Samstag, 26. September 2015

Als wir träumten

























Regie: Andreas Dresen

Große Sehnsucht am Stadtrand von Leipzig...

Der 1963 in Gera geborene Andreas Dresen ist sicherlich einer der interessantesten deutschen Regisseure der Gegenwart. Sehr oft setzt er auf einen improvisierten Touch, er verschmäht auch die Handkamera nicht. Dazu erzählt er Geschichten, die das Leben schreibt....das Ganze verpackt in einem sehr realistischen und beinahe schon halbdokumentarischen Stil. Seine "Nachtgestalten" und "Sommer vorm Balkon" haben mir sehr imponiert, die Kritik lobte ihn für "Halbe Treppe" oder "Wolke 9" und seine Filme erhielten schon viele Preise.
Sein neuer Film ist im Leipzig nach der Wende angesiedelt, heißt "Als wir träumten" und basiert auf dem gleichnamigen Roman von Clemens Meyer. "Als wir träumten" ist die Geschichte einer Jugendclique aus Leipzig. Diese Jugendjahre erleben sie in der neuen Zeit nach der Wende und dem Ende der DDR. Dani (Merlin Rose) ist in "Sternchen" (Ruby O. Fee) verliebt, die aber den Ruf hat mit jedem Kerl schon was gehabt zu haben. Rico (Julius Nitschkoff) träumt vom Durchbruch als Boxer. Paul (Frederic Haselon) hat von einer 28jährigen Asiatin, in die er sich verguckt hat, einen Korb bekommen. Mark (Joel Basman) ist anfällig für Drogen und Pitbull (Marcel Heuperman) liefert ihm den Stoff, denn er braucht Kohle und macht den Dealer. Die Jugendlichen haben kein besonderes Ziel und leben irgendwie in den Tag hinein. Die Träume bleiben irgendwie abstrakt, vielleicht ist es ja der Traum vom schwerelosen Leben, vom Festhalten der schönsten Momente, die die Teenager erleben. Neben Alkohol und Drogen, Schlägereien mit Nazis, Kleindiebstählen und Zerstörungswut ist es auch der eigene Technoclub "Eastside", dem sie ihre Begeisterung widmen. Dieser Club wird von den Jungs natürlich illegal in einem alten leerstehenden Fabrikgebäude illegal betrieben, dort am Stadtrand von Leipzig lassen sie es ordentlich krachen. Jung sein, saufen, Pillen einwerfen, Autos knacken oder grölend und besoffen durch die Nacht rasen – das ist Freiheit. Der Weg zum Erwachsenwerden fällt schwer, genauso wie die Umstellung des Wirtschaftssystems. Dabei waren sie noch alle vor kurzem Jungpioniere im Arbeiter- und Bauernstaat (Chiron Elias Krase, Tom von Heymann, Kilian Enzweiler, Nico Ramon Kleemann, Henning Tadäus Beeck und Luna Rösner spielen in Rückblenden die Cliquenmitglieder im Alter von 13 Jahren, als die Mauer noch stand). Am Ende sind die Träume einer desillusionierten Jugend alle geplatzt...



 Andreas Dresen inszeniert die Figuren immer wieder zwischen dem Drahtseilakt einerseits die anarchische Jugend mit allen Exzessen auszuleben, andererseits sehnen sie sich nach den Vorzügen des braven Bürgertums. Sie sind einerseits von der kriminellen Energie fasziniert, andererseits helfen sie auch mal einer Frau aus der Nachbarschaft, die von ihrem betrunkenen Mann geprügelt wird. Einer Rentnerin, die die Jungen in ihre Wohnung einlädt helfen sie, klauen aber auch Geld. Aber eben nicht alles, sondern nur ein bisschen. Es sind diese kleinen Szenen, die vielleicht für etwas Irritation sorgen, aber nahe dran sind am Leben. Dresen zeigt die raue Schale seiner Figuren, aber auch den weichen Kern. Wenn sie beispielsweise bei der Rentnerin Punsch trinken und die scheinbar heile Welt genießen. Alles ist atmosphärisch dicht inszeniert, die Macher haben sehr viel Wert auf die perfekte Ausstattung und stimmige Schaupläzte gewählt. Kraftvoller Film mit kraftvollen, jungen Charakteren, die immer wieder spontan destruktiv reagieren. Unterlegt wird das etwas bittere Coming of Age Geschichte mit Techno Tracks von Marusha, aber auch die Berliner Band Moderat als neuen Vertreter guter elektronischer Musik. Für die Unterteilung der Kapitel hat Andreas Dresen knallig eingeblendete Überschriften gewählt, diesem coolen Style dieser neuen TekknoÄra steht das dreckige und verschwitzte Leben der Protagonisten im alten, zerfallenen Hinterhofmief gegenüber. So ist "Als wir träumten" auch eine Story vom Scheitern. Zu undifferenziert sind die Versuche dem Leben eine neue konstruktive Richtung zu geben.


Bewertung: 9 von 10 Punkten.

Wara no tate - Die Gejagten


























Regie: Takashi Miike

Die gierige und schmutzige Jagd auf Kiyomaru Kunihide...

Ich bin ein Fan der Filme von Takashi Miike, denn sie sind innovativ, eigenwillig und dynamisch. Dem fleissigen Japaner (er dreht in der gleichen Schnelligkeit seine Filme wie damals Rainer Werner Fassbinder) gelingt ein Spagat zwischen Autorenfilm und Blood and Crime.
Seine aufsehenerregendsten Erfogle feierte er im Jahr 2000 mit dem Körperhorrorfilm "Audition" und den beiden bluttriefenden Gangsterfilmen "Dead or Alive" und "Ichi, der Killer".
Nach dem Asia Horror Klassiker "The Call" wurde es etwas stiller um ihn, seine Filme fanden nicht mehr so schnell den Weg in die deutschen Kinos, was eigentlich schade ist, denn er drehte in den leztten Jahren knalligen Kultfilme wie "Sukiyaki Western Django", "Crows", "Crows Zero" - wechselte dann ins Fach des Samurai Films und brillierte auch dort mit den Remakes von "13 Assassins" oder "Hara Kiri".. Selbst der große Akira Kurosawa wäre bei diesen Epen begeistert gewesen. Mit "Ace Attorney" bereicherte er das Gerichtsfilmgenre mit einem extrem originellen und aussergewöhnlichen Beitrag.  Zuletzt drehte er eine japanische Version von "Tötet Mrs. Tingle" - wobei ihm da die Umkehr von Täter und Opfer gefiel. In "Lessons of Evil" ist der attraktive und beliebte Lieblingslehrer der Mörder, der alle Kids an der Highschool aus dem Weg räumen möchte.
Mit "Wara no tate" (Shield of Straw oder Die Gejagten) schaffte er es erstmalig wieder in die deutschen Lichtspielhäuser. Die Zuschauer werden mit einem extrem spannenden Reißer belohnt, der von Studiogigant Warner finanziert wurde und für den Genrefan fast 2 Stunden nervenaufreibende Jagd bietet. Doch neben reichlich Action und Suspence setzt ein Takashi Miike natürlich auch auf die perfekte Figurenzeichnung, auf den Dialog und vor allem liefert er die komplexe Studie über Moral, Rachegedanken und das Selbstverständnis eines Rechtstaates gleich mit in seinem neuen Spannungpaket.
Kiyomaru Kunihide (Tatsuya Fujiwara) ist ein Kinderschänder und Mörder, der nach seiner ersten Tat aus der Haft frei kommt. Kurz darauf wird die Nichte von Ninagawa Takaoki (Tsutomu Yamazaki), einem der reichsten und einflussreichsten Männer Japans, tot aufgefunden. Das 7jährige Mädchen wurde übel missbraucht und danach auf brutalste Weise bis zur Entstellung erschlagen. Der Täter ist Takaoki. Von Hass und Rachegelüsten getrieben kauft der alte Mann Anzeigen in sämtlichen großen Medien des Landes, in denen er zur Jagd nach dem Kinderschänder aufruft. Geld spielt für den totkranken alten Mann keine Rolle mehr, sein letztes Lebensziel ist es, dass irgendjemand - egal wer - die Bestie hinrichtet. 1 Milliarde Yen wartet auf den Vollstrecker. Es dauert nicht lange, da stellt sich ein blutüberströmter Kiyomaru der Polizei, er ist gerade nur knapp dem blutigen Mordversuch eines Freundes entkommen. Nun ist er vorerst in Sicherheit, im Gewahrsam der Polizei von Fukuoka. Doch er muss nach Tokio überführt werden, wo ihm der Prozess gemacht wird. Möglicherweise wird auch dort vor Gericht die Todesstrafe auf ihn warten, doch die ganze Nation - aufgestachelt durch den letzten Willen des Großvaters und der Möglichkeit schnell richtig reich zu werden - will für den Mörder die Hatz, die mit einer brutalen Exekution endet. Secret Police Leutnant Kazuki Mekari (Takao Osawa) und seine kompetente Kollegin Atsuko Shiraiwa (Nanako Matsushima) müssen gemeinsam mit den drei Kollegen aus Fukuoka, Takeshi Okumura (Goro Kishitani), Masaki Kamihashi (Kento Nagayama) und Kenji Sekiya (Masato Ibu) den Angeklagten lebend ins Polizei-Hauptquartier in die Hauptstadt bringen. Sie werden vor die extrem schwierige und lebensgefährlcihe Aufgabe gestellt den gehassten Mann vor einer Masse blutrünstiger Killer zu beschützen. Schnell wird den Fünf klar auf was für ein Himmelfahrtskommando sie sich da eingelassen haben, vor allem merken sie schnell, dass sich die gefährlichsten Gegner in den eigenen Reihen befinden...



Für mich ist es Takashi Miike mit "Wara no tate" gelungen einen seiner besten Filme überhaupt zu machen. Die Story ist knallhart und unberechenbar. Bereits am Anfang wird klar wie stark die Macht des Geldes ist. Noch dazu dann, wenn es darum geht einem Kindermörder die gerechte Strafe zuzuführen. Der Freund, bei dem der Flüchtige unterkam, zieht plötzlich das riesige Messer. Und noch bevor sich der Polizeikonvoy mit dem Mörder auf den Weg begibt, gibt es einen weiteren lebensgefährlichen Zwischenfall im Krankenhaus. Ein Attacke folgt der anderen, Kameramann Nobuyasu Kita hat der Story mit seinen Bildern einen eiskalten, grimmigen Touch verpasst. Die Kämpfe gestalten sich eindringlich, elementar und äusserst blutig. Permanent ist die Atmosphäre der Bedrohung da. Auch bei den fünf Bullen dieses gewagten Sondereinsatzes hat Miike ein paar Überraschungen parat, bald wird klar, dass einer der Fünf ein Maulwurf sein könnte und ein falsches Spiel treibt. Die Darsteller agieren auf hohem Niveau und alle fünf Polizisten, der Mörder und der alte Großvater...sie alle sind glaubwürdig und werden im Lauf der Jagd zu authentischen Persönlichkeiten. Eine brachiale Polizeistory, faszinierend und erschreckend zugleich. Miike ist auch bei diesem Hochglanzthriller kompromisslos...es wird Opfer geben und immer mehr stellt sich die Frage ob sich dieser Einsatz auf Leben und Tod wirklich lohnt. 


Bewertung: 9 von 10 Punkten.

Freitag, 25. September 2015

Tag der Abrechung



Regie: J. Lee Thompson

Ein Fall für St. Ives...

Nicht nur unter der Regie von Michael Winner drehte Charles Bronson viele Filme, auch die Zusammenarbeit mit dem britischen Filmemacher J. lee Thompson (Eiskalt in Alexandrien, Tiger Bay, Köder für die Bestie, Kanonen von Navarone) währte lange Jahre und im Duett brachten sie es auf insgesamt 9 Filme. Den Anfang machte der Kriminalfilm "Tag der Abrechnung" - es folgten "Der Weiße Büffel", "Schatz von Caboblanco", "Der Liquidator", "Mann wie Dynamit", "Murphys Gesetz", "Das weiße im Auge - Death Wish 4" , "Das Gesetz ist der Tod" und "Kinjite ". Sicherlich dürfte vor allem "Ein Mann wie Dynamit" und "Der weiße Büffel" die beiden Highlights dieser Connection sein. Aber auch der 1976 Erstling kann sich sehen lassen. Der Film heißt im Original "St. Ives" und nimmt damit Bezug auf den Titelhelden des Films. Charles Bronson ist Raymond St. Ives, ein leidenschaftlicher Wettspieler und Hobbyautor. Der hat im Moment wenig zu tun, ist chronisch pleite und kann jeden leicht verdienten Dollar gut gebrauchen. Somit kommt der Auftrag des exzentrischen Millionär Abner Procane (John Houseman) wie gerufen. Für den Auftraggeber soll er den Botenjungen spielen. Ein Dieb hat Procanes äusserst wichtige und brisante Tagebücher entwendet und dieser will nun das Diebesgut für eine stattliche Summe an den Besitzer zurückgeben. St. Ives ist mit der Übergabe betraut, die in einem Waschsalon stattfinden soll. Die Geldübergabe scheitert aber daran, dass St. Ives den Empfänger des Geldes nur noch als Leiche antrifft und sehr schnell sind auch die Bullen (Harry Guardino/Haris Yulin) vor Ort. Der Journalist steckt nun unweigerlich mit in der verzwickten Geschichte und beginnt auf eigene Faust zu ermitteln. Welche Rolle spielt sein Auftraggeber, der den ganzen Tag Stummfilme anschaut und was steckt hinter den vermissten Unterlagen? Und welche Rolle spielt die schöne Janet Whistler (Jacqueline Bisset), eine Mitarbeiterin von Prcane und auch dessen Psychotherapeut Constable (Maximilian Schell) erscheint mehr als merkwüridg. Dabei wird die Sache für Glückspieler, der hier zum Schnüffler wird, immer gefährlicher....

und bald soll er auch ermordet werden. Eine Gruppe von Kriminellen (darunter wie bereits in "Death Wish" der junge noch unbekannte Jeff Goldblum) hat den Auftrag ihn zum Schweigen zum Bringen, ansonsten macht Charles Bronson in dem lockeren Film eine gute Figur wie immer. Ein bisschen ist man erinnert an "Tote schlafen fest" als großes Vorbild, vor allem in der Szene, in der Bronson das Herrenhaus des Auftraggebers betritt und den ersten Kontakt mit ihm hat. Das erinnert an das Zusammentreffen von Philipp Marlowe mit General Sternwood. Wie im Hawks Klassiker tummeln sich im Haus einige neurotische Figuren der Story. Somit ein bisschen Noir, aber mit ganz starkem Siebziger Jahre zeitkolorit. Zu sehen in den Großstadtbildern, die Straßen sind mal vornehm-mondän, dann eher wieder schmuddelig fotografiert. Die Story ist mittelmässig, aber Charles Bronson mit seiner Coolness reißt alles raus.

Bewertung: 6,5 von 10 Punkten.

Run all night

















Regie: Jaume Collet-Sera

Die Nacht des Totengräbers...

