Regie: Paul Thomas Anderson
Liebe geht durch den Magen...
Daniel Day-Lewis ist ein großartiger Schauspieler und der Einzige,
der bislang drei Oscars als bester männlicher Hauptdarsteller gewinnen
konnte. Den ersten Oscars gabs für "Mein linker Fuß", den zweiten für
"There will be blood" und den dritten für seine Darstellung als
"Lincoln" in Spielbergs gleichnamigen Film. Dem Mainstreamfilm hat er
sich verweigert. Er lehnte eine Rolle in "Herr der Ringe" ab, weil sie
mit seinem "Method Acting" nicht zu vereinbaren sei. Auch bei der
Oscarverleihung 2017 fand man seinen Namen bei den besten
Hauptdarstellern wieder. Mit seiner Rolle des Modedesigners Reynold
Woodcock im Film "Der seidene Faden" von Paul Thomas Anderson
konkurrierte er mit Gary Oldman, den Senkrechtstartern Timthee Chalamet
und Daniel Kaluuya sowie Denzel Washington um die begehrte Trophäe.
Daniel Day Lewis und Paul Thomas Anderson sind ein Gespann, dass
bereits erfolgreich in "There will be blood" zusammenarbeitete. Erneut
gabs Beifall für das Kreativduo - der Film "Der seidene Faden" erhielt
sechs Nominerungen für den Oscar: Bester Film, Bester Darsteller Daniel
Day Lewis, bester Regisseur, beste Nebendarstellerin Lesley Manville,
Beste Filmmusik und beste Kostüme. In letzterer Kategorie wurde Mark
Bridges am Ende auch ausgezeichnet.
Interessanterweise ging die Luxemburger Schauspielerin Vicky Krieps
bei der Vergabe der Nomierungen leer aus - sie hätte es auch verdient
in dieser Kategorie berücksichtigt zu werden.
So unterschiedlich Paul Thomas Andersons Filme auch sein mögen: Sie
sind immer sehr eigen und sonderbar auf extrem faszinierende Weise.
Hier macht auch "Der seidene Faden" keine Ausnahme, der im Original
"Phantom Thread" heißt.
Alle drei Hauptfiguren sind merkwürdig, zwei davon sind neurotisch
geprägt. Eine weitere versteht sich als Giftmischerin, um heilsame
Wirkungen freizusetzen. Klingt obskur und ist es auch.
Die Geschichte spielt in den 50er Jahren in London. Der rennomierte
Modedesigner Reynold Woodcock (Daniel Day-Lewis) fertigt Kleider für
die High Society an und wird von seinen Kunden regelrecht vergöttert.
Sein Charisma und sein Genie sind aber gepaart mit einer obsessiven,
kontrollierenden und egozentrischen Persönlichkeit. Der Ablauf des Tages
ist genau struktuiert und minutiös festgelegt - seiner Schwester Cyrill
(Lesley Manville) fällt die Aufgabe zu dies alles so zu managen, dass
es keine unvorhergesehenen Störungen gibt und vor allem auch keine
unliebsamen Überraschungen. Ein Abweichen dieses Lebensplanes würde den
Maestro so sehr in Bedrängnis bringen, dass sein schöpferische
Kreativphase sofort darunter leiden würde. Beide Geschwister sind
unverheiratet geblieben, sie haben das modische Imperium von der Mutter
sozusagen in die Wiege gelegt bekommen. Er pflegt auch den etwas
skurrilen Tick, dass er versteckte Botschaften in die Auskleidungen
seiner Kleider einnäht. Und Reynold braucht immer mal wieder eine Muse,
die ihm das Leben verschönert. Doch diese Frauen haben es wahrlich nicht
leicht. Sie haben sich völlig unterzuordnen und so ergeht es auch
seiner Freundin Johanna (Camilla Rutherford). Inzwischen hat er genug
von ihr, wie der Zuschauer bei einer Szene mit Frühstück zu dritt sehen
kann. Ein normales klärendes Gespräch wird von Reynolds strikt
abgelehnt, denn er zeichnet während des Frühstücks an seinen Entwürfen
und da hat ein Konfliktgespräch kein Platz. Er gesteht in einem Gespräch
mit seiner Schwester, dass er genug von Johanna hat. Für die Schwester
bleibt die Aufgabe die Ex sanft aus dem Haus zu entfernen. Sie rät aber
ihrem Bruder dringend ein bisschen auszuspannen und bei seinem
Kurzurlaub lernt er die Kellnerin Alma (Vicky Krieps) kennen. Er fragt
nach einem Date und sie akzeptiert. Die Beziehung entwickelt sich sehr
zärtlich und schön, sie zieht bald mit ihm zusammen und wird so auch
seine Assistentin, Muse und Geliebte. Immer etwas misstrauisch beäugt
von Cyrill. Um ihm eine Freunde zu machen und vom stringenden Fahrplan
etwas abzuweichen, arrangiert sie heimlich ein romantisches Abendessen.
Dies führt zum ersten großen Zerwürfnis. Reynolds duldet keine
Abweichungen seiner Routinen, an denen er jahrelang so hart gearbeitet
hat, um sie zu perfektionieren. Alma vergiftet daraufhin Reynolds Tee
mit Pilzen. Der bricht zusammen, beschädigt das Brautkleid für die
belgische Prinzessin und zwingt sein Personal die ganze Nacht zu
arbeiten, um es wieder zu reparieren. Alma pflegt ihn gesund und er
bittet sie daraufhin um ihre Hand. Sie willigt ein. Doch es bleibt nicht
bei der einen Vergiftung...
Der starke Partner und die sich schwach und nutzlos vorkommende
Partnerin, die dann aber Erfüllung darin findet ihren Mann von schwerer
Krankheit wieder aufzupäppeln. Da er aber Krankheiten und Schwäche nicht
kennt, muss mit Giftpilzen nachgeholfen werden. Die Dosierung so zu
steuern, dass er weder stirbt noch bleibenden Schaden nimmt. Aber
einfach für einige Zeit die Oberhand in der Beziehung hat. So verkehrt
sich die Konstellation von Stärke und Schwäche. Das Ende bleibt offen,
aber es könnte funktionieren. Ein herrlich makabrer Stoff, hat sich Paul
Thomas Anderson hier ausgesucht.
Der Regisseur selbst hat als Referenz Hitchcocks "Rebecca" genannt
und tatsächlich gibts hier verblüffende Parallelen mit den dortigen
Figuren. Statt einer toten Rebecca erscheint die tote Mutter von
Reynolds. Er selbst ist tatsächlich ein mentaler Verwandter von Maxim de
Winter und seine neue Frau steht immer im Schatten. Die Schwester
Cyrill hat Züge von der bösen Mrs. Danvers, die immer mit Argusaugen
über ihren Bruder und der neuen Frau wacht. Die Frau kämpft aber um ihr
Glück, sie will keinesfalls die Rolle als Randfigur im Leben ihres
Mannes sein, sondern eine lebendige Beziehung mit ihm führen. Da dies
unmöglich ist, muss sie ihrem Plan nachhelfen. Hier wird dann das
vergiftete Pilzomlett zum MacGuffin.
Bewertung: 8,5 von 10 Punkten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen