Regie: Lee Chang-Dong
Gewächshäuser abbrennen...
Mit seinem 2018 gedrehten Paranoiafilm "Burning" hat der
südkoreanische Regisseur Lee Chang-dong ein echtes Meisterwerk
geschaffen. Man kann den Film mühelos zu den Besten des Jahres zählen,
vielleicht ist es sogar DAS Highlight des Filmjahres. Für die im
Gedächtnis bleibenden Bildkompositionen war der Kameramann Hong
Kyung-pyo verantwortlich, der bereits häufig mit Bong Joon-Ho
zusammengearbeitet hat. Die Musik steuerte der Komponist Mowg bei, der
sich bislang vor allem für die Soundtracks der Filme von Kim Jee-woon
einen Namen machte.
Im Grunde ist "Burning" ein DreiPersonen Stück, dass durch seine
Sorgfalt besticht. Der Regisseur baut die Geschichte ganz langsam auf
und eh man sich versieht ist man in der Suspence Struktur der Geschichte
völlig gefangen. Mit diesem Film lernt der Zuschauer gar ein Update von
Hitchcocks Meisterstück "Vertigo" kennen. Und dies liegt nicht nur
daran, dass der Hauptprotagonist des Films mit seinem Lieferwagen einen
anderen Menschen beobachtet.
Der Film basiert auf der Kurzgeschichte "Scheunenabbrennen" von
Haruki Murakami aus dessen Erzählsammlung "Der Elefant verschwindet".
Der Autor schrieb diese Erzählungen im Jahr 1993. Dabei passiert in der
Geschichte tatsächlich gar nicht so viel. Aber es passiert eben sehr
viel im kopf des jungen Lee Jongsu (Yoo Ah-in). Der junge Mann nimmt in
seiner Heimat Paju immer mal wieder Gelegenheitsjobs an. Seine wahre
Leidenschaft ist das Schreiben und er ist ein Fan von William Faulkner.
Eines Tages trifft er Shin Hae-mi (Jeon Jong-seo) wieder. Ein Mädchen,
dass er schon seit seinen Kindertagen kennt und die er dann lange Zeit
aus dem Augen verlor. Lee Jongsu kann sich nicht mehr an vieles aus
dieser Zeit erinnern, aber Hae-mi weiß sogar, dass sie einmal als
kleines Mädchen in einen Brunnen fiel, wo sie dann von Jongsu entdeckt
und somit gerettet wurde. Dann erzählt sie auch von ihrer bevorstehenden
Reise nach Afrika und bittet ihn ihre Katze Boil bei sich zu Hause zu
füttern. Vor der Abreise zeigt sie ihm ihr Zimmer, wo sie in Miete lebt.
Dort schlafen die beiden miteinander. Dann ist das Mädchen für einige
Wochen weg. Jong-su kommt jeden Tag in die Wohnung, doch die Katze
bekommt er nie zu Gesicht ? Existiert dieses Tier vielleicht nur in der
Einbilung von Hae-mi, die ohnehin eine blühende Phantasie hat ? Doch das
Futter, dass er hinstellt ist weg und unter dem Bett ist auch eine
Katzenkiste, die regelmässig benutzt wird. Mit seinem Vater (Choi
Seung-ho), einem Bauern, hat Jong-su auch Probleme. Der befindet sich in
Untersuchungshaft, weil er einen Polizisten geschlagen haben soll. Die
Mutter (Hye-ra Ban) ist schon lange davongelaufen. So kümmert sich der
junge Mann während der Abwesenheit des Vaters um dessen Haus auf dem
Land und um das einzige Rind, dass dem Bauern geblieben ist. Dann kehrt
Hae-mi aus Afrika zurück, doch zur Überraschung von Jong-su hat sie dort
den mysteriösen Ben (Steven Jeun) kennengelernt, der ziemlich reich
ist. Er fährt einen Porsche und wohnt in einem luxuriösen Appartment in
Seoul. Hae-mi und der Fremde sind ab diesem Zeitpunkt unzertrennlich.
Dies kränkt Jong-su, der sich inzwischen in Hae-mi verliebt hat. Doch er
spricht nicht darüber und akzeptiert zähneknirschend, dass bei seinen
Treffs mit Hae-mi der Nebenbuhler nicht von deren Seite weicht. Wobei
Ben auch ein guter Gesprächspartner ist, sich ebenfalls für Literatur
interessiert und sich zu Jong-Su stets sehr freundschaftlich verhält.
Eines Tages besuchen Ben und Hae-mi Jong-su auf dem Land. Dort rauchen
sie zusammen Marihuana und während Haemi beginnt sich auszuziehen und
vor der untergehenden Sonne zu tanzen, erzählt Ben seinem Konkurrenten
von seiner Leidenschaft. "Alle 2 Monate hab ich das Bedürfnis ein
Gewächshaus abzufackeln und dies dann so lange zu beobachtet, bis alles
niedergebrannt ist". Dies ist der Abend als Jong-Su seine Liebe zum
letzten Mal sieht. Ab diesem Zeitpunkt ist Hae-mi wie vom Erdboden
verschwunden. Sie ist auch nicht auf ihrem Handy zu erreichen.
Allmählich keimt in Jong-Su der Verdacht auf, dass Ben etwas mit dem
Verschwinden der jungen Frau zu tun haben könnte. Einige Indizien weisen
darauf hin. Und jeden Tag läuft er durch sein Heimatdorf, nahe der
nordkoreanischen Grenze, um zu sehen, ob irgendwo ein Gewächshaus
niedergebrannt wurde...
Der Film wird ab einem gewissen zeitpunkt immer dichter und es ist
ein Wunder, dass der Regisseur dies mit so wenig Aufwand an Mitteln
schafft. Es sind natürlich auch die Schauspieler Yoo Ah-in, Steven Jeun
und Jeon Jong-seo, die die Geschichte tragen. Alle drei verdienen
höchstes Lob, denn sie spielen ihre Rollen extrem tief und glaubwürdig.
Natürlich weiß man ab einem gewissen Zeitpunkt, dass die Geschichte
nicht lückenlos sein wird. Es wird ein Rätsel bleiben und im Grunde sind
die Indizien, die Jong-su sammelt nicht besonders rationell, eher sehr
emotional begründet. Doch genau wie diese Hauptfigur hegt man auch als
Zuschauer plötzlich den Verdacht einem skrupellosen Verbrecher auf der
Spur zu sein. Aber ist dies auch die wahrheit. Ein weiteres Thema des
Films ist die unerfüllte Liebe und die Zurückhaltung von Jong-su. Ben
ermutigt ihn dazu, auf "den Bass im Körper" zu achten und diesem auch zu
folgen. Ein Tipp mit fatalen Folgen. Bei der Oscarverleihung für den
besten ausländischen Film kam dieser südkoreanische Beitrag immerhin auf
die Shortlist der letzten 9 Filme. Er wäre sicherlich ein würdiger
Oscargewinner gewesen.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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