Der aus Nordirland stammende Schauspieler Liam Neeson überzeugt immer mehr als authentischer Actionheld und seine Arbeiten in diesem Genre könnten in ein paar Jahren bereits Kultstatus haben. Überzeugend war "96 Hours" (Taken), der jetzt schon zwei Fortsetzungen hat, aber auch der eher stille "A Walk among the Tombstones" konnte durch sich steigernde Spannung überzeugen. Auch "The Grey" darf in dieser Aufzählung nicht vergessen werden. Mit dem spanischen Regisseur Jaume Collet-Sera (House of Wax, Orphan) drehte er jetzt nach "Unknown Identiy" und "Non Stop" einen weiteren Film. Und auch "Run all night" ist ein recht überzeugenden Thriller.
Liam Neeson spielt darin den "Totengräber", so zumindest wurde der Auftragskiller Jimmy Conlon von seinem Arbeitgeber und Freund Shawm Maguire (Ed Harris) aber auch von seinen Feinden genannt. Doch die Zeiten haben sich geändert. Die Gangster von einst sind alt geworden und in den ersten Szenen wirkt es so als wäre der Totengräber ziemlich heruntergekommen. Er steht aber immer noch auf der Gehaltsliste seines Freundes, der ebenfalls inzwischen betagt, nicht mehr die großen kriminellen Geschäfte abwickeln will. Doch in dieser einen Nacht geschieht so viel und alles verändert sich in dieser Nacht. Als Zuschauer lernen wir die beiden Söhne der Freunde kennen. Shawns Sohn Danny (Boyd Holbrook) ist ein unbesonnener Hitzkopf, der der albanischen Mafia Geld schuldet, jedoch versucht die Gläubiger mit seinem Vater zusammenzubringen. Doch die geplante Fusion scheitert an Shawn, dem die Drogengeschäfte mit den Albanern zu heiss sind. Das wieder bringt seinen Sohn in große Gefahr, denn er hat Schulden, die er nicht begleichen kann.
Auch Jimmy Conlon hat einen Sohn. Doch Mike Conlon (Joel Kinnaman) hält nicht viel von seinem Vater, die beiden haben sich schon lange nichts mehr zu sagen. Mike hat den bürgerlichen Weg eingeschlagen, betreut als Boxcoach Jungs aus dem Viertel und will von seinem Vater, dem ausgedienten Profikiller und Mob-Handlanger nichts mehr wissen. Doch in dieser Nacht hat er dessen Hilfe bitter nötig. Mike arbeitet als Fahrer. In dieser Nacht fährt er Mikes Sohn zu den Albanern und wird Augenzeuge, wie Danny seine Gläubiger abknallt. Nun steht er selbst auf der Abschußliste. Sein Vater bekommt Wind von der Sache und kann seinen Sohn in letzter Sekunde retten. Doch der beste Killer der Stadt (Common) hat bereits den Auftrag Mike zu exekutieren. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt. Auch die Bullen sind nicht untätig. Vielleicht schlägt heute auch die Stunde von Detective John Harding (Vincent D´Onofrio), der schon lange der irischen Mafia verfolgt, aber weder Jimmy noch Shawn je etwas nachweisen konnte...

