Regie: Andreas Dresen
Große Sehnsucht am Stadtrand von Leipzig...
Der 1963 in Gera geborene Andreas Dresen ist sicherlich einer der
interessantesten deutschen Regisseure der Gegenwart. Sehr oft setzt er
auf einen improvisierten Touch, er verschmäht auch die Handkamera nicht.
Dazu erzählt er Geschichten, die das Leben schreibt....das Ganze
verpackt in einem sehr realistischen und beinahe schon
halbdokumentarischen Stil. Seine "Nachtgestalten" und "Sommer vorm
Balkon" haben mir sehr imponiert, die Kritik lobte ihn für "Halbe
Treppe" oder "Wolke 9" und seine Filme erhielten schon viele Preise.
Sein
neuer Film ist im Leipzig nach der Wende angesiedelt, heißt "Als wir
träumten" und basiert auf dem gleichnamigen Roman von Clemens Meyer.
"Als wir träumten" ist die Geschichte einer Jugendclique aus Leipzig.
Diese Jugendjahre erleben sie in der neuen Zeit nach der Wende und dem
Ende der DDR. Dani (Merlin Rose) ist in "Sternchen" (Ruby O. Fee)
verliebt, die aber den Ruf hat mit jedem Kerl schon was gehabt zu haben.
Rico (Julius Nitschkoff) träumt vom Durchbruch als Boxer. Paul
(Frederic Haselon) hat von einer 28jährigen Asiatin, in die er sich
verguckt hat, einen Korb bekommen. Mark (Joel Basman) ist anfällig für
Drogen und Pitbull (Marcel Heuperman) liefert ihm den Stoff, denn er
braucht Kohle und macht den Dealer. Die Jugendlichen haben kein
besonderes Ziel und leben irgendwie in den Tag hinein. Die Träume
bleiben irgendwie abstrakt, vielleicht ist es ja der Traum vom
schwerelosen Leben, vom Festhalten der schönsten Momente, die die
Teenager erleben. Neben Alkohol und Drogen, Schlägereien mit Nazis,
Kleindiebstählen und Zerstörungswut ist es auch der eigene Technoclub
"Eastside", dem sie ihre Begeisterung widmen. Dieser Club wird von den
Jungs natürlich illegal in einem alten leerstehenden Fabrikgebäude
illegal betrieben, dort am Stadtrand von Leipzig lassen sie es
ordentlich krachen. Jung sein, saufen, Pillen einwerfen, Autos knacken
oder grölend und besoffen durch die Nacht rasen – das ist Freiheit. Der
Weg zum Erwachsenwerden fällt schwer, genauso wie die Umstellung des
Wirtschaftssystems. Dabei waren sie noch alle vor kurzem Jungpioniere im
Arbeiter- und Bauernstaat (Chiron Elias Krase, Tom von Heymann, Kilian
Enzweiler, Nico Ramon Kleemann, Henning Tadäus Beeck und Luna Rösner
spielen in Rückblenden die Cliquenmitglieder im Alter von 13 Jahren, als
die Mauer noch stand). Am Ende sind die Träume einer desillusionierten
Jugend alle geplatzt...
Andreas Dresen inszeniert die Figuren
immer wieder zwischen dem Drahtseilakt einerseits die anarchische Jugend
mit allen Exzessen auszuleben, andererseits sehnen sie sich nach den
Vorzügen des braven Bürgertums. Sie sind einerseits von der kriminellen
Energie fasziniert, andererseits helfen sie auch mal einer Frau aus der
Nachbarschaft, die von ihrem betrunkenen Mann geprügelt wird. Einer
Rentnerin, die die Jungen in ihre Wohnung einlädt helfen sie, klauen
aber auch Geld. Aber eben nicht alles, sondern nur ein bisschen. Es sind
diese kleinen Szenen, die vielleicht für etwas Irritation sorgen, aber
nahe dran sind am Leben. Dresen zeigt die raue Schale seiner Figuren,
aber auch den weichen Kern. Wenn sie beispielsweise bei der Rentnerin
Punsch trinken und die scheinbar heile Welt genießen. Alles ist
atmosphärisch dicht inszeniert, die Macher haben sehr viel Wert auf die
perfekte Ausstattung und stimmige Schaupläzte gewählt. Kraftvoller Film
mit kraftvollen, jungen Charakteren, die immer wieder spontan destruktiv
reagieren. Unterlegt wird das etwas bittere Coming of Age Geschichte
mit Techno Tracks von Marusha, aber auch die Berliner Band Moderat als
neuen Vertreter guter elektronischer Musik. Für die Unterteilung der
Kapitel hat Andreas Dresen knallig eingeblendete Überschriften gewählt,
diesem coolen Style dieser neuen TekknoÄra steht das dreckige und
verschwitzte Leben der Protagonisten im alten, zerfallenen Hinterhofmief
gegenüber. So ist "Als wir träumten" auch eine Story vom Scheitern. Zu
undifferenziert sind die Versuche dem Leben eine neue konstruktive
Richtung zu geben.
Bewertung: 9 von 10 Punkten.
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