Regie: Rupert Everett
Der gefallene Dichter...
Nach Brian Gilberts sehr gelobten 1997 insezenierte "Oscar Wilde"
hat nun auch Rupert Everett ein Film über den berühmten und umstrittenen
irischen Schriftsteller gemacht. Während Gilberts Film die Jahre 1882
bis 1900 (Wildes Todesjahr) skizziert, hat sich Everett darauf
beschränkt ausschließlich die letzten Lebensjahre im Exil zu zeigen.
Rupert Everett hat in der belgisch-deutschen-italienisch-britischen
Coproduktion fast alles im Alleingang gemacht. Er führte Regie, schrieb
das Drehbuch und hat sich natürlich nicht nehmen lassen die Hauptrolle
zu spielen. Und er spielt die Rolle perfekt.
Seinen ersten Erfolg hatte der offfen homosexuell lebende
Schauspieler 1984 in "Another Country". In diesem Film von Marek
Kanievska spielte er einen schwulen Schüler im England der 30er Jahre
und wurde damit international bekannt.
Genau wie Gilbert ist auch in Everetts Film die Angst und die
Abneigung der spätviktorianischen Gesellschaft vor Wildes Homosexualität
das Kernthema. Und ähnlich wie damals Stephen Fry als Wilde agiert auch
Everett - gebrochen, tragisch, aber bis fast zum Ende am prallen Leben
interessiert.
Der Titel "Happy Prince" bezieht sich auf die im Jahr 1988
erschiene Sammlung von fünf Kunstmärchen, die Wilde erfasst. Im Jahr
1896 wird er wegen Unzucht zu 2 Jahren Zwangsarbeit verurteilt - im Jahr
1898 wird er entlassen und flieht vor der gesellschaftlichen Ächtung
nach Paris. Dort lernt er in einer Kneipe im Hinterhof zwei junge Brüder
kennen. Für den älteren Jean (Benjamin Voisin) hat er sexuelle Gefühle,
dem jüngeren Bruder liest er Geschichten vor.
Die Geschichte wird von Everett nicht chronologisch oder linear
aufgerollt, sondern einzelne Episoden setzen sich immer mehr wie ein
Puzzle zusammen. Eine Szene ist für Wilde besonders schmerzlich: Als er
mit dem Zug ins Gefängnis überstellt wird, erkennen ihn die Leute am
Bahnsteig und sie mutieren dabei immer mehr zum wütenden Mob, die ihn
beschimpfen und bespucken. Eine weitere Station nach dem Gefängnis ist
auch Neapel - dort trifft er auf seinen ehemaligen Liebhaber Alfred
Bosie Douglas (Colin Morgan). Seine Freunde Reggie Turner (Colin Firth)
und Robbie Ross (Edwin Thomas) sind gar nicht glücklich über das erneute
Aufflackern der alten Leidenschaft. Bosies Art zieht Oscar noch weiter
herunter, obwohl er immer behauptet nun wieder glücklich zu sein. Der
Schein trügt. Er darf seine beiden Söhne nicht sehen, so hat seine Frau
Constance (Emily Watson) entschieden, weil er nach wie vor Kontakt zu
Bosie pflegt. In Paris nennt er sich Sebastian melmoth und lebt in Armut
und Isolation in einem billigen Hotel in der Rue des Beaux-Arts...
Der Film ist prächtig ausgestattet, hat schöne Szenenbilder und die
Kamera von John Conroy leistet gute Arbeit. Über allem steht die große
Performance von Rupert Everett, die sich in einer tragischen Szene
besonders festigt: In einer Bar soll er auf Geheiß der Wirtin - die wird
von Beatrice Dalle herrlich gespielt - ein Chanson singen. Mit
brüchiger Stimme folgt er dieser Bitte und man merkt sofort welche
traurige Figur hinter diesem Gesang steckt. Für mich fast die beste
Szene des Films. Eine weitere ist jedoch ebenbürtig. In Neapel schleppen
Wilde und Bosie einen italienischen Kellner ab, der verheiratet und
seine Frau erneut schwanger ist. Er verbringt aber seine Abende lieber
bei Wilde und Bosie, lässt sich wie andere Kerle, für den Sex bezahlen
und profitiert von der geschlossenen Gesellschaft unter Gentlemen. Als
seine Mutter entrüstet die Tür öffnet und ihren Sohn zur Rede stellt: Wo
ist die andere Frau, mit der seine liebe Frau betrügt ? Sie sucht in
allen Zimmern, doch wird nicht fündig. Nur Männer - teilweise mit
nacktem Oberkörper - sind zugegen. Sie entschuldigt sich bei Wilde für
die Störung und das sie so zweideutige Gedanken hatte. Hier ist Everett
eine Szene gelungen, über die man nicht nur schmunzelt - die auch nicht
ganz so schnell in Vergessenheit gerät.
Bewertung: 6,5 von 10 Punkten.
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