 "Run all night" erweist sich als spannender Reißer ohne Längen, die Spannung bleibt bis zum Ende. Auch wenn vieles zugeschnitten ist auf die beiden Darsteller Liam Neeson und Ed Harris, allerdings sind beide Figuren keine Sympathieträger. Auch nicht Liam Neeson, der im Laufe der Geschichte zwar als Vater alles tut um seinen Sohn zu retten, aber je mehr die Geschichte Einblick in dessen Leben gibt, desto mehr wird auch der eiskalte Killer sichtbar, der nicht davor zurückschreickt auch Familienmitglieder für seinen geliebten Boss zu töten. In einer kleinen Rolle ist sogar Nick Nolte zu sehen.


Bewertung: 7 von 10 Punkten.

Schändung

























Regie: Mikkel Norgaard

Die Fasanentöter...

2013 kam mit "Erbarmen" die erste Romanverfilmung von Jussi Adler-Olsen über das Sonderdezernat Q in die Kinos. Der dänische Thriller von Mikkel Nørgaard konnte inhaltlich sehr überzeugen, nun gibt es Nachschlag mit "Schändung".  Auch der neue Fall wurde wieder von Norgaard inszeniert. Hauptcharakter ist Vizekommissar Carl Morck (Nikolaj Lie Kas) der seit 25 Jahren für die Kopenhagener Mordkommission arbeitet. Der sehr stille, wortkarge mann lebt seit einigen Jahren von seiner Frau getrennt, aber sein Sohn Jesper (Anton Honik) lebt bei ihm als Untermieter in einem Haus in Allerod. Morck wurde von seinem Boss Marcus Jacobsen (Sören Pilmark) in das sogenannte "Sonderdezernat Q" im Keller des Polizeipräsidiums strafversetzt. Ihm zu Seite stehen seine Assistenten Hafez el-Assad (Fares Fares) und  Rose Kndusen (Johanne Louise Schmidt). Die Aufgabe dieses Dezernats ist das Neuaufrollen alter, unaufgeklärter Verbrechensfälle.
In "Schändung" beschäftigt sich Carl Morck mit einem Doppelmord, der sich am 2. August 1987 ereignete. Die zwei Kinder eines Kriminalkommissars - beide Schüler in einem Eliteinternat in Rodovre - wurden damals brutal ermordet. Es gab damals einen Anfangsverdacht gegen eine Schülerclique, doch den Verdächtigen Kimmie (Sarah Sophie Boussnina), Ditlev (Marco Ilso) und Ulrik (Philip Stilling) kann nichts nachgewiesen werden, zumal dann auch mit Bjarne (Adam Ild Rohweder) ein anderer Schüler, mit den Verdächtigen befreundet, die Tat zugibt. Er bekommt eine verhältnsimäßig milde Haftstrafe und wird nach ein paar Jahren aus dem Staatsgefängnis entlassen. Der Vater der ermordeten Kids hatte aber nie daran geglaubt, dass Bjarne der Alleinschuldige war. Die Ermittlungen gestalten sich schwierig, zumal die damaligen Verdächtigen Ulrik Dybbol (David Dencik) und Ditlev Pram (Pilou Asbaek) heute angesehene Wohlstandsbürger und erfolgreiche Geschäftsmänner sind. Und Kimmie (Danica Curcic) ist seit jahren verschwunden...
Unterbrochen von Rückblenden, die mit den Ermittlungsschritten korrespondieren, entwickelt sich auf diese Weise die Geschichte von reichen Jugendlichen, die die Leere und Lieblosigkeit ihres Lebens mit Gewalt füllen. Dabei knüpfen Regisseur Mikkel Nørgaard und das Drehbuch von Nikolaj Arcel und Rasmus Heisterberg an die Qualitäten der ersten Verfilmung von Jussi Adler-Olsens Bestsellerreihe an. Die Handlung ist perfekt gestrafft, Nebenhandlungsstränge wurden entweder gekürzt oder gestrichen (das Buch ist vielschichtiger und komplexer) und zwischen den beiden Ermittlern Mørck und Assad existiert eine gleichberechtigte Beziehung..


