Samstag, 26. September 2015

Als wir träumten

























Regie: Andreas Dresen

Große Sehnsucht am Stadtrand von Leipzig...

Der 1963 in Gera geborene Andreas Dresen ist sicherlich einer der interessantesten deutschen Regisseure der Gegenwart. Sehr oft setzt er auf einen improvisierten Touch, er verschmäht auch die Handkamera nicht. Dazu erzählt er Geschichten, die das Leben schreibt....das Ganze verpackt in einem sehr realistischen und beinahe schon halbdokumentarischen Stil. Seine "Nachtgestalten" und "Sommer vorm Balkon" haben mir sehr imponiert, die Kritik lobte ihn für "Halbe Treppe" oder "Wolke 9" und seine Filme erhielten schon viele Preise.
Sein neuer Film ist im Leipzig nach der Wende angesiedelt, heißt "Als wir träumten" und basiert auf dem gleichnamigen Roman von Clemens Meyer. "Als wir träumten" ist die Geschichte einer Jugendclique aus Leipzig. Diese Jugendjahre erleben sie in der neuen Zeit nach der Wende und dem Ende der DDR. Dani (Merlin Rose) ist in "Sternchen" (Ruby O. Fee) verliebt, die aber den Ruf hat mit jedem Kerl schon was gehabt zu haben. Rico (Julius Nitschkoff) träumt vom Durchbruch als Boxer. Paul (Frederic Haselon) hat von einer 28jährigen Asiatin, in die er sich verguckt hat, einen Korb bekommen. Mark (Joel Basman) ist anfällig für Drogen und Pitbull (Marcel Heuperman) liefert ihm den Stoff, denn er braucht Kohle und macht den Dealer. Die Jugendlichen haben kein besonderes Ziel und leben irgendwie in den Tag hinein. Die Träume bleiben irgendwie abstrakt, vielleicht ist es ja der Traum vom schwerelosen Leben, vom Festhalten der schönsten Momente, die die Teenager erleben. Neben Alkohol und Drogen, Schlägereien mit Nazis, Kleindiebstählen und Zerstörungswut ist es auch der eigene Technoclub "Eastside", dem sie ihre Begeisterung widmen. Dieser Club wird von den Jungs natürlich illegal in einem alten leerstehenden Fabrikgebäude illegal betrieben, dort am Stadtrand von Leipzig lassen sie es ordentlich krachen. Jung sein, saufen, Pillen einwerfen, Autos knacken oder grölend und besoffen durch die Nacht rasen – das ist Freiheit. Der Weg zum Erwachsenwerden fällt schwer, genauso wie die Umstellung des Wirtschaftssystems. Dabei waren sie noch alle vor kurzem Jungpioniere im Arbeiter- und Bauernstaat (Chiron Elias Krase, Tom von Heymann, Kilian Enzweiler, Nico Ramon Kleemann, Henning Tadäus Beeck und Luna Rösner spielen in Rückblenden die Cliquenmitglieder im Alter von 13 Jahren, als die Mauer noch stand). Am Ende sind die Träume einer desillusionierten Jugend alle geplatzt...



 Andreas Dresen inszeniert die Figuren immer wieder zwischen dem Drahtseilakt einerseits die anarchische Jugend mit allen Exzessen auszuleben, andererseits sehnen sie sich nach den Vorzügen des braven Bürgertums. Sie sind einerseits von der kriminellen Energie fasziniert, andererseits helfen sie auch mal einer Frau aus der Nachbarschaft, die von ihrem betrunkenen Mann geprügelt wird. Einer Rentnerin, die die Jungen in ihre Wohnung einlädt helfen sie, klauen aber auch Geld. Aber eben nicht alles, sondern nur ein bisschen. Es sind diese kleinen Szenen, die vielleicht für etwas Irritation sorgen, aber nahe dran sind am Leben. Dresen zeigt die raue Schale seiner Figuren, aber auch den weichen Kern. Wenn sie beispielsweise bei der Rentnerin Punsch trinken und die scheinbar heile Welt genießen. Alles ist atmosphärisch dicht inszeniert, die Macher haben sehr viel Wert auf die perfekte Ausstattung und stimmige Schaupläzte gewählt. Kraftvoller Film mit kraftvollen, jungen Charakteren, die immer wieder spontan destruktiv reagieren. Unterlegt wird das etwas bittere Coming of Age Geschichte mit Techno Tracks von Marusha, aber auch die Berliner Band Moderat als neuen Vertreter guter elektronischer Musik. Für die Unterteilung der Kapitel hat Andreas Dresen knallig eingeblendete Überschriften gewählt, diesem coolen Style dieser neuen TekknoÄra steht das dreckige und verschwitzte Leben der Protagonisten im alten, zerfallenen Hinterhofmief gegenüber. So ist "Als wir träumten" auch eine Story vom Scheitern. Zu undifferenziert sind die Versuche dem Leben eine neue konstruktive Richtung zu geben.


Bewertung: 9 von 10 Punkten.

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