Regie: Ken Loach
Einer der Abgehängten...
Der britische Regisseur Ken Loach ist so etwas wie das soziale
Gewissen des Kinos und ein Filmemacher, der den einfacher Arbeiter
portraitiert. Zweimal gewann er in der Kategorie "Bester Film" den
europäischen Filmpreis (1991: Riff-Raff/1995: Land and Freedom) und
zweimal erhielt er die begehrte Palme von Cannes (2006: The Wind that
Shakes the Barley/ 2016: Ich, Daniel Blake).
Sein populärster Film ist "Kes" - der berühmte dokumentarische Film
aus dem Jahr 1969, der die Freundschaft eines 15jährigen Arbeiterjungen
Billy Casper mit einem Falken zum Thema hat. "Kes" wurde vom British
Film Institute auf Platz 7 der besten britischen Filme aller Zeiten
gewählt.
Sein neuer Film "Ich, Daniel Blake" erinnert mit seinem zornigen
Touch etwas an seine 90er Film "Ladybird" oder "Raining Stones" und muss
ebenfalls zu seinen besten Arbeiten gezählt werden.
Klar und deutlich vermittelt Ken Loach die Mißstände unserer Zeit
und seine Sympathien gelten stets dem kleinen Mann, der irgendwann den
Kampf David gegen Goliath ausfechten muss, um seine Rechte
durchzusetzen. Dabei inszeniert Loach stets wohltuend schnörkellos und
sein realistisches Sozialdrama vermittelt nicht nur viel Empathie,
sondern auch düsterste kafkaeske Bürokratie. Die ist übrigens heute
allgegenwärtig und in unseren System nicht mehr wegzudenken - viele
Erlebnisse des arbeitsunfähigen Schreiners Daniel Blake aus dem
nordenglischen Newcastle sind daher sicherlich jedem sehr bekannt,
sofern er auch schon mal mit Arbeitsamt, medizinischem Dienst oder gar
dem Sozialamt konfrontiert war.
Gespielt wird der 59jährige Schreiner von Dave Johns. Nach einem
schweren Herzinfarkt ist sein Arzt der Meinung, dass er noch lange nicht
arbeitsfähig ist. Doch eine vom Amt eingesetzte "Gesundheitskraft", die
seinen Sozialhilfeantrag per Telefon zu überprüfen hat, kommt durch den
Standartfragebogen zum Schluß, dass er so fit ist, dass ihm keine
Sozialhilfe zusteht. Er kann zwar über diesen Bescheid klagen, doch das
zieht sich zeitlich in die Länge und ohne Geld geht gar nichts. Er hat
somit nur die Möglichkeit Arbeitslosenhilfe zu beantragen. Die wird
jedoch nur dann gewährt, wenn er arbeitsfähig ist und sich täglich um
eine Arbeitsstelle bemüht.
Mit seinen 59 Jahren ist Daniel Blake auch keine Leuchte am PC und
ist völlig überfordert diesen Antrag am Computer auszufüllen. Die
Arbeitsamtsangestellte Anne (Kate Rutter) erkennt zwar, dass der
Arbeiter enorme Schwierigkeiten mit der neuen Technik hat, darf aber
wegen ihrer Vorgesetzten nicht weiter behilflich sein. Auch Daniels
Arbeitsvermittlerin Sheila (Sharon Percy) ist unfreundlich und arbeitet
streng nach den neuen Vorschriften und er bekommt erst mal einen
Bewerbungskurs "Wie schreibt man einen Lebenslauf" aufbebrummt.
Gesunheitlich fühlt sich Daniel immer noch nicht wohl, er blüht aber
etwas auf als er die junge alleinstehende Mutter Katie (Hayley Squires)
und deren Kids Daisy (Brianna Shann) und Dylan (Dylan McCiernan)
kennenlernt. Auch sie kommt von ganz unten und führt täglich den Kampf
gegen die Armut. Die Kinder hungern, sie hat aber vom Sozialamt endlich
eine Wohnung zugewiesen bekommen. Während sie eine Putzstelle sucht,
kämpft sich Daniel durch den Wahnsinn der Behörden. Doch der tägliche
Streß fordert den gesundheitlichen Tribut. Am Tag, an dem über Daniels
Ansprüche entschieden werden, bekommt er einen zweiten Infarkt...
Man ahnt es schon lange vor dem Schluß. Der Film bzw. die
Geschichte geht nicht gut aus und so entlässt uns Ken Loach mit dieser
traurigen Logik. So gesehen ist "Ich, Daniel Blake" einmal mehr ein Werk
mit politischen Ambitionen. Sehr nüchtern, aber extrem realistisch
zeigt Loach diese abgehängten Menschen, die keine Lobby haben und die
sich vielleicht - und das ist das Schlimme daran - heute nur noch mit
einer Proteststimme bei den Wahlen Gehör verschaffen können. Dringender
Handlungsbedarf ist geboten, dass die Armut nicht noch zunimmt und dass
die Schere zwischen Reich und Arm weiter auseinanderdriftet. So gesehen
ist "Ich Daniel Blake" sicherlich einer der wichtigsten Filme dieses Kinojahres.
Bewertung: 8 von 10 Punkten.
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