 Auch atmosphärisch setzt der Film weiterhin auf die aus Skandinavienkrimis bewährte Düsternis, die sowohl die Obdachlosen-Szenen als auch die Jagdgesellschaften im Landhaus ausmachen. Dazu gehört ebenfalls Gewalt, die bereits von den Jugendlichen maßlos verübt wird.
Allerdings hat mir der erste Film doch besser gefallen, die Geschichte ist gut, aber wirkt etwas konstruiert und auch etwas unlogisch - vor allem die Frau, die seit 20 Jahren im Obdachlosenmilieu auf der Flucht ist und nie gefunden wurde - erst mit dem Auftauchen der Detektives, die den Fall wieder aufrollen. Darüberhinaus erinnert die Figur der "Kimmie" ein bisschen an Stieg Larssons Antiheldin Lisbeth Salander. 


Bewertung: 7 von 10 Punkten.

Mittwoch, 2. September 2015

Lebewohl meine Konkubine

























Regie: Chen Kaige

Sehnsucht nach dem irdischen Leben...

Die Pekingoper "Lebewohl meine Konkubine" spielt zur Zeit der Machtkämpfe zwischen den Chu und den Han. Der König war damals überaus mächtig. Am Ende blieben ihm aber nur eine Frau und ein Pferd. Er wollte, dass seine Konkubine auch flieht. Aber sie blieb bei ihm. Ein letztes Mal goss sie ihrem Geliebten Wein ein, tanzte für ihn den letzten Schwerttanz und erstach sich danach mit dem Schwert. Sie blieb ihrem König treu ergeben bis in den Tod. Chen Kaiges Meisterwerk beginnt im China des Jahres 1977, kurz nach dem Ende der sogenannten Kulturrevolution. Auf einer Bühne trifft der Peking-Opernstar Cheng Dieyi (Leslie Cheung) nach 11 Jahren seinen ehemaligen Partner Duan Yialou (Zhang Fengyi) wieder. Beide Schauspieler haben ihr altes prächtiges Opernkostüm an, sind edel maskiert und geschminkt. Der eine als Mann und der andere als Frau. Der König und seine Konkubine. Der Hausmeister ist der einzige Zuschauer, erkennt aber die Stars sofort wieder. Dann tut sich für den Zuschauer in einer Rückblende die jüngste Geschichte Chinas auf. Es ist eine Geschichte von Diktatur, Bürgerkrieg und Revolution, vom Theater und vom Leben. Aber auch die Geschichte dieser beiden Männer, die sich schon seit ihrer Kindheit kennen und miteinander befreundet sind. Damals noch als Schauspielschüler Shitou (Kind: Fei Yong/Teenager: Zhao Holong) und Douzi (Kind: Ma Mingwei/Teenager: Yin Zhi). Letzterer wird zuerst von Meister abgelehnt, da er wenig Talent bei dem sensiblen Jungen wahrnimmt und auch einen sechsten Finger an dessen Hand. Die Mutter (Wenli Jiang) trennt ihn kurzerhand mit einem Messer ab. Der Junge soll es besser haben. Und die Lehrer sagen tatsächlich "Ihr habt bei uns das große Los gezogen" - die Realität wird aber bestimmt durch unmenschliche Prügel und Foltermethoden. Mit Ziegelsteinen werden die Beine auseinandergerissen, damit der Spagat gelingt. Jeder falsche Schritt ein Schlag und auch für den falschen Text, den Douzi immer wieder aufsagt "Die kleine Nonne ist eben erst 16 geworden und ihr langes und sehr hübsches Haar ist ihr von der Meisterin abgeschnitten worden, ich bin eigentlich ein Jüngling und keine zarte Schönheit"...dabei müsste es "ich bin eigentlich eine zarte Schönheit und kein Jüngling, weswegen trage ich eine gelbe Kutte um die Hüfte" heissen. Doch dieser Satz will nicht über seine Lippen. Irgendwann, nach viel Tränen, viel Blut und mit Hilfe der glühenden Tonpfeife des Lehrers,  sitzt aber genau dieser Satz in höchster Vollendung und Perfektion und der kleine Schauspieler identifiziert sich immer mehr zu 100 Prozent mit seiner Rolle als Konkubine. Die beiden werden erwachsen und er wird sich schmerzlich bewusst, dass er seinen Freund Shitou liebt. Doch diese Liebe bleibt unerfüllt und wird nur auf der Bühne in der Form des tragisches Pekingopernstücks zelebriert. Diese Vorstellungen bedeuten dem Schauspieler aber alles. Doch Shitou lernt im Haus der Blüten die Prostituierte Juxian (Gong Li) kennen und nimmt sie zur Frau, was zu großen Spannungen zwischen den beiden Freunden führt....



Juxian braucht einen Beschützer, aber am Ende schützt sie die Männer voreinander und vor der Wirklichkeit„"Lebewohl meine Konkubine" erzählt neben der jüngsten chinesischen Geschichte (vom alten China der alten Generäle der zwanziger Jahre, den japanischen Besatzern, den Kuomintang, den Kommunisten und den Reformern ) auch eine komplizierte Dreieckstragödie zwischen einem Mann, einer Frau und einem Homosexuellen, der seine Sehnsüchte nie ausleben kann und daher eine Besessenheit für seine Rolle wählt. In diesen Zeiten der vielen Umstürze und ständigen gesellschaflichen Wandlungen ist es schwierig für die Schauspieler neutral zu bleiben. Sie werden sich immer wieder politisch positionieren müssen, der Künstler muss zur "Hure" werden, wenn er überleben will. Besonders beängstigend ist eine der Schlußszenen, während die Kostüme der Schauspieler im Feuer lodern und die Akteure öffentlich als Verräter vorgeführt werden. Die Kulturrevolution wird inszeniert als eine flammende Inquisition. Das Propagandarot der Fahnen und Straßenumzüge macht richtig Angst -die Hitze verzerrt die Masken, die die Angeklagten tragen müssen, zu hysterischen Fratzen. Die Freunde werden einander zu Monstern und so werden die Verratenen selbst zu Verrätern. Am Ende kann nur der Tod die Erlösung bringen.
Chen Kaiges Film entstand 1993 und bekam im gleichen Jahr in Cannes die Palme D´Or zugesprochen. Es folgte eine Oscar-Nominierung als bester fremdsprachiger Film, musste sich allerdings von Fernando Truebas "Belle Epoque" geschlagen geben. Besser liefs bei der Golden Globe und BAFTA Verleihung. Dort konnte der Film den begehrten Preis als bester Auslandsfilm gewinnen. Veredelt wurde das Meisterwerk zustätzlich durch die geniale Kameraarbeit von Gu Changwei. Für mich ist das 171 Minuten lange morbide Epos einer der besten Filme der 90er Jahre.




Bewertung: 10 von 10 Punkten.