Regie: John Frankenheimer
Wildes Buzkashi...
John Frankenheimers allgemein anerkannte Meisterwerke wie "Der
Gefangene von Alcatraz", "Botschafter der Angst" oder "Der Mann, der
zweimal lebte" entstanden alle in den 60er Jahren. In den späten
Schaffensphase gelangen ihm mit "Ronin" und "Wild Christman" noch einmal
zwei sehr geglückte Genrefilme. Ab den 70ern hatte er aber eine länger
andauernde Durststrecke, seinen sehr unterschiedlichen Arbeiten war
meistens kein großer Erfolg beschieden. Der 1971 in herrlichen Eastman
Color Aufnahmen gedrehte "Die Steppenreiter" kam nur auf ein
Einspielergbnis von 4,8 Millionen Dollar, blieb also deutlich hinter den
Erwartungen zurück. Dennoch schätzte der Regisseur diesen Abenteuerfilm
als einen seiner besten ein.
Die Geschichte basiert auf dem Roman von Joseph Kessel und steckt
tatsächlich voller faszinierender Bilder und viel exotischem Flair. Dies
wird schon in der wunderschönen Anfangssequenz sichtbar, in der
Kameramann Claude Renoir dieses fremde Panorama eröffnet und dem
Zuschauer die Gipfel zerklüfteter, brauner Bergketten Afghanistans
zeigt. Dort blicken die Chapandaz, diese stolzen Reiter, auf dem Rücken
ihrer edlen Pferde von ganz weit oben hinunter in die Täler, auf die
sich vor ihnen ausbreitende, sehr wilde Landschaft. Wie einsame Wächter
stehen sie da, begleitet werden sie vom Klang der Hörner, die einen
unheimlichen Widerhall erzeugen. Sofort hat Frankenheimer damit einen
die Stimmung der folgenden Geschichte eingefangen. Es ist eine traurige
Geschichte. Eine Geschichte über den täglichen Überlebenskampf - von
Mensch und vom Tier und eine faszinierende Reise in eine ganz fremde
Welt, die man nie so ganz verstehen wird. Darüberhinaus wird im Lauf der
Geschichte klar, dass der Held Uraz ein schwieriger und innerlich
zerissener Charakter ist, weil er das Erbe seines großen Vaters ist. Und
nicht zuletzt liefert "Der Steppenreiter" auch noch eine scharfsinnige
Note zum Kapitalismus dazu.
Der inzwischen gebrechliche Tursen (Jack Palance) gilt immer noch
als der beste Chapandaz, den das Buzkashi, ein seit Jahrhunderten fast
unverändert stattfindenden Reiterkampfspiel, je hervorgebracht hat. Die
Männer des Landes besingen seine Heldentaten als verwegenen und
unbesiegbaren Reiter immer noch am Lagerfeuer.
Man kann das Buzkashi mit Polo vergleichen, allerdings ist es viel
wilder, grausamer und viel gefährlicher. Denn das Spiel kann für den
Reiter und das Pferd tödlich enden. Es ist derjenige Sieger, der den
kopflosen toten Körper einer Ziege in seinem Gewahr behalten kann,
während die anderen Reiter ihn ständig attackieren - Schläge mit der
Peitsche sind nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht.
In der Hauptstadt Kabul wird wie jedes Jahr dieser traditionsreiche
Wettbewerb ausgetragen. Tursen ist stolz auf sein Pferd Jahil, eines
der schönsten und schnellsten seiner Art. Sein Sohn Uraz (Omar Sharif)
wird es reiten. Dessen Wege kreuzen sich des öfteren mit dem schlauen
Hayatal (Peter Jeffrey), der mit seinem sonderbar aussehenden
einhörnigen Ziegenbock von Ort zu Ort reist, um mit dem missraten
aussehenden Tier Kämpfe zu gewinnen. Überhaupt kämpfen die Menschen in
dieser Gegend sehr gerne oder aber hetzen die Tiere aufeinander und
wetten begeistert welches Küken oder welcher Ziegenbock gegen seinen
Artverwandten gewinnt. Es scheint die Zeit hier stehen geblieben zu
sein, denn im Hintergrund ist manchmal ein Auto zu sehen und in der Luft
hört man das Geräusch eines Düsenjets. Das stolze Pferd Jahil wurde von
Uraz Stallburschen Mukhi (David de Keyser) großgezogen. Im Wettbwerb
scheint der ehrgeizige Uraz tatsächlich zu gewinnen, doch er wird fast
auf der Zielgeraden vom Pferd geworfen und bricht sich das Bein. Um die
Ehre zu retten, kämpft sein ihm ergebener Diener an seiner statt und
beendet dem Kampf mit einem Sieg. Die Schande für Uraz ist dennoch sehr
groß. Trotz seines gebrochenen Beins schleicht er sich mit dem Diener
und dem Pferd vom Krankenhaus weg und fasst einen einsamen, todesmutigen
Entschluß. Er will den 250 Meilen langen Ritt durch das unwegsame
Gebiet der afghanischen Bergwelt nehmen, die von der Bevölkerung
ehrfürchtig als "Straße der toten Männer" bezeichnet wird. Somit hofft
er zuhause durch diesen Gewaltmarsch als Held aufgenommen zu werden.
Doch es folgen Strapazen und bald gesellt sich die ehrlose Prostituiete
Zareh (Leigh Taylor Young) zur Reisegesellschaft dazu...
Die Männer sind sich schmerzlich bewusst, dass die neuen Zeiten
schon längst angebrochen sind, dennoch halten sie an den alten Werten
und Traditionen fest. Es ist auch eine Bürde, die sie durch diese
Traditionen mit sich tragen müssen. Dabei wird klar, dass Uraz sich nie
aus dem Schatten seines übergroßen Vaters befreien konnte. Seine
Aggressionen gegenüber seinen Mitmenschen und sich selbst resultiert aus
dieser Bürde. Der getreue Diener Mukhi spielt auch eine wichtige
Schlüsselrolle in dieser Geschichte, denn ihm vertraut er das Pferd an,
falls er diesen Gewaltmarsch nicht überlebt. Die Prostituierte wird von
Uraz verachtet, doch der Diener verliebt sich in die Frau, die weiß wie
man mit Männern umgehen muss. Für sie könnte die Liason mit dem Diener
bedeuten, dass sie zu Reichtum gelangt. Frankenheimer hat diese Welt als
einen Ort wie aus einem Märchen gezeichnet. Dabei ist dieses Märchen
aber stets arachaisch und oft auch grausam. Frankenheimer skizziert eine
Zeitenwende und gibt noch einmal einen Augenblick frei in eine längst
vergessene Welt zu schauen. Eine melancholische Momentaufnahme. Der in
Vergessenheit geratene Abenteuerfilm entstand 1971.
Bewertung: 8,5 von 10 Punkten.
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