Regie: Eliza Hittman
Junge Welt aus dem Fugen geraten...
"Wenn zwei Frauen miteinander rummachen, dann ist das heiß. Wenn
das zwei Männer tun, dann sind sie einfach nur schwul" - diese Aussage
stammt aus einem Dialog zwischen dem jungen Frankie (Harris Dickinson)
und seiner neuen Freundin Simone (Madeline Weinstein) aus dem
Independent Film "Beach Rats" von Eliza Hittman
"Beach Rats" spielt auf der Insel Coney Island und seinen Stränden.
Ein Teil von Brooklyn, der zwischen Vergangenheit und Gegenwart
festzustecken scheint. Es ist ein Ort, der eine Geschichte der Gewalt
hat, in denen noch immer häufig Verbrechen gegen Schwarze und Schwule
vorkommen. Im Medium Film wurde Coney Island vor allem durch Walter
Hills "Die Warriors" mit dem Bild des berühmten Denos Wonder Wheel des
dortigen Vergnügungspark geprägt.
In Eliza Hittmans Film begegnen wir einer jungen Welt voller
Emotionen, Begierden, Sorgen und Normen. Damit muss sich der junge
Frankie, der meistens mit seinen drei besten Kumpels Nick (Frank Hakaj),
Alexej (DAvid Ivanov) und Jesse (Anton Selyaninov)abhängt, erst mal
auseinandersetzen. Er sieht sich überhaupt nicht als schwul an, doch er
möchte Sex mit etwas älteren Männern haben. Die Kontakte knüpft er in
aller Heimlichkeit mit seinem Laptop.
Zuhause muss sich die Familie mit dem langsamen Sterben des an
Krebs erkrankten Vater auseinandersetzen. Für Mutter Donna (Kate Hodge)
keine leichte Aufgabe in dieser Zeit eine echte Stütze für ihre Kids
Frankie und Carla (Nicole Fyus) zu sein.
Dem Feuerwerk am Strand von Coney Island kann der Teenager schon
lange nichts mehr abgewinnen. Mit den Freunden werden Drogen
ausprobiert, aber dies verstärkt vermutlich nur noch seine innere
zerissenheit und fördert kaum die Auseinandersetzung mit sich selbst.
Nach aussen hin pflegt er ein Image, das mit ihm selbst wohl kaum etwas
zu tun hat. Für seine Mutter und Schwester muss er nun die Rolle des
"Mann im Haus" übernehmen, für seine Kumpels spielt er den coolen Typen
ohne Verletzlichkeit und für die frisch kennengelernte Simone den harten
Bad Boy. Im Grunde ist Frankie aber ein Junge auf der Suche nach der
eigenen Identität. Keiner darf wisen, dass er sich nachts online in der
reichhaltigen Homo-Szene rumtreibt und sich mit anderen Männern heimlich
am Strand zum anonymen Sex verabredet.
Irgendwann kann diese vielen widersprüchlichen Eindrücke seines
jungen Lebens nicht mehr trennen und das Treffen mit dem etwa
gleichaltigen schwulen Jeremy (Harrison Shehan) wird womöglich sein
ganzes Leben verändern...
Möglicherweise wird es Zuschauer geben, die das offene Ende
enttäuscht bemängeln werden. Mein erster Eindruck war da ähnlich, aber
je mehr man darüber nachdenkt umso mehr macht es Sinn und gehört zum
perfekten Konzept dieses Jugendfilms. Der 1996 in London geborene Harris
Dickinson ist die perfekte Besetzung für die noch nicht ausgereifte
Persönlichkeit, die er darstellt. Dickinson macht die Unsicherheit
spürbar, er strahlt diese Verletzlichkeit aus und der Zuschauer wird aus
diesen Jungen auch selbst nicht schlau. So sind sie nicht mehr im Bilde
wie die Figur selbst.
Was die Regisseurin konsequent vermeidet ist das übliche Schema der
gängigen Coming of Age bzw. Coming out Storys, bei dem der junge Mensch
die Widerstände überwinden muss, ehe er zu sich selbst finden kann.
Deshalb endet die Geschichte offen am Strand. Es könnte ein Ereignis
eingetreten sein, dass über seine Zukunft entscheidet, ohne dass er
jetzt noch Einfluss darauf nehmen könnte. Es könnte aber auch alles
harmlos ausgegangen sein. Das Wasser in der dunklen Nacht legt die
Antwort nicht frei. Befürchtungen und Hoffnungen sind in Frankies
Gesicht abzulesen. Eliza Hittman wandelt auf den Pfaden von Larry Clark,
bleibt aber insgesamt zugänglicher. Mit "Beach Rats" gelang ihr ein
Film der Zeigt was für ein enormer Druck auf jungen Männern lastet, die
traditionell maskulinen Lebensbildern folgen sollen und denen zunächst
keine anderen Rollenmodelle angeboten werden. Sie müssen sich auf die
Suche machen.
Bewertung: 8 von 10 Punkten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen