Montag, 6. Mai 2019

Die Steppenreiter

























Regie: John Frankenheimer

Wildes Buzkashi...

John Frankenheimers allgemein anerkannte Meisterwerke wie "Der Gefangene von Alcatraz", "Botschafter der Angst" oder "Der Mann, der zweimal lebte" entstanden alle in den 60er Jahren. In den späten Schaffensphase gelangen ihm mit "Ronin" und "Wild Christman" noch einmal zwei sehr geglückte Genrefilme. Ab den 70ern hatte er aber eine länger andauernde Durststrecke, seinen sehr unterschiedlichen Arbeiten war meistens kein großer Erfolg beschieden. Der 1971 in herrlichen Eastman Color Aufnahmen gedrehte "Die Steppenreiter" kam nur auf ein Einspielergbnis von 4,8 Millionen Dollar, blieb also deutlich hinter den Erwartungen zurück. Dennoch schätzte der Regisseur diesen Abenteuerfilm als einen seiner besten ein.
Die Geschichte basiert auf dem Roman von Joseph Kessel und steckt tatsächlich voller faszinierender Bilder und viel exotischem Flair. Dies wird schon in der wunderschönen Anfangssequenz sichtbar, in der Kameramann Claude Renoir dieses fremde Panorama eröffnet und dem Zuschauer die Gipfel zerklüfteter, brauner Bergketten Afghanistans zeigt. Dort blicken die Chapandaz, diese stolzen Reiter, auf dem Rücken ihrer edlen Pferde von ganz weit oben hinunter in die Täler, auf die sich vor ihnen ausbreitende, sehr wilde Landschaft. Wie einsame Wächter stehen sie da, begleitet werden sie vom Klang der Hörner, die einen unheimlichen Widerhall erzeugen. Sofort hat Frankenheimer damit einen die Stimmung der folgenden Geschichte eingefangen. Es ist eine traurige Geschichte. Eine Geschichte über den täglichen Überlebenskampf - von Mensch und vom Tier und eine faszinierende Reise in eine ganz fremde Welt, die man nie so ganz verstehen wird. Darüberhinaus wird im Lauf der Geschichte klar, dass der Held Uraz ein schwieriger und innerlich zerissener Charakter ist, weil er das Erbe seines großen Vaters ist. Und nicht zuletzt liefert "Der Steppenreiter" auch noch eine scharfsinnige Note zum Kapitalismus dazu.
Der inzwischen gebrechliche Tursen (Jack Palance) gilt immer noch als der beste Chapandaz, den das Buzkashi, ein seit Jahrhunderten fast unverändert stattfindenden Reiterkampfspiel, je hervorgebracht hat. Die Männer des Landes besingen seine Heldentaten als verwegenen und unbesiegbaren Reiter immer noch am Lagerfeuer.
Man kann das Buzkashi mit Polo vergleichen, allerdings ist es viel wilder, grausamer und viel gefährlicher. Denn das Spiel kann für den Reiter und das Pferd tödlich enden. Es ist derjenige Sieger, der den kopflosen toten Körper einer Ziege in seinem Gewahr behalten kann, während die anderen Reiter ihn ständig attackieren - Schläge mit der Peitsche sind nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht.
In der Hauptstadt Kabul wird wie jedes Jahr dieser traditionsreiche Wettbewerb ausgetragen. Tursen ist stolz auf sein Pferd Jahil, eines der schönsten und schnellsten seiner Art. Sein Sohn Uraz (Omar Sharif) wird es reiten. Dessen Wege kreuzen sich des öfteren mit dem schlauen Hayatal (Peter Jeffrey), der mit seinem sonderbar aussehenden einhörnigen Ziegenbock von Ort zu Ort reist, um mit dem missraten aussehenden Tier Kämpfe zu gewinnen. Überhaupt kämpfen die Menschen in dieser Gegend sehr gerne oder aber hetzen die Tiere aufeinander und wetten begeistert welches Küken oder welcher Ziegenbock gegen seinen Artverwandten gewinnt. Es scheint die Zeit hier stehen geblieben zu sein, denn im Hintergrund ist manchmal ein Auto zu sehen und in der Luft hört man das Geräusch eines Düsenjets. Das stolze Pferd Jahil wurde von Uraz Stallburschen Mukhi (David de Keyser) großgezogen. Im Wettbwerb scheint der ehrgeizige Uraz tatsächlich zu gewinnen, doch er wird fast auf der Zielgeraden vom Pferd geworfen und bricht sich das Bein. Um die Ehre zu retten, kämpft sein ihm ergebener Diener an seiner statt und beendet dem Kampf mit einem Sieg. Die Schande für Uraz ist dennoch sehr groß. Trotz seines gebrochenen Beins schleicht er sich mit dem Diener und dem Pferd vom Krankenhaus weg und fasst einen einsamen, todesmutigen Entschluß. Er will den 250 Meilen langen Ritt durch das unwegsame Gebiet der afghanischen Bergwelt nehmen, die von der Bevölkerung ehrfürchtig als "Straße der toten Männer" bezeichnet wird. Somit hofft er zuhause durch diesen Gewaltmarsch als Held aufgenommen zu werden. Doch es folgen Strapazen und bald gesellt sich die ehrlose Prostituiete Zareh (Leigh Taylor Young) zur Reisegesellschaft dazu...




Die Männer sind sich schmerzlich bewusst, dass die neuen Zeiten schon längst angebrochen sind, dennoch halten sie an den alten Werten und Traditionen fest. Es ist auch eine Bürde, die sie durch diese Traditionen mit sich tragen müssen. Dabei wird klar, dass Uraz sich nie aus dem Schatten seines übergroßen Vaters befreien konnte. Seine Aggressionen gegenüber seinen Mitmenschen und sich selbst resultiert aus dieser Bürde. Der getreue Diener Mukhi spielt auch eine wichtige Schlüsselrolle in dieser Geschichte, denn ihm vertraut er das Pferd an, falls er diesen Gewaltmarsch nicht überlebt. Die Prostituierte wird von Uraz verachtet, doch der Diener verliebt sich in die Frau, die weiß wie man mit Männern umgehen muss. Für sie könnte die Liason mit dem Diener bedeuten, dass sie zu Reichtum gelangt. Frankenheimer hat diese Welt als einen Ort wie aus einem Märchen gezeichnet. Dabei ist dieses Märchen aber stets arachaisch und oft auch grausam. Frankenheimer skizziert eine Zeitenwende und gibt noch einmal einen Augenblick frei in eine längst vergessene Welt zu schauen. Eine melancholische Momentaufnahme. Der in Vergessenheit geratene Abenteuerfilm entstand 1971.





Bewertung: 8,5 von 10 Punkten. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen