Schwester Ratched untergräbt erfolgreich die Initiationen, die zuerst
eher spielerisch gestaltet sind - dann aber im Laufe der Handlung
sichtbar erkennen lassen, dass "Therapie" auch schlimmstenfalls bedeuten
kann, dass der eigene Wille unter Zwang gebrochen werden kann...
Am Ende des Films wird auch die Lobotomie thematisert - sowohl
Keseys Roman als auch der Film sorgten nachhaltig dafür, dass die
Abschaffung langsam aber sicher vollzogen wurde. Der Film gibt auch
einen düsteren Einblick in die Welt der Psychiatrie, die erst vor
wenigen Jahrzehnten immer mehr versuchte den Patienten in den
Mittelpunkt des Geschehens zu rücken. Trotzdem ist die Gefahr dort immer
wieder groß, dass Macht und Ohnmacht in den Alltag einziehen. So
gesehen ist der Schlagabtausch zwischen einengender, aber
sicherheitsgebender Struktur und lustvollem Chaos auch heute noch
genauso aktuell. Der Film engagiert sich für die Freiheit des Einzelnen,
für sein Recht aus einer von sinnlosen Normen und Zwängen auszubrechen.
Obwohl die ersten Duelle zwischen Schwester und Patient noch etwas
witziges, komödiantisches haben, kann man aber schon erahnen, dass sich
der Schlagabtausch noch steigern wird und von beiden Kontrahenten
härtere Bandagen angelegt werden. Kirk Douglas hatte sich lange vorher
die Verfilmungsrechte gesichert, er selbst wollte den subversiven
McMurphy spielen, als der Film dann von seinem Sohn Michael gemeinsam
mit Saul Zaentz realisiert wurde, empfand sich die Hollywood-Legende als
zu alt für diesen Part. So kam Jack Nicholsons Stunde - der
Kritikerliebling aus "Chinatown", "Das letzte Kommando" oder "Five Easy
Pieces" wurde über Nacht zu Hollywoods Big Star.
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