Regie: Adam McKay
Der Herrscher im Hintergrund...
Auf dem Gipfel
seiner Macht, der Sieg ist schon zum Greifen nahe - hat Adam McKay in
seinem Oscarfilm "Vice" eine zärtliche Szene zwischen Christian Bale und
Amy Adams platziert, in der das Politikerpaar plötzlich übergeht den
Dialog von Macbeth und seiner manipulativen Gemahlin nachzusprechen.
Eine der vielen sehr originellen Szenen aus Mckays sehr subjektiv
angelegten Film, der etwa ab der Mitte richtig Fahrt aufnimmt und einen
politischen Radikalschlag wagt. Bale sieht seiner Figur dem ehemaligen
US-Vizepräsidenten Dick Chaney täuschend ähnlich. Kein Wunder, dass der
Film "Vice" den Oscar fürs beste Make up und die besten Frisuren gewann.
Auch die Darsteller Sam Rockwell als George W. Bush jr. und Steve
Carrell als Donald Rumsfeld sehen dem Original sehr, sehr ähnlich.
McKays
Vorgängerfilm "The Big Short" wurde im Jahr 2016 für das beste
adaptierte Drehbuch nominiert, auch eine Nominierung als bester
Regisseur sprang für Adam McKay heraus. "Vice" schafft gar 8
Nominierungen. Natürlich war Christian Bale als Vizepräsident Chaney
heißer Favorit für den Sieg, aber auch Sam Rockwell und Amy Adams hatten
gute Chancen. McKay erneut für beste Regie und bestes Drehbuch, dazu
eine Nennung in den Kategorien "Bester Schnitt" und "Bester Film"
rundeten das gute Ergebnis ab. Am Ende konnten aber nur die
Maskenbildner Greg Cannom, Kate Biscoe und Patricia DeHaney einen Sieg
einfahren.
Adam McKay besitzt
zweifelsohne ein Faible für Zynismus oberhalb der Satire. Das beste
Beispiel liefert eine weitere Szene gegen Ende des Films, als die
Protagonisten, eine Handvoll zwielichtiger politischer Aktivisten rund
um Chaney in einem Restaurant den Kellner nach der Speisekarte fragen.
Alfred Molina in der Rolle des Kellners empfielt den Herren dann "Die
erweiterte Befragung" und macht mit politischen Schlagworten weiter. Am
Ende meint Cheney überzeugt "Hört sich lecker an, wir nehmen alles".
"Vice" ist ein
schillernden Bilderbogen aus der US-Politik und spannt einen weiten
Bogen, denn die politische Karriere von Cheney (Christian Bale) beginnt
bereits mit Präsident Nixon. Er wird zu dieser Zeit persönlicher
Assistent von Donald Rumsfeld (Steve Carell) und wird unter Gerald Ford
der jüngste Stabschef des weißen Hauses. Durch den Sieg von Carter kommt
die erste Durststrecke, die Cheneys dominanter Frau Lynne gar nicht
passt. 1989 wird der Machtmensch von George Bush sen. zum
Verteidigungminister ernannt und bleibt dies bis zum Ende von dessen
Amtszeit. Bushs alkoholfreudiger Sohn George W. holt ihn ebenfalls ins
politische Boot. Diesmal als "Vize" und Cheney hat für dieses an sich
fast nutzlose Amt gut gepokert, denn er bekommt vom noch unerfahrenen
Präsidenten sehr viele Befugnisse. Man könnte sagen als "graue Eminenz
im Hintergrund" - so die Marschrichtung des Films, denn der Mann hat
bald die Kontrolle über die Verwaltung, Militär- Energie- und
Außenpolitik. Durch die Anschläge am 11. September kann er diese
Position noch ausbauen. Er forciert die Kriege in Afghanistan und im
Irak. Damit fällt auch Sadam Hussein, den er so lange als Komplizen von
Al-Quaida bezichtigt, bis das Volk den Einmarsch in diesem Land
gutheißt. Am Ende sorgt er auch für das Erstarken des Terroristen Abu
Mus-ab az-Zarqawi, der bald den Gottesstaat groß macht. Ausserdem wird
Cheney mit den Foltermethoden und dem berüchtigten Gefängnis
Guantanamo...
"Vice" ist deshalb
sehr sehenswert, weil er sich traut eine politische Position
einzunehmen und versucht die Ereignisse dieser Jahre auch differenziert
zu deuten. Er schildert auch, dass wir die gespaltene Bevölkerung in den
USA nicht erst einem Donald Trump zu verdanken haben, sondern vor ihm
gab es Hardliner wie Nixon oder Ronald Reagan. Ein Land, dass in seiner
Meinung sehr gespalten ist und dass durch einen dunkelhäutigen
Präsidenten wie Obama noch mehr an Spaltung erfahren hat. Als politische
Persönlichkeit ist Cheney tatsächlich ein interessanter Mensch. Dennoch
macht sich der Film keine große Mühe den Menschen, der in diesem
knallharten Politiker steckt, durchschimmern zu lassen. Lediglich die
Szene, als er erfährt, dass seine Tochter lesbisch ist, zeigt eine der
menschlichen Facetten, die sonst aussen vor bleiben. Schauspielerisch
ist der Fillm klasse besetzt, die Darsteller sind in Höchstform und
Christian Bale hätte den Oscar auch sicherlich bekommen, wenn nicht
einer der Konkurrenten dabei gewesen wäre, der ebenfalls eine prominente
Persönlichkeit dargestellt hat. Rami Maleck gewann den Oscar,
vielleicht auch deshalb, weil im Jahr zuvor schon einmal ein
Method-Actor gewann, der mit täuschend ähnlicher Optik einen Politiker
darstellte: Gary Oldman als Churchill in "Die dunkelste Stunde".
Bewertung: 8 von 10 Punkten.
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