Mittwoch, 10. Juli 2019

Vice

























Regie:  Adam McKay

Der Herrscher im Hintergrund...

Auf dem Gipfel seiner Macht, der Sieg ist schon zum Greifen nahe - hat Adam McKay in seinem Oscarfilm "Vice" eine zärtliche Szene zwischen Christian Bale und Amy Adams platziert, in der das Politikerpaar plötzlich übergeht den Dialog von Macbeth und seiner manipulativen Gemahlin nachzusprechen. Eine der vielen sehr originellen Szenen aus Mckays sehr subjektiv angelegten Film, der etwa ab der Mitte richtig Fahrt aufnimmt und einen politischen Radikalschlag wagt. Bale sieht seiner Figur dem ehemaligen US-Vizepräsidenten Dick Chaney täuschend ähnlich. Kein Wunder, dass der Film "Vice" den Oscar fürs beste Make up und die besten Frisuren gewann. Auch die Darsteller Sam Rockwell als George W. Bush jr. und Steve Carrell als Donald Rumsfeld sehen dem Original sehr, sehr ähnlich.
McKays Vorgängerfilm "The Big Short" wurde im Jahr 2016 für das beste adaptierte Drehbuch nominiert, auch eine Nominierung als bester Regisseur sprang für Adam McKay heraus. "Vice" schafft gar 8 Nominierungen. Natürlich war Christian Bale als Vizepräsident Chaney heißer Favorit für den Sieg, aber auch Sam Rockwell und Amy Adams hatten gute Chancen. McKay erneut für beste Regie und bestes Drehbuch, dazu eine Nennung in den Kategorien "Bester Schnitt" und "Bester Film" rundeten das gute Ergebnis ab. Am Ende konnten aber nur die Maskenbildner Greg Cannom, Kate Biscoe und Patricia DeHaney einen Sieg einfahren.
Adam McKay besitzt zweifelsohne ein Faible für Zynismus oberhalb der Satire. Das beste Beispiel liefert eine weitere Szene gegen Ende des Films, als die Protagonisten, eine Handvoll zwielichtiger politischer Aktivisten rund um Chaney in einem Restaurant den Kellner nach der Speisekarte fragen. Alfred Molina in der Rolle des Kellners empfielt den Herren dann "Die erweiterte Befragung" und macht mit politischen Schlagworten weiter. Am Ende meint Cheney überzeugt "Hört sich lecker an, wir nehmen alles".
"Vice" ist ein schillernden Bilderbogen aus der US-Politik und spannt einen weiten Bogen, denn die politische Karriere von Cheney (Christian Bale) beginnt bereits mit Präsident Nixon. Er wird zu dieser Zeit persönlicher Assistent von Donald Rumsfeld (Steve Carell) und wird unter Gerald Ford der jüngste Stabschef des weißen Hauses. Durch den Sieg von Carter kommt die erste Durststrecke, die Cheneys dominanter Frau Lynne gar nicht passt. 1989 wird der Machtmensch von George Bush sen. zum Verteidigungminister ernannt und bleibt dies bis zum Ende von dessen Amtszeit. Bushs alkoholfreudiger Sohn George W. holt ihn ebenfalls ins politische Boot. Diesmal als "Vize" und Cheney hat für dieses an sich fast nutzlose Amt gut gepokert, denn er bekommt vom noch unerfahrenen Präsidenten sehr viele Befugnisse. Man könnte sagen als "graue Eminenz im Hintergrund" - so die Marschrichtung des Films, denn der Mann hat bald die Kontrolle über die Verwaltung, Militär- Energie- und Außenpolitik. Durch die Anschläge am 11. September kann er diese Position noch ausbauen. Er forciert die Kriege in Afghanistan und im Irak. Damit fällt auch Sadam Hussein, den er so lange als Komplizen von Al-Quaida bezichtigt, bis das Volk den Einmarsch in diesem Land gutheißt. Am Ende sorgt er auch für das Erstarken des Terroristen Abu Mus-ab az-Zarqawi, der bald den Gottesstaat groß macht. Ausserdem wird Cheney mit den Foltermethoden und dem berüchtigten Gefängnis Guantanamo...




"Vice" ist deshalb sehr sehenswert, weil er sich traut eine politische Position einzunehmen und versucht die Ereignisse dieser Jahre auch differenziert zu deuten. Er schildert auch, dass wir die gespaltene Bevölkerung in den USA nicht erst einem Donald Trump zu verdanken haben, sondern vor ihm gab es Hardliner wie Nixon oder Ronald Reagan. Ein Land, dass in seiner Meinung sehr gespalten ist und dass durch einen dunkelhäutigen Präsidenten wie Obama noch mehr an Spaltung erfahren hat. Als politische Persönlichkeit ist Cheney tatsächlich ein interessanter Mensch. Dennoch macht sich der Film keine große Mühe den Menschen, der in diesem knallharten Politiker steckt, durchschimmern zu lassen. Lediglich die Szene, als er erfährt, dass seine Tochter lesbisch ist, zeigt eine der menschlichen Facetten, die sonst aussen vor bleiben. Schauspielerisch ist der Fillm klasse besetzt, die Darsteller sind in Höchstform und Christian Bale hätte den Oscar auch sicherlich bekommen, wenn nicht einer der Konkurrenten dabei gewesen wäre, der ebenfalls eine prominente Persönlichkeit dargestellt hat. Rami Maleck gewann den Oscar, vielleicht auch deshalb, weil im Jahr zuvor schon einmal ein Method-Actor gewann, der mit täuschend ähnlicher Optik einen Politiker darstellte: Gary Oldman als Churchill in "Die dunkelste Stunde".




Bewertung: 8 von 10 Punkten. 

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