Sonntag, 15. Juli 2018

Eine fantastische Frau




















Regie: Sebastian Lelio

Starke Marina...

In der Oscarnacht 2018 wurde mit "Eine fantastische Frau" zum zweiten Mal in Folge der Preis für den besten fremdsprachigen Film an einen Beitrag vergeben, der auch stark mit politischen und gesellschaftlichen Diskussionen verknüpft ist. Im Jahr 2017 sorgte die Politik von Donald Trump dafür, dass der Iraner Asghar Farhadi vom erlassenen Einreiseverbot bestimmter islamischer Staaten profitierte - die Academy wählte seinen Film "The Salesman" nicht zufällig als Preisträger aus, man wollte hier ein klares Zeichen gegen die Trumpsche Herrschaft setzen. Auch in diesem Jahr schaffte es mit "Eine fantastische Frau" (Originaltitel: Una Mujer Fantastica) ein Filmbeitrag überraschend zu gewinnen, den man auch unmittelbar mit den derzeitig aktuellen Themen wie "Transgender", "LGBT" oder gar "Me Too" in Zusammenhang sehen kann. Damit fegte er sämtliche Favoriten aus dem Rennen. Für den Golden Globe war dieser chilenische Film ebenfalls nominiert. Im Oscar-Rennen stach er sogar Fatih Akins Golden Globe Sieger "Aus dem Nichts" aus, denn der deutsche Beitrag verpasste knapp das Ziel unter die ersten fünf zu kommen. Auch alle anderen Golden Globe Nominees unterlagen dem Transgender Film von Regisseur Sebastian Lelio, der bereits vorher bei der Berlinale den Teddy Award und den silbernen Bären fürs beste Drehbuch erhielt.
Getragen wird der Film von der ausgezeichneten Darstellerin Daniela Vega, die am 3. Juni 1989 als David Andres Vega Hernandez geboren wurde. Im Alter von acht Jahren entdeckte ein Lehrer sein Talent im Operngesang. Dies ist deshalb erwähnenswert, weil Daniela in "Eine fantastische Frau" am Ende eine Arie singt und im Laufe der Geschichte ihren Gesangslehrer besucht - damit sind die autobiographischen Anteile, die die Filmfigur "Marina" besitzt, zusätzlich verstärkt.
Die Tatsache, dass Marina transsexuell ist, verändert die Geschichte, macht sie bewegender und intensiver. Man fühlt sich sehr schnell an einige Werke von Rainer Werner Fassbinder erinnert - er war in den 70ern bekannt dafür Aussenseiter zu präsentieren, die sich in einer feindlichen Umgebung behaupten müssen, vielleicht sogar zerbrechen. Doch Sebastian Lelio wählt für seine Protagonisten einen viel hoffnungsvolleren Weg am Ende. Auch wenn es nicht einfach ist - als der Regisseur weit vor der Drehphase sich mit einigen Transsexuellen getroffen hatte und dabei Daniela Vega kennenlernte, wurde ihm auch sofort klar, dass er seinen Film nur mit einer transsexuellen Schauspielerin drehen würde.
Der Film fängt als Liebesgeschichte an. Der Zuschauer lernt das Paar Marina (Daniela Vega) und Orlando (Francisco Reyes) kennen. Orlando ist wesentlich älter als seine Partnerin, doch sie planen gemeinsam immer mehr ihre Zukunft. So ist Marina bei ihrem 58jährigen Freund eingezogen und Orlando hat ihr seinen treuen Hund geschenkt. Gemeinsam wollen sie zu den Iugazu-Wassenfällen reisen, doch soweit kommt es nicht mehr. In der Nacht wacht Orlando auf und klagt über Übelkeit. Er bricht sogar kurz zusammen, Marina entscheidet sich ihn ins Krankenhaus zu bringen. Er stürzt auch noch die Treppe hinunter und wird während der Autofahrt immer schwächer. Im Krankenhaus angekommen, wartet Marina auf Nachricht. Die Ärzte können ihr nur noch den Tod von Orlando mitteilen. Sie wird befragt, ob sie eine Angehörige sei. Sie informiert Orlandos Bruder Gabo (Luis Gnecco) und verlässt das Krankenhaus, um alleine sein zu können. Doch sie wird bereits von der Polizei gesucht - dem Arzt kam der abrupte Aufbruch seltsam vor und ausserdem machte die Frau, die sich als Geliebte des Toten outete, einen sonderbaren Eindruck. Orlandos Verletzungen vom Treppensturz - missgedeutet. Es könnte ein Fall für die Kriminalpolizei sein und deshalb wird Marina von einer Kripobeamtin (Amparo Noguera) verhört. Sie wird wie eine Verbrecherin behandelt, als man im Pass immer noch den männlichen Geburtsnamen entdeckt. Doch das ist nicht der einzige Konflikt, der nun ausgetragen wird. Die Exfrau von Orlando (Aline Küppenheim) sowie sein Sohn Bruno (Nicolas Saavedra) untersagen der Geliebten des Vaters den Besuch der Totenmesse und ihr wird auch das Beisein auf der Beerdigung verwehrt. Sie wird so schnell als möglich die Wohnung verlassen müssen und auch ihr Hund ist verschwunden....




Ein bedrückender Film, der wütend macht - vor allem auch deshalb, weil man gar nicht glauben will, dass es solche Diskriminierungen noch geben kann. Tatsächlich sind aber die Bedingungen von Transsexuellen in Chile alles andere als optimal. Der Regisseur gab aber an, dass dies realer Alltag für Transgender zu sein scheint. Er hat aber seiner Geschichte eine mitreißende und leuchtende Optik gegeben, so ist "Eine fantastische Frau" visuell ganz stark und vor allem die Hauptdarstellerin ist in fast jeder Szene präsent, muss sich in einer Szene sprichwörtlich gegen den Wind stemmen und hat das Schicksal zu bewältigen, was ihr am Ende tatsächlich auch gelingt.
Die Hauptdarstellerin ist sicherlich ein großer Gewinn, denn sie wirkt, wie wenn sie sich ständig in Veränderung befindet. Einmal sehr feminin, dann wieder maskulin. Auch das sonstige Repertoire geht über verrückt bis vernünftig. Sebastian Lelio - sichtlich von Fassbinder inspiriert - aber auch von Ingmar Bergman, denn in einem Interview erinnerte er an dessen Zitat "es gibt keine komplexere Landschaft als das menschliche Gesicht".



Bewertung: 8 von 10 Punkten. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen