Regie: Joel Edgerton
Sexuelle Umerziehung...
"Der verlorene Sohn" ist ein sehr ambitonierter und äusserst
interessanter Film des Regisseurs und Schauspielers Joel Edgerton. Der
australische Schauspieler, Drehbuchautor, Regisseur und Filmproduzent
spielt in seinem Film die Rolle des Therapeuten Victor Sykes, der junge
homosexuelle Christen mittels einer Konversionstherapie in zwölf
Schritten umpolen wird. Eine Rolle, für die er sicherlich eine
Oscarnominierung verdient hätte - leider ignorierte die Academy "Boy
Erased" weitestgehend. Lediglich für zwei Golden Globes war Edgertons
zweite Regiearbeit im Gespräch: Lucas Hedges als bester Hauptdarsteller
und für den Filmsong "Relevation", der von Troye Sivan und Jonsi
geschrieben wurde.
Die Filmbiografie basiert auf den Memoiren von Garrad Conley. In
den USA ist diese extrem umstrittene Therapie leider immer noch weit
verbreitet, bowohl sie von allen führenden internationalen
psychiatrischen und psychologischen Fachgesellschaften abgelehnt wird.
Diese weisen auch auf die schädigende Wirkung dieser Therapien hin. Doch
evangelikale Glaubengemeinschaften sehen die Homosexualität weiterhin
als Sünde. Eine Sünde, vom Teufel herbeigeführt - die aber durch Gebet
und Glauben wieder in die richtige Spur kommen wird. Nach der Auffassung
der Gläubigen hat der Betreffende jederzeit die Möglichkeit von dieser
Sünde zu lassen und so zu funktionieren wie Gott dem Menschen erschaffen
hat: Als Mann und Frau und zur Fortplanzung.
Jared Eamons (Lucas Hedges) lebt in einer kleinen US-Stadt. Im
Alter von 19 Jahren muss er seinen streng gläubigen Eltern Marshall
(Russell Crowe) und Nancy (Nicole Kidman) beichten, dass er schwule
Gedanken hat und auch schon gewisse Erfahrungen in diesem Gebiet sammeln
konnte. Sein Collegefreund Henry (Joe Alwyn) versuchte ihn zu
vergewaltigen und mit einem Xavier (Theodore Pellerin), einem anderen
schwulen Jungen hatte er ein Date, das eigentlich sehr harmlos verlief.
Beide lagen eine Nacht zusammen im Bett, ohne dass etwas passierte.
Obwohl Jared eine Freundin (Madelyn Cline) hatte, waren diese Gedanken
an Jungs schon lange da. Marshall Eamons ist ein angesehener
Baptistenprediger und ist sehr schockiert als er von den Sünden seines
Sohnes erfährt. Denn damit wäre er ja für Gott verloren. So holt er sich
Rat bei den Gemeindeältesten. Einer dieser Männer berichtet davon, dass
auch sein Sohn in der Pubertät ähnliche Neigungen hatte - aber durch
die Hilfe des Herrn und durch die Therapie konnte der junge Mann geheilt
werden. Hallelujah...so macht Vater Marshall seinem Sohn ebenfalls
etwas Druck. Und der lässt sich tatsächlich auf diese Therapie ein.
Seine Mom fährt in ins "Love in Action" Zentrum des Therapeuten Victor
Sykes. Dort sollen durchs Gebet die moralischen Verfehlungen offen
gelegt und die Sünden kategorisiert werden. Jeder der Jungs und
Mädchen, die dort therapiert werden sollen, gehen etwas anders mit dem
Programm um. Die Gehirnwäsche geht sogar soweit, dass es zu einem Suizid
kommt....
Aber vorerst wird bei dem armen Cameron, gespielt von Britton Sear,
eine Dämonenaustreibung vorgenommen. Nur gut, dass Jared während dieser
Sitzungen irgendwann seine eigene Identität erkennen und auch annehmen
kann. Aber es ist ein schmerzlicher Entwicklungsprozess. Edgerton hat
dieses Thema zwar ungeschönt, aber immer subtil geschildert. Er zeigt
die Wirkung dieser Umerziehung, stellt aber weder die Eltern, noch die
Gläubigen nicht als Monster dar, sondern er legt auch deren Zwiespalt
offen - einerseits im Glauben zu leben, andererseits aber mit einer
unabänderlichen Wahrheit konfrontiert zu sein, die unbedingt akzeptiert
werden muss. Der Autor des Buchs Conley hat dies selbst erlebt - er
wuchs in Arkansas im Bilbel-Belt in einer streng orthodoxen Familie von
Baptisten auf. Eltern, Verwandte, das ganze Umfeld und nicht zuletzt er
selbst waren schockiert. Darüberhinaus wird man noch von Schuldgefühlen
geplagt. Joel Edgerton konnte für seinen Film den bekannten schwulen
Teeniestar Troye Sivan sowie den schwulen Regisseur Xavier Dolan für
eine Nebenrolle gewinnen. In den USA wurden bisher 700.000 schwule
Menschen mit dieser Therapie umerzogen.
Bewertung: 9 von 10 Punkten.
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