Regie: Eric Rohmer
Detektive am Nachmittag...
Die Filme von Eric Rohmer tragen alle eine sehr persönliche Handschrift. Der französische Regisseur hat eine große Anzahl seiner Filme in Zyklen aufgeteilt. So werden die Filme "Die Bäckerin von Monceau", "Die Karriere von Suzane", "Die Sammlerin", "Meine Nacht mit Maude", "Claries Knie" und "Die Liebe am Nachmittag" als "Moralische Geschichten" bezeichnet. Es folgten ab 1981 "Komödien und Sprichwörter" - zu diesem Zyklus werden die Filme "Die Frau des Fliegers", "Die schöne Hochzeit", "Pauline am Strand", "Vollmondnächte", "Das grüne Leuchten" und "Der Freund meiner Freundin" gezählt. Mit dem Beginn der 90er Jahre fing er mit dem "Jahreszeiten" Zyklus an, die Filme heißen "Frühlingserzählung", "Sommer", "Herbstgeschichte" und "Wintermärchen".
Die Veröffentlichung von "Die Frau des Fliegers" freut mich natürlich besonders, denn ich halte diesen Film für einen der stärksten im Schaffen von Rohmer. Der Film musste leider mit sehr niedrigem Budget von 125.000 Euro auskommen, weil der Vorgängerfilm an der Kasse ein Flop war. "Die Frau des Fliegers" wurde im 16 mm Format gedreht und zeigt eine typische Rohmer Geschichte...wie immer aus dem Alltag und stark geprägt von dem großen Thema der Jugend: Liebe.
Schauplatz der Geschichte ist natürlich Paris, die Stadt der Liebe.
Alles in diesem kleinen und sehr bezaubernden Film dreht sich darum. So ist auch Francois (Philippe Marlaud), ein 20jähriger Student total verliebt. Seine Freundin heißt Anne (Marie Riviere) und ist fünf Jahre älter als er und damit auch etwas erfahrener in Beziehungen. Anne hängt immer noch an ihrem vorherigen Lover Christian (Matthieu Carriere), ein attraktiver Pilot, der aber bereits verheiratet ist. Da Christian sich einige Monate nicht blicken ließ, fing Anne mit dem noch unerfahrenen Francois etwas an. Doch inzwischen fühlt sich sich von der Eifersucht arg eingeengt und Francois klammert auch, er würde gerne viel mehr Zeit mit Anne verbringen. Doch die pocht auf ihre Unabhängigkeit und Freiheit. Sie ist auch genervt von der Anhänglichkeit ihres jugendlichen Lovers. Francois tut aber alles für seine Anne und so hat er bei seinem Nebenjob in der Post (er sortiert nachts Briefe, um das Studium zu finanzieren) einen Kollegen (Philippe Caroit) gefragt, ob der in Annes Wohnung etwas reparieren kann. Als er nach der Arbeit - morgens um 7 Uhr - bei Anne vorbeischaut und klingelt, macht ihm die Herzensdame aber nicht auf. Wenig später sieht er Anne, wie sie mit dem Ex das Haus verlässt. Anne hatte ihm doch gesagt, dass Schluß ist. Der Zuschauer weiß zu diesem Zeitpunkt, dass die Beziehung zu dem Flieger tatsächlich beendet ist, denn dessen Frau ist schwanger und er hat sich entschieden bei seiner Frau zu bleiben. Francois missversteht das Treffen allerdings, weil Anne ihm an diesem Tag total die kalte Schulter zeigt. Daher heftet er sich an Christians Fersen, der sich in der Stadt mit einer blonden Frau (Haydee Caillot) trifft. Ist das etwa die Frau des Fliegers ? Jedenfalls gewinnt er bei seiner Detektivarbeit zufällig eine Komplizin, die sich sehr für Francois Beschattung interessiert. Die 15jährige Lucie (Anne Maure Meury) spricht ihn im Park des Buttes Chaumont darauf an. Die beiden verbringen - genau wie das Paar, dass von ihnen beobachtet wird - den Nachmittag gemeinsam...
Am Ende der Geschichte klärt sich auch auf, wer die blonde Frau tatsächlich ist. Da Francois Lucie versprochen hat ihr die Aufklärung seiner Recherchen schriftlich mitzuteilen, wirft er bei ihr noch einen Brief ein. Er entdeckt sie zufällig, wie sie einen Jungen küsst. Als dieser sich ihm nähert, erkennt er, dass es sein Arbeitskollege bei der Post ist. So erweist sich die Metropole Paris fast schon wieder als kleiner kosmos, bei dem man sich immer wieder begegnet. Die letzten Bilder vollenden aber auch die Melancholie, die über der Geschichte liegt. Die Stadt ist riesengroß und die Nöte des Einzelnen spielen für die Dynamik in der Stadt keine große Rolle. Rohmer gibt aber diesen jungen Menschen mit ihren Sehnsüchten eine Stimme - diese jungen Pariser leben ihr Leben und sind lebendig. Sie suchen Beziehungen und Rohmer lässt den Zuschauer wie gewohnt an ihrer Gefühlswelt teilhaben. Durch das alltägliche und beinahe schon schlichte und banale Treiben erreicht der Filmemacher natürlich eine sehr hohe Authentizität. "Die Frau des Fliegers" endet natürlich offen, denn das Treiben in der Großstadt ist fließend. Wer wen liebt, nicht mehr liebt, noch nicht liebt, ist am Ende nicht klar, weil alles in der Zukunft liegt. Die jungen Helden, denen Rohmer in seinem Film eine Stimme gab, haben Geheimnisse, die im Film natürlich nicht erwähnt, sondern nur vermutet wurden
Bewertung: 8 von 10 Punkten.
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