Regie: Lars Kraume
Politisches Erwachen und Solidarität in der Zeit des Kalten Krieges...
"Das schweigende Klassenzimmer" erzählt ein zutiefst bewegendes
Kapitel aus dem Tagebuch des Kalten Krieges - die Geschichte hat sich
tatsächlich so zugetragen und basiert auf den persönlichen Erlebnissen
und der Buchvorlage von Dietrich Garska.
Garska war einer von 19 Abiturienten, die 1956 eine Schweigeminute
wegen den Aufständen in Ungarn abhielten und dadurch unter massiven
Druck seitens des Staatsapparates der DDR kamen.
Dabei erweist sich Regisseur Lars Kraume, der auch fürs Fernsehen
insgesamt 7 Tatort Folgen inszenierte, einmal mehr als Chronist für
jüngere deutsche Geschichte.
Sein 2015 erschienener Film "Der Staat gegen Fritz Bauer" wurde mit
insgesamt 6 deutschen Filmpreisen ausgezeichnet, darunter mit dem
Hauptpreis als bester deutscher Film des Jahres.
Sein nachfolgender Fernsehfilm "Terror - Ihr Urteil" wurde von fast 8 Millionen Zuschauern im deutschsprachigen Raum verfolgt.
"Das schweigende Klassenzimmer" war erneut ein aussichtsreicher
Kandidat für den deutschen Filmpreis 2018. Aber trotz 4 Nominierungen
(Bester Film, Beste Kamera, Beste Kamera, Bestes Kostümbild) ging
Kraumes interessante Geschichtsstunde leider leer aus.
Stalinstadt im Jahr 1956: Noch gibt es keine Mauer, aber dafür
strenge Grenzkontrollen herrschen vor. Die beiden Schüler Theo Lemke
(Leonard Scheicher) und Kurt Wächter (Tom Gramenz) sind beste Freunde
und wenn Tom das Grab seines Großvaters im Westen besucht, dann kommt
Theo meistens mit. Denn anschließend gehts ins Kino. Vor dem Hauptfilm
"Liane" gibts die Wochenschau und die berichtet über den Volksaufstand
in Ungarn. Und die Berichterstattung klingt natürlich ganz anders als im
Arbeiter- und Bauernstaat. Die sowjetischen Besatzer sind bei den
jungen Abiturierten auch nicht sonderlich beliebt. Am Tag darauf kommt
Kurt - bevor der Unterricht in Geschichte beginnt - auf die Idee zwei
Schweigeminuten aus Solidarität mit den Ungarn abzuhalten. Dem Lehrer
sagen sie kein Wort, der wundert sich zuerst und wird immer wütender,
weil keiner ihm eine Antwort gibt. Erik (Jonas Dassler) klärt auf, doch
der Lehrer ist schon unterwegs zum Rektor Schwarz (Florian Lukas), um
den Ungehorsam zu melden. Dieser sieht in dieser Aktion eher einen
Streich der Jugendlichen und will das Geschehen so klein wie möglich
halten. Doch da bereits andere Lehrer davon erfahren haben, geht das
Ignorieren nicht mehr.
Mehr noch. Es schaltet sich Frau Kessler (Jördis Triebel) von der
Partei ein und bald taucht auch Volksbildungsminister Lange (Burkhart
Klaußner) auf, der die Schweigeminute als Konterrevolution ansieht. Die
Schüler werden gegeneinander ausgespielt und bald verrät einer, dass sie
den Westsender RIAS beim schwulen Onkel (Michael Gwisdek) von
Abiturient Paul (Isaiah Michalski) hören. Auch die Eltern der Schüler
werden ins Geschehen gerissen. Während dieser Zeit verliebt sich Theos
Mädchen Lena (Lena Klenke) auch noch in Kurt...
Kraume schafft mit seinem Film ein ständiges Unbehagen durch das
Klima von Bespitzelung und Denunziantentum. Er zeigt aber auch durch ein
sehr gut gecastetes Ensemble mit vielen Jungschauspielern das
politische Erwachen und er plädiert für die Solidarität und den freien
Geist. Hier bekommt Michael Gwisdeck in einer Schlüsselszene einen sehr
ergreifenden Dialog, bei dem die Teenager erkennen, wieviel politisches
Gewicht und welche Gefahr in dieser Aktion abseits des Staatsapparates
steckt. Krauma findet, dass historische Filme immer eine Aussage treffen
müssen, die auch heute eine Bedeutung hat. In diesem Fall ist es, das
man irgendwann in seiner Jugend ein politisch denkender Mensch wird.
Kraume plädiert für das Positionieren. Dabei hat er sich bemüht aus den
Erlebnissen von Gartka eine effektive Filmform zu finden. Dies ist ihm
überzeugend gelungen. Der Film begeistert durch sein Setting, durch die
Schausspieler, durch die straffe Inszenierung, durch ein gutes Buch und
durch seine präzise Aussage.
Bewertung: 8 von 10 Punkten.
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