Sonntag, 30. Dezember 2018
Memento
Regie: Christopher Nolan
Eine anterograde Amnesie...
"Memento" ist ein Kriminalfilm, den man dem Neo Noir zuordnen kann - Christopher Nolan hat den Film im Jahr 2000 realisiert und wurde der erste Kinoerfolg des Regisseurs. An der Kinokasse spielte "Memento" fast 40 Millionen Dollar ein. Dabei arbeitet der sehr komplexe Film mit zwei Handlungssträngen, die sich durch die Optik unterscheiden. Während die korrekten Szenen in schwarz-weiß gehalten sind, laufen die farbigen Sequenzen für den Zuschauer zeitlich rückwärts ab. Dieses besondere Konzept ist für die Wirkung der Geschichte genial ausgearbeitet, denn der Zuschauer bleibt durchgehend - genauso wie die Hauptfigur der Geschichte - völlig orientierungslos. Alleine dadurch ergibt sich schon eine hohe Identifikation mit dem Mann, dessen Kurzzeitgedächtnis überhaupt nicht mehr funktioniert. Man hat dann das Gefühl genauso den Boden unter den Füßen zu verlieren.
Lenny Shelby (Guy Pearce) heißt der Mann, der sein Kurzzeitgedächtnis verloren hat, als er bei dem Versuch seine Frau von einem üblen Vergewaltiger zu retten, von dem Täter einen Schlag auf den Kopf bekommen hat. Seitdem hat der Ermittler für Versicherungsbetrug nur noch einen Gedanken: Er will den Mord an seiner geliebten Frau retten. Aber das ist extrem schwer, wenn man jedesmal nach dem Aufwachen wieder lernen muss, wer man ist, wo man ist und warum man genau dort ist. Er kann sich Ereignisse nicht mal 5 Minuten lang merken. Immerhin arbeitet Lenny mit einem ausgeklügelten System nicht den Faden bei seinen Ermittlungen zu verlieren. Er fotografiert mit seiner Polaroid Kamera Menschen, die er kennenlernt und macht dann auf den Fotos Notizen über diese Personen. Die wichtigsten Dinge hat er inzwischen auf seinem Körper tätowieren lassen. Er hat sich ein Appartment gemietet und immer wieder kommt ihm der Fall von Sammy Jankins (Stephen Tobolowsky) und seiner Frau (Harriet Sansom Harris) in den Sinn. Damals musste er herausfinden, ob der Zustand (Gedächtnisschwund) aufgrund einer physischen Verletzung auftrat oder ob die Amnesie psychischer Natur ist. Nach mehreren Tests, die Lenny durchführte, kam er zum Schluß, dass die Krankheit psychisch bedingt ist - damit konnte die Versicherung den Anspruch des Ehepaars abweisen. Doch diese Geschichte geht nach noch weiter. In einer weiteren Szene verabreicht Lenny seiner zuckerkranken Frau eine Insulinspritze. Eine Szene, in der sehr viel Dramatik steckt und die noch einmal später anders dargestellt werden soll. Durch die einzelnen Szenen, die zeitlich rückwärts laufen, kommt nicht nur Lenny dem Mörder seiner Frau jeden Tag ein bisschen näher - sondern auch der Zuschauer.
Er lernt mit Natalie (Carrie-Anne Moss) und Teddy (Joe Pantoliano) zwei Menschen kennen, die möglicherweise Helfer von Lenny sind. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass die beiden ein doppeltes Spiel spielen und auch nicht das sind, was sie vorgeben zu sein. Lenny wäre ja mit seinem Gedächtnisproblem das optimale Opfer für Manipulationen...
Mit diesen vielen Unsicherheiten kommt auch der Zuschauer nur Schritt für Schritt vorwärts und Nolan hat damit den Zuschauer in die Rolle von Lenny versetzt. Der gleiche Unsicherheitszustand bewirkt die Spannung des Films.
Man befindet sich damit permanent in einer Handlung, ohne deren Vorgeschichte zu kennen, wodurch es erschwert wird, das Gesehene zu ordnen und in Bezug zu setzen.
Natürlich ist "Memento" aber auch ein Film, der vom Hauptdarsteller Guy Pearce mühelos fast im Alleingang getragen wird. Für mich lieferte hier neben "L.A. Confidental" seine beste Rolle überhaupt ab. Das raffinierte Drehbuch erhielt gerechterweise eine Oscarnominierung. Christopher Nolan hat es gemeinsam mit seinem Bruder Jonathan selbst geschrieben. Auch Kameramann Wally Pfister bekam mit seiner herausragender Arbeit einen Popularitätsschub. Bei der BBC Umfrage über die besten Filme des 21. Jahrhunderts landete "Memento" sogar auf Platz 25, somit noch besser als Nolans "Dark Knight", der den 33. Rang belegt.
Bewertung: 9 von 10 Punkten.
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