Montag, 8. Oktober 2018

Das schweigende Klassenzimmer

























Regie: Lars Kraume

Politisches Erwachen und Solidarität in der Zeit des Kalten Krieges...

"Das schweigende Klassenzimmer" erzählt ein zutiefst bewegendes Kapitel aus dem Tagebuch des Kalten Krieges - die Geschichte hat sich tatsächlich so zugetragen und basiert auf den persönlichen Erlebnissen und der Buchvorlage von Dietrich Garska.
Garska war einer von 19 Abiturienten, die 1956 eine Schweigeminute wegen den Aufständen in Ungarn abhielten und dadurch unter massiven Druck seitens des Staatsapparates der DDR kamen.
Dabei erweist sich Regisseur Lars Kraume, der auch fürs Fernsehen insgesamt 7 Tatort Folgen inszenierte, einmal mehr als Chronist für jüngere deutsche Geschichte.
Sein 2015 erschienener Film "Der Staat gegen Fritz Bauer" wurde mit insgesamt 6 deutschen Filmpreisen ausgezeichnet, darunter mit dem Hauptpreis als bester deutscher Film des Jahres.
Sein nachfolgender Fernsehfilm "Terror - Ihr Urteil" wurde von fast 8 Millionen Zuschauern im deutschsprachigen Raum verfolgt.
"Das schweigende Klassenzimmer" war erneut ein aussichtsreicher Kandidat für den deutschen Filmpreis 2018. Aber trotz 4 Nominierungen (Bester Film, Beste Kamera, Beste Kamera, Bestes Kostümbild) ging Kraumes interessante Geschichtsstunde leider leer aus.
Stalinstadt im Jahr 1956: Noch gibt es keine Mauer, aber dafür strenge Grenzkontrollen herrschen vor. Die beiden Schüler Theo Lemke (Leonard Scheicher) und Kurt Wächter (Tom Gramenz) sind beste Freunde und wenn Tom das Grab seines Großvaters im Westen besucht, dann kommt Theo meistens mit. Denn anschließend gehts ins Kino. Vor dem Hauptfilm "Liane" gibts die Wochenschau und die berichtet über den Volksaufstand in Ungarn. Und die Berichterstattung klingt natürlich ganz anders als im Arbeiter- und Bauernstaat. Die sowjetischen Besatzer sind bei den jungen Abiturierten auch nicht sonderlich beliebt. Am Tag darauf kommt Kurt - bevor der Unterricht in Geschichte beginnt - auf die Idee zwei Schweigeminuten aus Solidarität mit den Ungarn abzuhalten. Dem Lehrer sagen sie kein Wort, der wundert sich zuerst und wird immer wütender, weil keiner ihm eine Antwort gibt. Erik (Jonas Dassler) klärt auf, doch der Lehrer ist schon unterwegs zum Rektor Schwarz (Florian Lukas), um den Ungehorsam zu melden. Dieser sieht in dieser Aktion eher einen Streich der Jugendlichen und will das Geschehen so klein wie möglich halten. Doch da bereits andere Lehrer davon erfahren haben, geht das Ignorieren nicht mehr.
Mehr noch. Es schaltet sich Frau Kessler (Jördis Triebel) von der Partei ein und bald taucht auch Volksbildungsminister Lange (Burkhart Klaußner) auf, der die Schweigeminute als Konterrevolution ansieht. Die Schüler werden gegeneinander ausgespielt und bald verrät einer, dass sie den Westsender RIAS beim schwulen Onkel (Michael Gwisdek) von Abiturient Paul (Isaiah Michalski) hören. Auch die Eltern der Schüler werden ins Geschehen gerissen. Während dieser Zeit verliebt sich Theos Mädchen Lena (Lena Klenke) auch noch in Kurt...



Kraume schafft mit seinem Film ein ständiges Unbehagen durch das Klima von Bespitzelung und Denunziantentum. Er zeigt aber auch durch ein sehr gut gecastetes Ensemble mit vielen Jungschauspielern das politische Erwachen und er plädiert für die Solidarität und den freien Geist. Hier bekommt Michael Gwisdeck in einer Schlüsselszene einen sehr ergreifenden Dialog, bei dem die Teenager erkennen, wieviel politisches Gewicht und welche Gefahr in dieser Aktion abseits des Staatsapparates steckt. Krauma findet, dass historische Filme immer eine Aussage treffen müssen, die auch heute eine Bedeutung hat. In diesem Fall ist es, das man irgendwann in seiner Jugend ein politisch denkender Mensch wird. Kraume plädiert für das Positionieren. Dabei hat er sich bemüht aus den Erlebnissen von Gartka eine effektive Filmform zu finden. Dies ist ihm überzeugend gelungen. Der Film begeistert durch sein Setting, durch die Schausspieler, durch die straffe Inszenierung, durch ein gutes Buch und durch seine präzise Aussage.



Bewertung: 8 von 10 Punkten. 

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