Freitag, 21. Dezember 2018

Ryans Tochter



















Regie: David Lean

Schicksalshafte Begegnung

David Lean drehte nach "Die Brücke am Kwai", "Lawrence von Arabien" und "Doktor Schiwago" im Jahr 1970 seinen vierten Monumentalfilm. Doch diesmal wurde seine Arbeit von sehr vielen Kritikern eher schlecht bewertet. Man warf dem bildgewaltigem Epos vor zu selbstgefällig und auch langweilig zu sein. Immerhin sah es das Publikum anders. Der Film konnte an der Kinokasse über 30 Millionen Dollar weltweit einspielen und lag am Ende nach "Love Story", "Airport", "Mash", "Patton", "Woodstock" und "Little Big Man" auf Platz 7 der Kinojahrescharts. Bei den Oscars gewann der Film zwei seiner vier Nominierungen: John Mills gewann als bester Nebendarsteller für seine Rolle des behinderten Michael und Freddie Young für seine überwältigende Kameraarbeit. Sarah Miles, die als beste Hauptdarstellerin vorgeschlagen wurden und auch die Tontechniker John Bramall und Gordon K. McCallum gingen leer aus.
 Der angesehene Kritiker Roger Ebert hat bemerkt, dass Leans Charaktere durch die übermäßige Skalierung endgültig in den Schatten der Umgebung gestellt werden. Das stimmt natürlich - aber genau dies macht den Reiz der Lean-Epen auch aus. Das war in "Lawrence von Arabien" nicht anders. Dort war die Wüste der eigentliche Hauptdarsteller. In "Die Brücke am Kwai" waren es Dschungel und Eisenbahnbrücke. Bei "Doktor Schiwago" war der russische Winter überlebensgroß und auch in seinem Spätwerk "Reise nach Indien" ist es das Land selbst, das riesigen Einfluss auf die Protagonisten nimmt. In "Ryans Tochter" ist es diese imposante Felsenlandschaft und die Küste des fiktiven Dorfs Kirrary im Südwesten Irlands. Die Zeit, in der die Geschichte spielt gibt zusätzlich einiges an Dramatik her. Es ist die Jahre 1916 und 1917, zur Zeit des Osteraufstandes. In dieser Zeit versuchten militante irische Republikaner gewaltsam die Unabhängigkeit Irlands von Großbritannien zu erzwingen. Dieser Versuch schlug zwar fehl, aber er gilt geschichtlich als Wendepunkt in der Geschichte Irlands, denn er führte letztendlich zur Abspaltung vom Empire und zur Unabhängigkeit als eigenständiger Staat.
 "Ryans Tochter" ist durch und durch ein Bilderfilm. Bereits die ersten Szenen beweisen dies eindrücklich. Dort auf den steilen Felsen sieht man hinab ans Meerufer und der Sonnenschirm der jungen Rosy Ryan (Sarah Miles), Tochter des örtlichen Kneipenwirts (Leo McKern) fällt die Klippen hinunter. Er landet im Wasser, aber zum Glück ganz nahe am Fischerboot des Pfarrers Collins (Trevor Howard), der sich in Begleitung des schwachsinnigen Michael (John Mills) befindet. Rosy ist eine junge Frau und ist verliebt in Charles Shaugnessy (Robert Mitchum), den örtlichen Lehrer, der aus Dublin zurückkehrte.
Das Dorf muss wohl oder übel die britischen Soldaten dulden, doch alle sind auf der Seite des Tim O´Leary (Barry Foster) und seinen Männern, die zur irischen Untergrundsbewegung gehören. Der wird gesucht und ihn und seine Männer erwartet dann der Galgen. Neu im Dorf ist der junge Randolph Doryan (Christopher Jones), der britische Befehlshaber der Garnison vor Ort. Bald findet im Dorf die Hochzeit von Rosy und ihrem Lehrer statt. Der hatte seine Frau noch zuvor gewarnt, ihn zu heiraten. Er könne ihr ja vielleicht nicht unbedingt das bieten, nach was sie sich so sehr sehnt. Tatsächlich wirkt die Ehe leidenschaftslos und obwohl Rosy ihren Mann liebt und auch seine Zuneigung und große Verlässlichkeit schätzt, gesteht sie dem Pfarrer nur wenige Wochen nach der Hochzeit, dass sie unglücklich ist. Doch als sie Doryan kennenlernt, kommt mit ihm die von ihr so erwartete Leidenschaft ins Spiel. Sie beginnt mit dem Mann eine heftige Affäre und ihr Mann hat auch sofort einen Verdacht, doch er unternimmt nichts gegen ihre Untreue. Auch im Dorf munkelt man bald über Rosy und man begegnet ihr bald mehr als feindselig...






Diese bittere Liebesgeschichte vor dieser bombastisch schönen Kulisse wird dramaturgisch von der Filmmusik von Maurice Jarre unterstützt. Der Vater von Jean Michel Jarre wurde bereits vor "Ryans Tochter" bereits zweimal für die beiden Lean Filme "Lawrence von Arabien" und "Doktor Schiwago" mit dem Oscar ausgezeichnet. Natürlich klingt der Soundtrack ähnlich. Für "Ryans Tochter" blieb er im Oscarrennen unberücksichtigt. Aber seinen dritten Oscar holte sich der französische Komponist wieder mit der Untermalung für ein Lean Epos: "Reise nach Indien" aus dem Jahr 1984. Es dauerte auch tatsächlich 14 Jahre bis Lean nach "Ryans Tochter" wieder einen Film realisierte. Man munkelte, dass Lean aufgrund der schlechten Kritikerbewertung all die Jahre keinen Film mehr realisieren wollte. Aus heutiger Sicht sind die damaligen Verrisse für diesen meditativen Ausflug ins Jahr 1917 überhaupt nicht mehr nachzuvollziehen. Lean hat es auch hier einmal mehr glänzend verstanden einen überlebensgroßen Film mit exzellenten Bilder zu machen. Eine Kunst, die er wie kein zweiter beherrschte. Aus damaliger Zeit mag der Film vielleicht zu altmodisch und zu wenig progessiv gewesen sein, aus heutiger Sicht sind diese 189 Minuten, die der britische Meisterregisseur hier präsentiert, ganz großes Kino.










Bewertung: 10 von 10 Punkten.

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